Anstatt ein Haus mit Räumen, haben Tamada & Wakimoto Architects freistehende Räume gebaut, die von einem großen Dach überspannt sind. Das Roof House ist eine Neuinterpretation des traditionellen japanischen Hauses und feiert das Leben im Freien.

Die Ausbreitung des Buddhismus im siebten und achten Jahrhundert hatte einen großen Einfluss auf die traditionelle Siedlungsarchitektur Japans. Der enge Kontakt zum großen Nachbarn China führte dazu, dass stilistische Elemente verstärkt übernommen wurden, während der Buddhismus das allgemeine Konzept von Ästhetik und die Formgebung maßgeblich prägte. Dazu zählt unter anderem die enge Verknüpfung von Innen- und Außenraum, die beim traditionellen japanischen Wohnhaus stets anzutreffen ist.

Roof House, Tamada & Wakimoto Architects, Japan
Gewerbehof meets Finca: Das Roof House vereint Wellblech-Ästhetik und mediterranes Lebensgefühl.

Durch Schiebetüren öffnet sich der Blick in den Innenhof samt kleinem Garten. Dieser Garten ist so gestaltet, dass er von allen Blickwinkeln ein harmonisches Bild abgibt. Diese stete Verbindung zur Natur, wie sie auch durch das neue Konzept der Biophilie angestrebt wird, ist in der japanischen Architektur tief verankert.

Dem traditionellen Wohnhaus in Stadt und Land, vereint unter dem Begriff Minka, haben Makoto Tamada und Natsuko Wakimoto von Tamada & Wakimoto Architects ein zeitgemäßes Update verpasst. Ein junger Bauherr, den es von der Stadt an den nördlichen Rand der Kanto-Ebene verschlagen hat, beauftragte sie mit dem Bau eines Hauses zum Wohnen und Arbeiten. 

Wohnen inmitten der Landschaft

Anders als beim Bauernhaus, das einst auf dem 2.000 Quadratmeter großen Grundstück stand, wollte er das üppig bewachsene Land in das Wohnen miteinbeziehen.

Roof House, Tamada & Wakimoto Architects, Japan
Die einzelnen Bereiche des Wohn- und Arbeitshauses sind in unterschiedlichen Baukörpern untergebracht.

Eine weitere Anforderung bestand darin, dass sich die Wohn- und Arbeitsbereiche von einander trennen lassen. Für den Fall, dass er irgendwann wieder wegziehen sollte, kann er den Wohnbereich weiterhin als Ferienhaus nutzen, während sich der Arbeitsbereich umnutzen und weitervermieten lässt. 

Roof House, Tamada & Wakimoto Architects, Japan
Ein Oberlicht schafft eine Sichtachse zwischen Wohnraum und Dachterrasse.

Roof House, Tamada & Wakimoto Architects, Japan
Auf der Galerie des Badezimmers befindet sich der Schlafbereich des Hauses.

Als Lösung für die vielfältigen Ansprüche des Bauherren entwickelte das Architekten-Duo das Roof House. „Wir haben das Haus in unterschiedliche Volumen unterteilt und so angeordnet, dass sich eine kleine Gartenfläche zwischen ihnen ergibt. Das Ganze haben wir dann mit einem dünnen Dach überspannt“, beschreiben die beiden Architekten ihren ausgeklügelten Entwurf.

Das Leben beschränkt sich nicht auf den Innenbereich, sondern erstreckt sich in den Garten und darüber hinaus.

Tamada & Wakimoto Architects

Auf diese Weise ergibt sich über dem länglichen Wohntrakt eine geschützte Dachterrasse. Da der mittlere Teil des Wellblech-Daches transparent ist, scheint die Sonne in diesen Außenbereich, und die Bewohner können von hier aus den Himmel sehen.

Gewerbehof meets Finca

Verbunden mit dem Wohntrakt ist ein Bade- und Schlaftrakt, der auch direkt vom Garten aus zugänglich ist. Der Kubus, der als Arbeitsbereich gedacht ist, befindet sich am Rand der überdachten Fläche, etwas abseits vom Wohnbereich. 

Roof House, Tamada & Wakimoto Architects, Japan
Das Roof House wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Good Design Award 2024 und dem JIA Young Architect Award 2024.

Alle Baukörper sind in hybrider Holzbauweise errichtet, wobei die Oberflächen des Konstruktionsholzes durchwegs sichtbar sind und für eine warme Atmosphäre in den Innenräumen sorgen.

Auch wenn das Wellblech-Dach eher an einen Gewerbehof als an ein Wohnhaus denken lässt, so verleiht ihm die Umsetzung mit dem schlanken Stahlgerüst eine gewisse Eleganz. Die entspannte Wohnatmosphäre, die sich darunter entfaltet, erinnert dabei an das mediterrane Lebensgefühl einer spanischen Finca.

Roof House, Tamada & Wakimoto Architects, Japan
Alle Baukörper sind direkt vom Garten aus zugänglich.

Das schlanke Dach ist außerdem eine ressourcenschonende Lösung. Dadurch, dass das Dach in diesem Fall keine raumabschließende Funktion hat, entfällt die Dämmung. Gleichzeitig müssen die orthogonalen Baukörper darunter nicht in dem Ausmaß gegen Witterungseinflüsse geschützt werden wie herkömmliche Häuser.

Die Gleichzeitigkeit von Drinnen und Draußen

So wie beim traditionellen japanischen Haus steht dreht sich auch beim Roof House alles um den halb geöffneten Gartenbereich. Wenn die Temperaturen es erlauben, dann spielt sich das Leben draußen ab.

In der Outdoor-Küche und dem dazugehörigen Essbereich mit Blick auf die Kirschbäume und den angrenzenden Wald. 

Roof House, Tamada & Wakimoto Architects, Japan
Im Roof House spielt sich das Leben im Freien ab.

Während ein herkömmliches Einfamilienhaus stets die Entscheidung zwischen Drinnen oder Draußen aufwirft, ermöglich das Roof House die Gleichzeitigkeit von beidem.

„Das Leben beschränkt sich nicht auf den Innenbereich, sondern erstreckt sich in den Garten und darüber hinaus“, so die Architekten. „Wir hoffen, dass der durch das große Dach entstehende Garten zu einem einzigartigen Ort wird.“

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Kenta Hasegawa, Tamada & Wakimoto Architects

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