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Auf kleinen grünen Füßen unterwegs

Das britische Architekturbüro Foster + Partners hat eine demontierbare Holzstruktur in ein stillgelegtes Gaswerk in Madrid eingebaut und so ein flexibles, von Bäumen gesäumtes Bürogebäude Namens Ombú geschaffen. Und all das mit einem sehr geringen ökologischen Fußabdruck.

In Zeiten von Klimawandel und Energie-Engpässen hat sich wohl fast jeder schon einmal Gedanken um den eigenen ökologischen Fußabdruck gemacht. Dieser 1994 entstandene Begriff und das dazugehörige Konzept bezeichnet die biologisch produktive Fläche auf der Erde, die notwendig ist, um den Lebensstil und Lebensstandard eines Menschen (unter den heutigen Produktionsbedingungen) dauerhaft zu ermöglichen. Es ist also ein Indikator für Nachhaltigkeit.

Häuser hinterlassen ebenfalls Spuren

Auch bei Bauvorhaben kann ein solcher ökologischer Fußabdruck errechnet werden. Im Falle des revitalisierten Bürogebäudes Ombú in Madrid liegt der Wert bei 1,0. Das bedeutet, dass die Kohlenstoffemissionen des Objekts von der derzeitigen Kapazität der Erde absorbiert werden und die Umweltauswirkungen mit den Pariser Klimazielen vereinbar sind.

Ombú

Das Sanierungsprojekt, das einem historischen Industriegebäude in Madrid neues Leben einhauchte, gehört zu den nachhaltigsten Unterfangen in der Geschichte von Foster + Partners. Chris Trott, Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit des Architekturstudios, hat Ombú sogar als Fallstudie für den World Green Building Council bei der COP26 in Glasgow vorgestellt.

Stichwort Embodied Carbon 

Eine Besonderheit im Konzept von Ombú ist nämlich, dass bei der Sanierung auf eine hohe Reduktion des eingebetteten Kohlenstoffs Rücksicht genommen wurde. Im Englischen lauten die Fachbegriffe dazu „Embodied Carbon“ oder „Embodied Emissions“. Grob gesagt werden damit die CO2-Bilanz von Materialien beschrieben, also „alle Emissionen, die bei der Herstellung, dem Transport, dem Bau, der Wartung und der Entsorgung von Baumaterialien entstehen“, wie in dieser deutschen Analyse nachzulesen ist.

Bei Ombú wurde jedenfalls der eingebettete Kohlenstoff um 25 Prozent im Vergleich zu einem Neubau über die gesamte Lebensdauer des Projekts reduziert – wobei auch bereits künftige Renovierungsarbeiten berücksichtigt werden. Der Energieverbrauch im Betrieb wiederum liegt um 35 Prozent unter den „regulären“ Erwartungen.

Geschichte erhalten

Das ursprünglich 1905 von dem Architekten Luis de Landecho errichtete Gaswerk der inzwischen aufgelösten Sociedad de Gasificación Industrial diente einst der Energieversorgung der umliegenden Gebiete. Später wurde es nicht mehr genutzt, bis das spanische Energieunternehmen ACCIONA es 2017 erwarb.

Ombú

Durch Ombú wurde im lebhaften Stadtteil Arganzuela nun nicht nur ein Arbeitsplatz für ACCIONA geschaffen, sondern auch ein historisches Backsteingebäude vor dem Abriss gerettet – ein Schicksal, das etliche andere ähnliche Gebäude in der Gegend in den vergangenen Jahren ereilt hatte. 

Neuer Grünraum inklusive

Mit über 10.000 Quadratmetern neuer Bürofläche vereint das Projekt eine einzigartige Mischung aus privatem und öffentlichem Grund mit einer Grünanlage, die sich bis zum angrenzenden Bahnhof Méndez Álvaro erstreckt. Dieser direkte Zugang zum Bahn- und Busnetz soll die Mitarbeiter dazu ermutigen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen.

Der neue Entwurf bewahrt und verbessert die ursprüngliche Mauerwerksstruktur, während andere Aspekte des Gebäudes aufgewertet werden und seine Lebensdauer durch die Einführung neuer flexibler Arbeitsbereiche verlängert wird, sodass es ein nachhaltiges Vermächtnis für die kommenden Jahre darstellt.

Taba Rasti, Senior Partner und Co-Leiterin des Madrider Büros von Foster + Partners

Die historische Gebäudehülle wurde bei der Renovierung beibehalten, wodurch mehr als 10.000 Tonnen Originalziegel wiederverwertet wurden. „Der neue Entwurf bewahrt und verbessert die ursprüngliche Mauerwerksstruktur, während andere Aspekte des Gebäudes aufgewertet werden und seine Lebensdauer durch die Einführung neuer flexibler Arbeitsbereiche verlängert wird, sodass es ein nachhaltiges Vermächtnis für die kommenden Jahre darstellt“, erklärt Taba Rasti, Senior Partner und Co-Leiterin des Madrider Büros von Foster + Partners.

Regionales Holz, natürliches Licht

Besonders eindrucksvoll ist die in den Raum eingefügte Leichtbaukonstruktion. Sie besteht aus nachhaltig beschafftem Holz aus lokalen Wäldern und ermöglicht räumliche Flexibilität auf insgesamt drei Ebenen. Auch hier wiegt die nachhaltige Komponente schwer: Die Holzstruktur wird mehr als 1.600 Tonnen CO2 einsparen. Darüber hinaus ist sie recycel- und demontierbar.

Ombú

Ein zentrales Oberlicht lässt zudem natürliches Licht in den Innenraum fallen und reduziert den Bedarf an künstlicher Beleuchtung. Und die Verglasung verfügt über Photovoltaik-Technologien zur hauseigenen Stromerzeugung.

Ombú: Arbeiten im Freien

Für viel Grün ist bei dem Herzeige-Projekt ebenfalls gesorgt. Norman Foster, Gründer und Executive Chairman von Foster + Partners, dazu: „Ombú macht aus einer Industriebrache einen neuen Garten in der Stadt. Dank des günstigen Klimas in Madrid können die Arbeitsplätze sowohl draußen als auch drinnen sein, was einen flexiblen und wünschenswerten Lebensstil ermöglicht. Natürliche Materialien werden in das bestehende Gebäude eingebracht und tragen so zu biophilen Räumen bei, die dem Wohlbefinden und der Produktivität förderlich sind.“

Der Innenhof ist mit einem 12.400 Quadratmeter großen Park mit 350 Bäumen und 28.000 dürre-resistenten Pflanzen – allesamt einheimische Arten – verbunden. Das schafft neben Arbeitsbereiche im Freien auch Möglichkeiten für informelle Treffen unter einem grünen Blätterdach. Dieser zum Teil öffentliche Grünraum geht nahtlos in den umliegenden Stadtteil über und erzeugt eine positive soziale Wirkung.

Vom Wachstum zur Nachhaltigkeit

Luis de Landecho war zu seiner Zeit ein absoluter Pionier in der Architektur und hat auch andere Wahrzeichen wie zum Beispiel das Ritz-Hotel in Madrid gestaltet. Dass sein Gaswerk, das einst als Symbol für das wirtschaftliche Wachstum der Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand, nun ein Aushängeschild der Nachhaltigkeit wird, hat durchaus Charme, finden wir.

Text: Martin Obermayr
Fotos: Nigel Young

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