Schwarz ist das neue Schwarz
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Schwarz ist das neue Schwarz

Der koreanische Modedesigner Juun.J steht seit über zehn Jahren im internationalen Rampenlicht. Doch mit seinem neuen Flagshipstore scheint es, als wolle er dem grellen Licht der Laufstege entfliehen – er ist durch und durch schwarz.

Das Video kennen Sie sicher: Ein quietschverrückter Koreaner springt zwischen kreischfarbenen Menschen wie wild auf und ab. Dabei tanzt er mehr als verhaltenskreativ und wiederholt gefühlte achthundersiebzig Mal den Begriff „Gangnam Style“. Klar, wir reden von Psys Welthit, der die schnöselige Welt im südkoreanischen Nobelstadtteil Gangnam aufs Korn nimmt.

Schwarzer Geniestreich

Genau in diesem Viertel spielt jedenfalls nun wieder eine Geschichte, die zwar nicht ins Ohr, dafür ins Auge geht – und zwar im positiven Sinne. Denn die Geschichte von Juun.J und seinem nigelnagelneuen Flagshipstore zeichnet eine Welt, die alles andere als schrill und bunt ist. Vielmehr ist es dem gefeierten Designer gelungen, gemeinsam mit dem koreanischen Gestalter-Duo Sungchil Park und Jonghwan Baek die Modewelt und die der Architektur auf einen Nenner zu bringen, sie mit der Nichtfarbe Schwarz gar zu vereinen.

Tageslicht wird bloß wohl dosiert in die Räume gelassen ….

… meist erhellen jedoch Leuchtstoffröhren die Schauräume

Seit jeher wird Schwarz sowohl Architekten als auch Designern als „Standard-Farbe“ zugeschrieben. Eben diesem weltweit gültigen Klischee hat sich das Trio bei der Gestaltung des nun eröffneten Flagshipstores gekonnt bedient: Das zweigeschossige und 396 Quadratmeter große Objekt ist durch und durch in Schwarz gehalten.

Buchvorlage aus 1933

„Es ist die Farbe, die mein Label symbolisiert. Licht und Dunkelheit stehen in einer unausweichlichen Beziehung zueinander. Ich denke, dass Dunkelheit durch Licht existiert und Licht in den Grenzen einer weiteren, höheren Kategorie von Dunkelheit liegt“, erklärt der Modedesigner seinen durchaus philosophischen Ansatz, dem er freilich auch gleich einen Namen verpasst hat: „Dark Matter“ nennt er das Konzept seiner Boutique und spielt damit auf einen literarischen Klassiker an: das 1933 von Junichiro Tanizaki geschriebene Buch „Lob des Schattens“. Dieses gilt schließlich als Schlüsselwerk für fernöstliche Ästhetik.

Kanten und Schrägen …

… schmiegen sich an Kurven …

… Glasfronten …

… und geometrische Figuren

ZUR PERSON
Juun.J

Der südkoreanische Designer Jung Wook Jun, der seit 2007 unter dem Namen Juun.J Mode macht, beschreibt mit seinen Kleidern eine Welt, in der sich Geschlechterrollen auflösen.

Juun.J hat das Werk generell als Grundlage seines Konzepts hergenommen, woraus er auch gar kein Hehl macht: „Tanizaki beschreibt, wie der Bau eines traditionellen japanischen Wohnhauses von der Platzierung inmitten dunkler Schatten beeinflusst wird. Davon ausgehend habe ich das Konzept einer ‚einfachen geometrischen Form in der Dunkelheit‘ erfasst“, erklärt er vielmehr stolz.

Und so finden sich Inhalte des Buchs in dem architektonischen Modetempel wenig überraschend fast eins zu eins umgesetzt wieder: Das Zusammenspiel von Dreiecken, Rechtecken und Kreisen ist gegenwärtig, unterschiedliche Texturen und Strukturen generieren eine eigene Art von Räumlichkeit und Tiefe.

Kein einziges Schaufenster

Gerade für ein Modelabel besonders ungewöhnlich: Von außen betrachtet verrät kein einziges Schaufenster die eigentliche Bestimmung dieses Baus! Erst wenn man als Besucher durch zwei große schwarze Türen tritt, öffnet sich vor einem die eigentliche Boutique, die als würfelförmiges Gebilde auf zwei Etagen organisiert ist. Im Obergeschoss findet sich die aktuelle Herrenkollektion, im Erdgeschoss wird die Damenkollektion gezeigt. Nur hier wird das streng-monochrome Schwarz-Thema mit teils weißen Wänden, Böden und Decken aufgelockert.

Licht und Dunkelheit stehen in einer unausweichlichen Beziehung zueinander. Ich denke, dass Dunkelheit durch Licht existiert und Licht in den Grenzen einer weiteren, höheren Kategorie von Dunkelheit liegt.

Juun.J, Modedesigner

Psy-Style für Mutige

Echte Farben sucht man hier allerdings überall vergeblich. Und das wird auch so bleiben – schließlich beharrt Juun.J auf seinem ursprünglichen Grundsatz: „Die Boutique ist ein Ort, der inmitten der Dunkelheit einen Sinn für Farbe offenbart.“

Wer also einmal wirklich auffallen möchte, sollte hier im bunten Outfit antanzen. Vielleicht am besten gleich in einem aus Psys Gangnam Style-Video.

Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Yonjoon Choi

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