Nylonfabrik
#smart office

Eine Nylonfabrik als Blickfang

In den Niederlanden wurde aus einer alten Nylonfabrik ein modernes Büro, das dank gekonnter Kombinationen aus Beton und Stahl in allen Ecken Sonne und Mitarbeiter gleich strahlen lässt.

Man kann es als shabby chic bezeichnen. Oder als industrial chic. Egal. Es sieht jedenfalls richtig gut aus, was HofmanDujardin und Schipper Bosch da in den Niederlanden aus einer alten Nylonfabrik gemacht haben. Vereinfacht ausgedrückt haben sie mit sehr viel Cleverness eine riesige leerstehende Fabrikhalle in ein mehrstöckiges Büro verwandelt, in dem man nicht bloß arbeiten möchte. Sondern gern auch wohnen. Sofern man eben auf helle, hohe und sterile Lebenswelten abfährt.

Denkarbeit statt Nylonproduktion

Jedenfalls wurde hier nun unter dem Namen „KB Gebäude“ ein Office hingestellt, das ein optischer Hochgenuss ist. Und das auch, weil der aktuell so hippe Werkstoff Holz ganz bewusst aber dezent integriert wurde …

Neues Leben in altem Beton

Aber spulen wir die Zeit zurück. An den Anfang, als die Architekten irgendwo auf dem 90 Hektar großen Gelände eines ehemaligen Chemie-Industrie-Bezirks in Arnhem standen. Vor sich eine weitläufigen Produktionshalle aus den 1940er Jahren. Steinalter und überwucherter Stahlbeton. Zerborstene Betonböden. Weltuntergangsstimmung.

Die alte Nylonfabrik vor dem spektakulären Umbau.

Man braucht nur wenig Phantasie, um sich die anfängliche Ratlosigkeit der Planer vorstellen zu können. Es bedurfte aber recht viel davon, um aus dem ersten Eindruck Ideen zu entwickeln, die den Auftraggebern zusagten. Schlussendlich aber fand Michiel Hofman, Architekt und Gründer von HofmanDujardin die Lösung: Er machte sich die offensichtliche Verschlissenheit der Materialien zunutze, wie er rückblickend erzählt: „Wir haben die strukturierten Grautöne des vorhandenen Betons, die eine immanente Schönheit offenbarten, einfach für uns genutzt. Alle Ergänzungen sind so konzipiert, dass diese Qualitäten erhalten bleiben und sorgfältig darauf aufgebaut werden.“

Nylonfabrik mit Exoskelett

Was aber wurde nun gemacht? Auch hier bediente man sich eines kleinen Kunstgriffs: Das Planungsteam erkannt bald, dass der vorhandene Stahlbeton kaum zu bearbeiten war. Also wurde kurzerhand ein eigener Stahlrahmen angepasst und in die weitläufige Produktionshalle der alten Nylonfabrik eingefügt. Das kann man sich wie eine Art gigantisches Exoskelett vorstellen, das in die Halle gehängt und in das alle weiteren Geschoße eingehängt werden konnten, um Büros zu integrieren.

Nylonfabrik

Nylonfabrik

Damit gelang jedoch nicht nur ein technischer Coup, sondern auch ein optischer, wie Hofman betont: „Unser erklärtes Ziel war es von Anfang an, die kathedralenartige Atmosphäre der Nylonfabrik zu erhalten.“ Dies sei bloß durch die verhältnismäßig minimalen und leichten Stahlrahmen in der ursprünglichen Betonstruktur der Fabrik wunderbar gelungen. Hofman: „Mit seinen hohen Säulen und hohen Fenstern, die den Raum mit Tageslicht durchfluten, weist der gigantische Raum auch nach den Baumaßnahmen große kathedralenähnliche Qualitäten auf!“

Holztreppe als Eyecatcher

Innerhalb dieses Stahlrahmens etablierten HofmanDujardin und Schipper Bosch schließlich in den unteren Stockwerken einen Empfangsbereich, ein Restaurant und Besprechungsräume.

Spektakulär ist die breite Holztreppe, die vom Erdgeschoss bis zur Mitte des ersten Stocks führt und so als Verbindung zum Hauptbürobereich fungiert. Dank ihrer Breite und vor allem der Materialwahl – zwischen Stahl und Beton sticht Holz auf den ersten Blick ins Auge – wirkt sie wie eine Art Landmark innerhalb des Objekts. Sie soll Besuchern und Mitarbeitern helfen, die Orientierung in den überdimensionalen Räumlichkeiten zu behalten. Und sie soll etwas Wärme in die Kühle bringen.

Nylonfabrik

Alle andere Treppen sind hingegen aus Stahl gebaut und verbinden die neuen Geschosse im Hauptbürobereich. Das wurde wiederum so konzipiert, dass die einzelnen Ebenen visuell miteinander verbunden scheinen und gleichzeitig das natürliche Licht in jeden Winkel des Komplexes eindringen kann. Damit wollte man einerseits beste Arbeitsbedingungen schaffen und gleichzeitig das Raumgefühl der ursprünglichen Produktionshalle erhalten.

Leichtigkeit im Vordergrund

„Die neuen Stockwerke sind so leicht wie möglich gebaut“, erklärt HofmanDujardin in einem Statement. „Infolgedessen setzt der Entwurf nicht nur die visuelle Großzügigkeit fort, sondern erlaubt es auch, die Transformation anzupassen oder sogar rückgängig zu machen“, üben sich HofmanDujardin in Architektur-Philosophie.

Ab in den Konzentrationsdschungel?

Die oberen Stockwerke des KB-Gebäudes bieten jedenfalls alle Möglichkeiten, allein oder im Team zu arbeiten, wobei die Aufenthaltsräume und Teeküchen am nächsten an der zentralen Treppe positioniert sind und die einzelnen Arbeitsplätze an ihren Rändern konzentriert etabliert wurden. Eine Besonderheit bildet ein größerer Bereich im ersten Stock des Gebäudes. Dieser sticht ob seiner dichten Begrünung auf der Stelle ins Auge und ist als kleine Oase für die Mitarbeiter gedacht. Gleichzeitig verbergen sich hinter hohen Pflanzen und Sträuchern aber auch flexible Arbeitsplätze, die eine besonders intime Arbeitsatmosphäre schaffen. Name dieses Areals: Konzentrationsdschungel.

Generell folgt die Gestaltung des Innenraums aber überall ähnlichen Überlegungen.  Die Möblierung des KB-Gebäudes wurde so gewählt, dass sie „sorgfältig Raum für Zusammenarbeit und Orte der Konzentration bietet“, wird betont. Durch ihre neutralen Farben und Materialien wird die Einrichtung jedoch optisch vereinheitlicht, wodurch die ursprüngliche Betonhülle als Eyecatcher erhalten bleibt.

Stahlbeton statt Nylonstrümpfe

Etwas, das einst eben auch die Produkte der Nylonfabrik zum Ziel hatten. Schließlich waren es hauptsächlich Damenstrümpfe, die diese Halle einst verließen. Um die Blicke auf sich zu ziehen.

Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Matthijs van Roon & Peter Tijhuis.

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