Das MIGIUI ist ein ganz besonderes Café. Das Büro Architect-K hat inmitten eines kleinen Dorfs im südkoreanischen Landkreis Ulju-gun eine Ruhezone geschaffen, die die Natur zurück zum Menschen bringt.

Versteckt zwischen den Bergen der Yeongnam-Alpen im Südosten von Südkorea liegt ein kleines Dorf, direkt am Fuß des Berges Goun. Hier, zwischen rauer Natur und uralter Tradition, errichtete Architect-K, ein Studio mit Büros in Busan und Seoul, ein Café namens MIGIUI, das all dies zelebriert und damit ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt: die Besucher zurückzuführen – zum Ursprung, zur Natur.

Nachdem die Landschaft in der Region unter menschlichen Eingriffen und Verschmutzung gelitten hatte, wurde die Wiederherstellung der unberührten Natur zum Kern des Projekts. „Anstatt der verwundeten Landschaft eine Form aufzuzwingen, versuchten wir zuzuhören“, erklären die Architekten. Das Dorf Ulju-gun liegt am westlichen Rand der Küstenstadt Ulsan, einer der acht größten Städte Südkoreas. Direkt angrenzend befindet sich das bekanntere Busan, das gleich nach der Hauptstadt Seoul als Favorit westlicher Besucher gilt.

Zwischen Tradition und Veränderung

Das Grundstück, um das es hier geht, liegt in einer Siedlungsstruktur, die vom koreanischen Wohnhaustypus Hanok geprägt ist. Hanoks bestehen traditionellerweise aus Holz, Lehm, Stein und Papier – Materialien, die eine besonders umweltfreundliche Bauweise ermöglichen. Charakteristisch sind ihre geschwungenen Dächer und die dunklen Keramikziegeln, die bis heute koreanische Kultur und Geschichte symbolisieren.

Das umgebende Grünland wurde zunächst durch strenge Bauauflagen geschützt und blieb jahrelang unberührt. Der Schutz der Hanoks in Ulju-gun wurde jedoch während des Baus eines benachbarten Dorfes aufgehoben – und die bis dahin unberührte Landschaft verbaut.

Dieses Café wird eins mit der Natur.

Das MIGIUI setzt sich perfekt in die Landschaft ein.
Selbst ganze Bäume werden beim Projekt beachtet und geschickt integriert.

Dieser Herausforderung begegneten die Architekten mit besonderer Sorgfalt. Anstatt dem Grundstück erneut etwas aufzuzwingen, entschieden sie sich, das Projekt rund um den Standort zu entwickeln. So konnte MIGIUI nahtlos in die Natur und das Dorf eingebettet werden. Alles mit dem Ziel: „Einen Ort zu schaffen, an dem menschliches Leben und Natur wieder koexistieren und interagieren können“, begründen die Architekten.

Grenzenloses Gestalten

Auch die Form des Cafés folgt diesem Gedanken. Es schlängelt sich durch die Landschaft und erinnert in seiner Dynamik an einen Wassertropfen, der auf die Erde trifft. Anstelle von Mauern wurde eine gebogene 28 Millimeter dicke Fensterfront eingesetzt. Sie lässt nicht nur Tageslicht ins Innere, sondern öffnet die Räume zur Natur hin. Zahlreiche Sitzmöglichkeiten laden dazu ein, das Geschehen von innen zu beobachten.

Das Café von oben.
Das MIGIUI fügt sich nahtlos in die Landschaft ein.

Lediglich weiße Säulen unterbrechen die Glasfront und vermitteln ein Gefühl von Stabilität. Selbst auf dem Dach verschmilzt Architektur mit Natur: Dort befinden sich weitere Sitzplätze, Kiesflächen und heimische Pflanzen, damit Gebäude und Landschaft rundum eins werden können.

Ort der Wiederentdeckung

Die Planungen waren zunächst von Hürden geprägt. Zuerst musste das Grundstück für den Bau entsprechend vorbereitet werden, um diesen überhaupt zu ermöglichen. Um den nahegelegenen Stausee mit dem Gelände zu verbinden, wurde ein Teil des Bodens abgesenkt. Für den Zugang zur östlichen Straße entstand so wiederum ein kleiner Hang. Zudem pflanzten die Architekten heimische Bäume und typische Gewächse, die an den ursprünglichen Wald erinnern, der hier einmal war. Ein 80 Meter langer Weg verbindet heute das Ufer mit dem Café – mit zahlreichen Ruheplätzen zum Verweilen.

Die Innenarchitektur ist schlich und zurückhaltend.
Die Inneneinrichtung ist im Einklang mit der Natur zurückhaltend und schlicht.

Ruheplätze im Café laden zum Verweilen ein.
Zahlreiche Ruheplätze, drinnen und auch draußen, laden zum Verweilen ein.

MIGIUI, was auf Koreanisch „unbekannt“ bedeutet, soll ein Erlebnis für alle Sinne werden. Die drei großen Innenhöfe sind dank der großen Glasfront miteinander verbunden und erzeugen zusätzliche Transparenz. Auch die Inneneinrichtung greift diesen Leitgedanken auf: Stein und Holz schaffen eine schlichte, zurückhaltende Atmosphäre, die Raum für das Herzstück des Projekts lässt – den Garten.

Die Dualität von Architektur und Natur durchzieht das gesamte Konzept. MIGIUI ist deshalb für die Architekten mehr als nur ein Café: „Es lädt die Besucher zu einer stillen Reise der Wiederentdeckung ein – nicht nur des Landes, sondern auch ihrer selbst.“

Text: Katarina Andraschko
Bilder: Yoon Joonhwan

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