Gemeinsam mit der Designagentur Aruliden hat das Architekturbüro Leckie Studios kleine Hütten entwickelt, die ihre Bewohner tatsächlich suchen müssen. Name des Projekts: Arcana. Was so viel wie „Geheimnisse“ bedeutet.

Es ist offensichtlich: Die Welt der Architektur und der Hotellerie reagiert ganz gezielt auf die durch die Pandemie endgültig an die Oberfläche gespülten Bedürfnisse. Menschen suchen nicht mehr so sehr nach künstlichem Entertainment. Sie haltet vielmehr Ausschau nach Rückzug und nach Einklang mit der Natur.

Neuer Trend: Cabin Porn!

Projekte wie YEZO Retreat in Japan oder Movikheien Cabins in Norwegen schießen aktuell wie die Schwammerl aus dem Boden. Sie befeuern eine Entwicklung, die passend unter dem Begriff „Cabin Porn“ auf der ganzen Welt Niederschlag findet. „Nach Food Porn, Ruin Porn, Shoe Porn und Earth Porn der nächste jugendfreie Hashtag für den digitalen Voyeur“, wie es ubm magazin.-Autorin Gertraud Gerst treffend beschreibt.

arcana

Diese Vision können auch Trendforscher wie etwa Anja Kirig vom renommierten Zukunftsinstitut aus wissenschaftlicher Sicht bestätigen. Sie spricht in ihren aktuellen Publikationen von einem „Resonanztourismus“, der an Fahrt gewinnt. Damit meint sie, dass Menschen lieber an Orten Urlaub machen werden, die auf einer tieferen Ebene einen nachhaltigen Effekt in einem selbst auslösen. Reisen, auf denen man also Authentizität erleben kann. Auf denen innere Reflexion möglich wird.

Arcana sorgt für extra viel Reflexion

Gerade dem Thema Reflexion haben sich die Architekten von Leckie Studio bei ihrem neuen Retreat-Projekt Arcana in offensichtlicher Form gewidmet. Gemeinsam mit dem Designstudio Aruliden entwickelten sie für ein kanadisches Tourismus-Unternehmen kleine Hütten, die so sehr verspiegelt sind, dass sie mit ihrer Umgebung verschmelzen. Weil diese fast zur Gänze reflektiert wird. Äußere Reflexion vor innerer, sozusagen.

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Dieser Effekt hat aus Sicht der Entwickler zwei Komponenten: Einerseits möchte man den zukünftigen Gästen auf diese Weise ein „umfassendes und besonders naturnahes Erlebnis im kanadischen Wald bieten“. Andererseits spielt man mit einem augenzwinkernden Anreiseeffekt: Die Gäste erfahren erst bei der finalen Buchung, in welchem Wald sie beheimatet werden. Nach dem kontaktlosen Check-in begeben sie sich dann auf eine Art Schnitzeljagd zur eigenen Hütte. Das Auffinden des Urlaubsziels wird schon zum ersten Resonanz-Erlebnis.

Mehr Komfort, als man glaubt

Das Heim selbst ist dann aber komfortabler, als man es sich in der Wildnis ausmalen würde. Das Innere der Hütten ist mit Kiefernholz ausgekleidet. Die Schlafzimmer-Seite der Hütte lässt über ein raumhohes Fenster so viel natürliches Licht wie möglich ein. Jedes Arcana-Heim wird zudem über fließendes Wasser und Strom verfügen. Allerdings planen die Designer bereits eine netzunabhängige Version für andere, besonders abgelegene Orte.

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Die nun baureife Version (Baustart Ende 2021) verfügt jedenfalls über „eine moderne Küche und eine speziell angefertigte Feuerstelle mit Grill auf der privaten Terrasse für das Kochen im Freien bei jedem Wetter. Auch ein privates Badezimmer mit Regendusche und einer sorgfältig zusammengestellten Auswahl an Annehmlichkeiten der hochwertigen Beauty-Marke Sangre de Fruta“, heißt es offiziell.

Die Gäste können zudem vor Ort gemeinschaftliche Einrichtungen wie Saunen und Dampfbäder nutzen. Waldbäder und spezielle Waldwander-Touren werden ebenso angeboten. Um eben möglichst aktive innere Resonanzmöglichkeiten zu eröffnen. 

Eigener Effekt, um Vögel zu schützen

Errichtet werden die Arcana-Hütten auf ausgesprochen einfache Art und Weise: Ein Holzrahmen sorgt für Stabilität, die Verkleidung aus poliertem Edelstahl für den Spiegel-Effekt. Dieser wird zudem bewusst leicht verzerrt sein. So soll verhindert werden, dass Vögel versehentlich in die Fassade fliegen. Die Planer dazu: „Als eine Marke, deren Wurzeln im Respekt vor der Kraft und Schönheit der Natur liegen, war es eine Priorität, unsere Strukturen so zu gestalten, dass sie keine Gefahr für Vögel und andere Lebewesen darstellen, die im Lebensraum von Arcana leben.“

Deshalb würde man zusätzlich auf allen reflektierenden Oberflächen eine Folie anbringen, „die für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar ist, es den Vögeln aber ermöglicht, die Hütte als ein Objekt in der Landschaft zu identifizieren.“

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Diese zweite Maßnahme wurde nachträglich integriert, da man wirklich sichergehen wollte. Und weil man Arcana nicht bloß als Projekt, sondern als „gesellschaftliche Bewegung“ etablieren will, die sich auch an weniger bewaldeten Gebieten ausbreiten soll, wo noch mehr Vogelflug zu erwarten ist. Schließlich bedeutet Arcana übersetzt so etwas wie „Geheimnisse“. Und deren würde es in der Natur überall auf dem Erdball so viele zu entdecken geben, dass man sich in der Konzeption nicht auf Kanada reduzieren wollte.

Und was ist mit Camping?

Eine Überlegung, die auf das einzahlt, was Trendforscherinnen wie Anja Kirig derzeit prophezeien. Die Frage ist nur, ob man dafür wirklich Heime wie die Arcana-Hütten braucht. Oder ob nicht einfach ein praktisches Zelt mit einem kleinen Griller noch mehr Resonanzmöglichkeiten bietet …

Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Aruliden

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