Schon lange hat die norwegische Kommune Fedje mit Einwohnerschwund zu kämpfen. Neues Leben soll der Inselgruppe mit dem von Saunders Architecture geplanten Fedje Hotel eingehaucht werden. Dabei begreifen die Architekten Zeit – und die Natur – als Luxusgut.

Fedje war die vergangenen Jahre ein wenig wie ein „lost place“ – ein vergessener Ort. Dabei ist Fedje von der Unesco-Welterbestadt Bergen, der als Hauptstadt oder Herz der Fjorde gerühmten zweitgrößten Stadt Norwegens, nicht weit weg; nur ein paar Stunden. Ein „Inselhotel“ von Saunders Architecture soll Touristen anlocken und die Inselgruppe beleben.

Abgelegenes Fedje Hotel in Norwegen: Teil eines Masterplans

Zzur Inselgemeinde gelangt man nur mit dem Boot. Die Fähren zum norwegischen Festland verkehren 20 Mal täglich und die Überfahrt dauert nur etwa eine halbe Stunde. Dennoch verzeichnet die Kommune in der norwegischen Provinz Vestland seit 1950 einen markanten Einwohnerschwund: Derzeit leben etwas mehr als 500 Menschen in beziehungsweise auf Fedje, nur mehr halb so viel wie damals. Die Kommune besteht aus der Hauptinsel Fedje und mehr als 100 kleineren unbewohnten Inseln und Holmen (Erhebungen).

Fedje von oben
Die Inselgemeinde Fedje von oben.

Früher waren Fischerei und Torfabbau die Hauptwirtschaftszweige. Als die Arbeitsplätze in der Fischerei und Fischverarbeitung verschwanden, verloren die Menschen ihre Lebensgrundlage. Die Jungen verließen Fedje und hinterließen eine alternde Bevölkerung. Doch nun weht ein frischer Wind über der Inselgruppe: Die Einwohner stürzen sich in ein neues Abenteuer.

Ein „Must“ auf jeder Bucket Liste

Das Projekt ist Teil eines umfassenderen Masterplans, den Saunders Architecture zusammen mit dem Eigentümer der örtlichen Whisky-Brennerei Feddie Ocean Distillery entwickelt. Er sieht auch die Schaffung zweier neuer Dörfer vor.

„Zeit ist ein Mantra“, sagt Architekt Todd Saunders. Gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung erfindet er Fedje neu. Und errichtet dort ein Hotel plus einen Park. Hätte der Auftrag nur darin bestanden, einfach ein Hotel zu bauen, hätte er ihn wohl nicht angenommen, heißt es. Doch in und mit der Brennerei entstand ein größeres Ganzes.

Auf eine Insel zu reisen, nur um Whisky zu verkosten und zu trinken, kann ja nicht alles sein. Deshalb lautet Saunders Ziel: Fedje muss es auf jede Bucket List schaffen – als Ort auf der Landkarte, wo es einen magisch hinzieht, wo man unbedingt essen gehen will.

Der Besuch soll Menschen, die „in der digitalen Welt ertrinken“, dabei helfen, das Analoge zurückzugewinnen. Auf Inseln scheint eine Art „Inselzeit“ zu herrschen – eine Zeit, die vom Meer und einer Langsamkeit reguliert werden. Und dem Menschen die so dringend benötigten Pausen und Freiräume verschafft.

Beschauliche Inselgemeinde
Beschauliche Inselgemeinde, die mit Abwanderung und Bevölkerungsschwund kämpft.

Hotel in Norwegen
Die Kommune will der Zeit, dem Vergessen und der Bedeutungslosigkeit trotzen.

Nordischer Luxus

Komme man auf solche Inseln, entdecke man ein anderes Zeit-Konzept wieder. Zudem hebt ein Hotel auf dem schönsten Grundstück der Insel die Landschaft hervor. „Es sollte wie ein Ausrufezeichen sein, das das Beste der Umgebung unterstreicht“, heißt es bei Saunders Architecture.

Der Entwurf des in Bergen ansässigen Architekturbüros möchte den nordischen Lebensstil in Szene rücken und den Besuchern ein unaufdringliches, aber luxuriöses Erlebnis vermitteln. Wobei: Was ist Luxus? Nach Saunders Verständnis gibt es eine nordische Version davon: Wenn von Architektur die Rede ist, gehören gute Handwerkskunst und eine einfache, unkomplizierte Palette von Materialien, Speisen und Erlebnissen dazu.

Gerade im hohen Norden findet sich eine Vielzahl an Hotels und Hütten an den abgelegensten Orten, wo die Natur die Hauptrolle spielt. Als Beispiele seien die Bolder Skylodges und das Svart Resort genannt.

Fedje Hotel in Norwegen
Das Hotel, das an der Westküste von Fedje gebaut wird, soll ein „ruhiges Refugium“ für Touristen sein, die auf das Inselleben neugierig sind.

Charakteristikum des Fedje Hotel: Turm und begehbares Dach
Die U-Form des Fedje Hotels ist von den traditionellen Bauernhofstrukturen und der umliegenden wilden nordischen Landschaft inspiriert.

Die Natur zelebrieren

Das Hotel wird an der Westküste der Insel liegen. Dieser Teil zeichnet sich durch seine Abgeschiedenheit aus. Dennoch ist er nur wenige Gehminuten vom Hauptort entfernt. Von hier haben die Gäste einen ungehinderten Blick auf den Atlantischen Ozean und die sich laufend wechselnde dramatische Wetterkulisse der Küste.

Beste Lagae auf der Insel
Insel-Bestlage mit West-Orientierung für traumhafte Sonnenuntergänge.

Hier soll sich die Natur zeigen wie sie ist, auch als raue Naturgewalt: Malerische Sonnenuntergänge, die ruhige, beschauliche Schönheit dieser nordischen Landschaft an sonnigen, windstillen Tagen aber auch die heftigen Stürme des Nordatlantiks.

Begehbares Dach

Was zuallererst beim Entwurf des Fedje Hotel ins Auge sticht, sind das begehbare Dach und der mit Schindeln verkleidete Turm. Von der Form her hat man sich bei Saunders Architecture für eine U-Form entschieden. Die drei Flügel schirmen den Innenhof ab. Diese Anordnung lehnt sich an die Gruppierungen traditioneller landwirtschaftlicher Gebäude in Norwegen an, bei denen die Außenbereiche windgeschützt sind.

eine Rampe führt zum begehbaren Dach
Eine Rampe führt zum begehbaren und für alle zugänglichen Dach.

Der zentrale Arm des U-förmigen Grundrisses wird über den Boden hinausragen und sich von den angrenzenden Flügeln abheben. So können die Besucher unter das Gebäude gehen und zu einem ebenerdigen Aussichtspunkt mit Blick auf das silbrige Meer gelangen.

Während sich einer der angrenzenden Seitenflügel nach oben erhebt, um den Turm zu bilden, neigt sich der gegenüberliegende Flügel nach unten, wodurch eine Rampe entsteht, über die man auf das Dach des Hotels kommt.

Hommage an „Allemannsretten“

Gemäß des sogenannten „Jedermannsrecht“ („Allemannsretten“), das Bestandteil der nordischen Kultur und im „Lov om friluftlivet” vom 28. Juni 1957 festgeschrieben ist, darf man unbebautes Gebiet, die Natur, als Aufenthaltsort frei nutzen – sofern es nicht anders festgehalten ist und natürlich mit der gebührenden Rücksichtnahme auf andere Menschen sowie die Tier- und Pflanzenwelt. Daher ist das Dach öffentlich zugänglich. So nehme man niemandem das Land weg, vor allem den Einheimischen nicht.

Fantastischer Ausblick auf das Meer
Die Besucher können auch unter das Gebäude durchgehen und von dort aus den fantastischen Ausblick auf den Atlantik genießen.

Große Felsen auf dem Dach dienen als natürliche Sitzgelegenheiten. Daneben wird es Platz für den Anbau lokaler Kräuter geben, derer sich die Köche des Hotels bedienen werden.

Die Verkleidung aus Kiefernholzschindeln aus lokaler Produktion und recyceltem Schiefer spiegelt die regionalen Architekturgepflogenheiten wider. Die Schindeln bleiben unbehandelt – so werden sie im Laufe der Zeit einen silbergrauen Farbton annehmen. Die Schieferplatten werden an den witterungsexponierteren Nord- und Ostseiten des Gebäudes angebracht.

Zum Meer hin ausgerichtete Betten

Das Fedje Hotel soll bis zu 75 Zimmer umfassen. Geplant ist, dass die Betten in jedem Zimmer zum Meer hin ausgerichtet sind. In den oberen Etagen des Turms sind die öffentlichen Bereiche – Bar, Spa und Restaurant – vorgesehen.

das Fedje Hotel in Norwegen
75 Zimmer sind geplant.

Todd Saunders ist ein in Norwegen ansässiger kanadischer Architekt. Sein Büro in Bergen hat er 1998 gegründet. Saunders Architecture ist dafür bekannt, die zeitgenössischen Bauten mit künstlerischer Sensibilität auszustatten – im Einklang mit der Einzigartigkeit der nördlichen Landschaften.

Gleichzeitig gelingt es Saunders aber, etwas gänzlich Neues zu erschaffen. Die Projekte sind geprägt von der Verwendung natürlicher Materialien und von einfachen, aber markanten Geometrien.

Stelzen zur besseren Veranschaulichung

Weiteres Charakteristikum vieler Saunders-Projekte ist, dass sie teilweise aufgeständert sind, um die Beziehung zwischen Landschaft und gebauter Form zu betonen und zu intensivieren.

Fogo Island Inn von Saunders Architecture
Viele der Objekte von Todd Saunders sind aufgeständert, etwa das nicht minder aufsehenerregende Fogo Island Inn bei Neufundland.

So gehört zu seinen bekanntesten Projekten das Fogo Island Inn vor der Küste von Neufundland. Das 29-Zimmer Luxushotel steht an einem Ende auf Stelzen, um die mit Flechten bedeckte Landschaft intakt zu belassen und den Besuchern einen besseren Blick auf die Atlantikküste zu ermöglichen.

Buchneuerscheinung: „New Northern Houses“

Das Portfolio von Saunders Architecture umfasst Wohn- und Kulturprojekte, Nationalparks und „off grid“ Mikrohäuser, die sich in abgelegene Orte einfügen und die Umwelt wenig bis gar nicht beeinträchtigen.

Das Studio hat zahlreiche Preise und und weltweit Auszeichnungen erhalten. Saunders Ansatz ist auch das Thema in zwei Büchern. Im kürzlich erschienenen „Todd Saunders: New Northern Houses“ (Verlag Thames & Hudson) werden elf Bewohner in Kanada und Skandinavien porträtiert.

Philanthropische Architektur

Stets arbeitet Saunders mit örtlichen Handwerkern und Zimmerleuten zusammen, um traditionelle Materialien und Techniken einfließen zu lassen. Der Gastprofessor an der Cornell University in Ithaca, New York, wurde im Jahr 2020 in die Royal Canadian Academy of Arts aufgenommen.

In den letzten Jahren hat sich Saunders gezielter auf „philanthropische Architektur“ konzentriert. Er versteht darunter eine Architektur, die der Gemeinschaft in kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht „etwas zurückgeben“ soll. Das Illusuak Cultural Centre in Labrador, Kanada, ist ein solches Beispiel. Es wurde von und für das selbstverwaltete Volk von Nunatsiavut, den Labrador Inuit, gebaut.

Text: Linda Benkö
Fotos: Saunders Arhitecture, MIR Visuals, Iwan Baan

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