Im neu eröffneten Holiday Inn Gdańsk – City Centre ist alles im „Flow“. Katja Kammerer, Head of Interior der UBM Development AG, über die Metamorphose eines Hotels – von der ersten Idee über die Planung bis zum Wohlfühlort.

Das Holiday Inn Gdańsk – City Centre wurde von der UBM Development AG entwickelt. Wie entsteht der Look eines Hotels?

Katja Kammerer: Ich habe das Projekt gemeinsam mit einer Kollegin, Anna Wallmann, betreut. Sie hat das Projekt dann federführend übernommen. Unsere Aufgabe war es, das Storytelling zu entwickeln und dann die passenden Interiordesigner zu finden. Im konkreten Fall haben wir das mit unseren UBM-Kollegen in Prag gemacht. Dann haben wir ein Musterzimmer geplant, dieses  weiterentwickelt, die Firmen ausgesucht, beauftragt und bestellt. 

Ist in der Storytelling-Phase schon der Begriff „Flow“ gefallen?

Das Thema Wasser ist vor Ort allgegenwärtig. Wir haben dem von uns beauftragten Unternehmen mitgegeben, dass wir kein Hotel mit Anker und blau-weißen Streifen wollen. Das Wasser muss als Thema aufgenommen werden, aber subtil. So ist dann im zweiten Anlauf das Thema „Flow“ entstanden. Damit meinen wir zum einen den Fluss des Wassers, andererseits aber auch den Flow, in dem wir Menschen uns befinden können. Der Flow von kalt zu warm und von Leisure zu Business – das waren unsere Assoziationen.

Und wie sieht das Ergebnis nun konkret aus?

Wir wollten den Flow in den Zimmern und den öffentlichen Bereichen spürbar machen und haben das gemeinsam mit dem Designteam vom Studio Aisslinger in Berlin umgesetzt. Man steht in der Lobby, schaut raus und sieht das Wasser. Man steht in den Konferenzräumen, schaut raus – und sieht das Wasser. Die Lobby ist eine Open Lobby. Das ist ein Konzept des Betreibers, der InterContinental Hotels Group. Das heißt, alle Bereiche gehen ineinander über.

Lobby im Holiday Inn Gdańsk - City Centre
An der Lobby dominieren eher kühle Farben.
Lobby im Holiday Inn Gdańsk - City Centre
Die Rottöne an der Bar erinnern an die Backsteinbauten der näheren Umgebung.

Man kommt in das Hotel hinein, steht an der Rezeption, sieht aber schon die Coffee Station, die Bar, die Lounge und das Restaurant. Bei den Farben haben wir einen Flow von warm zu kalt. An der Rezeption haben wir eher kühle Farben und aquarellanmutende Formen. Das zieht sich dann weiter in die Lounge mit sehr warmen Farben. Die Bar ist dann in Rottönen gehalten, die die Farbe der Backsteinbauten aufgreifen, die es hier auf der Insel überall gibt.

Katja Kammerer, Head of Interior der UBM Development AG
Katja Kammerer, Head of Interior der UBM Development AG: „Wir wollten den Flow in den Zimmern und den öffentlichen Bereichen spürbar machen.“

Wovon lassen Sie sich inspirieren?

Man lässt sich bei solchen Projekten immer von etwas inspirieren, das lokal ist. Hier war es das Wasser, bei einem anderen Projekt war es ein Park. Man sucht einen lokalen Ankerpunkt, denn man muss vor Ort verstehen, warum das Hotel genau dort so aussehen soll.

Gibt es eine definierte Zielgruppe?

Grundsätzlich sind die Zielgruppe in erster Linie Businessreisende, aber nicht ausschließlich männliche. Wir wollen keine männlichen Hotels bauen. Das Holiday Inn in Gdańsk wird unter der Woche Businessgäste anziehen und am Wochenende ganz sicher viele Familien. Man fühlt sich als Freizeitgast hier nämlich ebenfalls sehr wohl.

Verraten Sie etwas mehr über das Design der Zimmer. Wie macht man kalte Farben warm?

Indem man Farben kombiniert. Dazu kommen warme Materialien und Texturen, weiche Teppiche beispielweise, viele Stoffe und ein Headboard etwa, das mit warmen Farben bezogen ist.

Zimmer im Holiday Inn Gdansk City Centre
Kalte Farben werden warm, indem man sie kombiniert.

Zimmer im Holiday Inn Gdansk City Centre
Dazu kommen warme Materialen und Texturen.

Die Ausnahmedesignerin India Mahdavi sagt „Niemals nur zwei Farben verwenden“. Stimmen Sie dem zu?

Ich glaube, es braucht viele Farben, um möglichst viele Leute anzusprechen. Der eine mag kein Blau, wenn er aber etwas Rotes im Zimmer hat, fühlt er sich gleich viel wohler. Es gibt Hotelmarken, die überhaupt keine Farben in den Zimmern haben wollen. Das Zimmer soll so neutral wie möglich sein, damit sich jeder Gast darin wohl fühlt. Ich bin aber der Meinung, dass sich dann keiner wohl fühlt. Dann ist es nur ein nichtssagendes Zimmer. 

Wer auf zu viel Farbenspiel setzt, riskiert es, dass sich Farben miteinander streiten.

Wenn Farben gemischt werden, würde ich nicht von Streit sprechen. Dafür sind ja die Musterzimmer da, dass ausprobiert werden kann und Stoffe zusammengelegt werden können. Und dann muss man entscheiden: Okay, das fühlt sich gut an. Oder eben nicht.

Zimmer im Holiday Inn Gdansk City Centre

Zimmer im Holiday Inn Gdansk City Centre

Bedient man sich dabei allgemein gültiger Regeln? Grafikdesigner Stefan Sagmeister meint, empirisch ermittelt sei die schönste Farbe blau und die schönste Form der Kreis.

Nein. Ich weiß auch nicht, ob das stimmt. Es kommt immer auf den Raum an und was darin stimmig wirkt.

Wir wollen keine männlichen Hotels bauen. Das Holiday Inn Gdańsk – City Centre wird unter der Woche Businessgäste anziehen und am Wochenende ganz sicher viele Familien.

Katja Kammerer, Head of Interior der UBM Development AG

Wie schaut Ihr Wohnzimmer aus?

Bei mir gibt es wie im Holiday Inn Gdańsk – City Centre auch eine blaue Couch. Viel Holz. Viel blau und grün. Und es ist viel selbstgebaut. Ich habe ja eine Tischlerausbildung und alles selbst zusammengezimmert.

Und Sie haben noch alle Finger!

Da bin ich nicht die einzige Tischlerin. Aber ja, es gibt schon ein paar Tischler, die welche verloren haben.

Was nervt Sie in einem Hotelzimmer?

Ich finde, dass oft nichts fehlt, sondern viel zu viel in den Zimmern ist. Es nervt, wenn alles dunkel und zugebaut ist und kein offener Raum übrigbleibt. Wenn man in ein Zimmer reinkommt und man fühlt sich wie in einem Loch und denkt, es sei mitten in der Nacht.

Less is more?

Genau. Weil man oft einfach nicht mehr braucht.

Und was beeindruckt Sie?

Wenn das jemand gut umsetzt.  Wenn man in ein Zimmer kommt und weiß, da ist genau so viel drin wie ich brauche und nicht mehr. Und sich das Zimmer nicht kahl oder lieblos anfühlt. Diese Balance ist aber schwierig zu generieren.

Haben Sie einen Tipp für Menschen, die ihr Wohnzimmer renovieren? Wie macht man’s gemütlich?

Man sollte keine Angst haben, zu mixen, Materialien, aber auch Holzarten und Farben. Ein Zimmer wird wohnlicher, wenn alles ein bisschen zusammengewürfelt ist. Alles, was zu sehr aufeinander abgestimmt ist, wirkt oft inszeniert. Ich habe bei mir Zuhause drei verschiedene Holzarten: eine Ahornkommode, ein Eichenbett und Kiefermöbel. Da würden sich andere wahrscheinlich denken: Um Gottes Willen, wie kann man nur? Aber ich finde, Stilbrüche machen es wohnlicher.

Ein guter Raum braucht Fehler und Brüche, sonst ist er nur ein Showroom?

Ja, das würde ich unterschreiben. Genau so ist es. 

Das heißt mischen, aber nicht überladen?

Exakt. Man muss nicht jedes Eck vollstellen, nur weil da noch Platz wäre. 

Wie kann man einen Raum qualitativ hochwertig gestalten?

Natürlich mit hochwertigen Materialien und einer guten Beleuchtung. Wenn eine gute Lichtstimmung herrscht, macht das ganz viel aus. Allein damit kann man viel steuern. Die Shades, die wir im Holiday Inn Gdańsk – City Centre verwenden, sind halbtransparent. Das bricht das Licht und erzeugt eine angenehme Stimmung.

Holiday Inn Gdańsk - City Center
Holiday Inn Gdańsk – City Centre: Das Thema Wasser ist vor Ort allgegenwärtig. Daraus entstand das Thema „Flow“.

Lohnt sich der ganze Aufwand? Ist nicht das Design immer der Lage und dem Zimmerpreis unterworfen?

Wenn ich von mir ausgehe, ist es andersrum. Ich schau eigentlich als allerletztes, wo das Hotel liegt. Natürlich habe ich einen Preisrahmen, aber wenn ich Hotels suche, schau ich nur Bilder an. Ich glaub schon, dass das viele so machen, denn man will sich in einem Hotel ja wohl fühlen.

Businessleute werden oft nicht wissen, wo sie absteigen, denn das Hotel hat die Assistentin oder der Assistent gebucht. Dann gibt es Leute, die immer dieselbe Kette buchen, weil sie genau wissen, das schaut auf der ganzen Welt immer gleich aus. Wer etwas Spezielles will, klickt sich schon durch und schaut, ob das Hotel das Design und die Ausstattung hat, die man möchte. 

Wann sind Sie persönlich eigentlich im Flow?

Wenn man von einem Projekt zum nächsten Projekt fließt, ohne dass man gestoppt wird oder etwas schief geht. Wenn alles gut geht und alles nach Plan läuft und wir das Hotel löffelfertig übergeben. Das ist Flow.

Löffelfertig?

Das heißt, dass bis zum letzten Teller und Löffel alles von uns ausgesucht ist. Die Liebe steckt ja im Detail.

Interview: Mira Strassberg; Bilder: Piotr Krajewski, Daniela Klemencic

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