Dass ein Wiener Wirtshaus auch ein herzhaftes Make-over verträgt, haben die Architekten von Franz und Sue bewiesen. Ihr preisgekröntes Interior-Konzept für den geschichtsträchtigen Gmoakeller verbannt jeglichen Kellerromantik-Kitsch.

Die geröstete Kalbsleber, die Tafelspitzsulz und das Rindsgulyas stehen heute noch auf der Speisekarte. Ganz so wie damals, als Grete Nowak hier den Laden schmiss. Die legendäre Wirtin war bekannt für ihre „Gesichtskontrollen“ beim Einlass. Entsprach ein Gast nicht ihren Vorstellungen, wurde er rasch hinauskomplimentiert. Genauso ein Unikat wie die mittlerweile verstorbene Wirtin ist ihr gastronomisches Erbe, der Gmoakeller.

Vorhang, Gmoakeller, Franz und Sue, Wien, Hertha Hurnaus
Die Architekten von Franz und Sue haben den Keller des Gmoakellers in eine monochrome Szenerie verwandelt.

Die Altwiener Beislkultur hat in dem Wirtshaus am Heumarkt 25 die kulinarische Modernisierung der letzten Jahrzehnte unbeschadet überstanden. Auch als Sebastian Laskovsky das Lokal 2000 übernahm, hat sich nicht viel daran geändert. Das Interieur blieb über die Jahrzehnte beinah unberührt. Nur dem Keller des Gmoakellers haben die Wiener Architekten von Franz und Sue ein Make-over verpasst. Statt der alten Kegelbahn richteten sie einen weiteren Speisesaal ein. Kein leichtes Unterfangen an einem geschichtsträchtigen Ort wie diesem.

Eine Wiener Institution

Errichtet wurde das Haus samt Gaststätte im Jahr 1858 von Baumeister Anton Ölzelt. Damit zählt der Gmoakeller zu den ältesten Wiener Wirtshäusern und ist so etwas wie eine Institution. Hier wird nicht nur kulinarisches Kulturgut über Generationen bewahrt, sondern auch ein Flair konserviert, das auf seine über 160-jährige Geschichte verweist. Es ist ein bisschen, als wäre die Zeit hier in der alten Gaststube stehengeblieben.

Vorhang, Gmoakeller, Franz und Sue, Hertha Hurnaus
Durch einen Vorhang lässt sich der Speisesaal je nach Bedarf räumlich gliedern.

Wir haben jeglichen Kellerromantik-Kitsch verbannt, das Ziegelgewölbe weiß getüncht, die Lüftungsrohre verschwinden lassen.

Franz und Sue, Architekturbüro

Der Fischgrätparkett, die weiß gedeckten Tische und Holzstühle zählen zur typischen Beislausstattung. Nicht zu vergessen die traditionelle Lamperie. Darunter versteht man eine Holzvertäfelung, die aus Gründen der Wärme- und Feuchtigkeitsisolierung an den Wänden angebracht wurde. Einzig die Küche, die Schank und den Windfang der Gaststube im Erdgeschoss haben die Architekten sanft renoviert.

Keller ohne Romantik-Kitsch

So unberührt und fast schon museal die Einrichtung oben ist, so radikal verfuhren die Architekten mit dem Kellerstüberl darunter. „Wir haben jeglichen Kellerromantik-Kitsch verbannt, das Ziegelgewölbe weiß getüncht, die Lüftungsrohre verschwinden lassen“, heißt es in der Projektbeschreibung von Franz und Sue. 

Durch das dunkle Beizen von Holzboden und Lamperie schafften sie eine monochrome Szenerie, die dem Keller eine elegante Leichtigkeit verleiht. Die indirekte Beleuchtung setzt das Gewölbe gebührend in Szene, und Teleskopleuchten über den Tischen bringen Wärme in das Schwarzweiß der asketischen Interior-Kulisse.

Tische, Gmoakeller, Franz und Sue, Hertha Hurnaus

Am Anfang war der Tisch

Bei der Modernisierung des Kellers haben die Architekten auf Designer-Mobiliar verzichtet. Das Ergebnis ist eine klassische, funktionale Schlichtheit, an der man sich nicht so schnell sattsehen kann. „Wir mögen Orte, die wie gute Weine nicht vordergründig, sondern auch beim dritten Mal noch interessant ‚schmecken‘“, so die Architekten über ihr Konzept.

Gutes Restaurantdesign geht vom Tisch aus: kompakt wie in der italienischen Trattoria oder üppig wie beim amerikanischen Bankett.

Franz und Sue, Architekturbüro

Hauptprotagonisten sind auch hier die weiß gedeckten Tische und damit auch die Altwiener Gerichte, die darauf serviert werden. „Gutes Restaurantdesign geht vom Tisch aus: kompakt wie in der italienischen Trattoria oder üppig wie beim amerikanischen Bankett“, postulieren sie.

Ein Vorhang für das Separee

Etwas Farbe und Muster in dem monochromen Setting bringt ein Vorhang, der aus der Heimtextil-Kollektion von Kenzo stammt. Die stilisierten Blumen auf weinrotem Hintergrund sind der einzige Hingucker. Doch auch hier steht die Funktionalität im Vordergrund, denn der Vorhang ist mehr als bloß Dekor. Er schafft Variabilität im räumlichen Gefüge.

Schank, Gmoakeller, Franz und Sue, Hertha Hurnaus

„Mit einem Vorhang können die Wirtsleute den Saal in Nischen gliedern, etwa für große unangemeldete Gruppen oder das romantische Abendessen eines frisch verliebten Paares.“ 

Das Architekturbüro Franz und Sue, das zuletzt Tirol eine neue Schatzkiste vor das Alpenpanorama setzte, erhielt für das Interior-Konzept des Gmoakellers den renommierten AIT Award.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Hertha Hurnaus

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