In Tel Aviv sorgt derzeit ein ungewöhnlicher Büroturm für Gesprächsstoff: Das 27-stöckige Gebäude namens „ToHA“-Tower sieht nämlich aus wie ein kopfüber aufgestellter Eisberg!

Der gigantische Turm, der in den vergangenen Monaten inmitten Tel Avivs aus dem Boden gestampft wurde, ist selbst für den architektonischen Laien ein überraschendes Bauwerk. Im Gegensatz zu nahezu allen anderen Hochhäusern die wir kennen, wird das so genannte Totzeret Haaretz-Gebäude — oder kurz ToHA-Tower genannt – nach oben hin nicht etwa schmäler, sondern vielmehr breiter! Und das in einer Dimension, die mit dem freien Auge auf der Stelle zu erkennen ist.

Eiszeit rund um den Eisberg

Nur logisch also, dass das neueste Projekt des Londoner Star-Architekten Ron Arad aktuell in der pulsierenden israelischen Metropole für ganz schön viel Kopfzerbrechen sorgt. Und das nicht etwa, weil schon alle 200.000 Quadratmeter Bürofläche auf den 27 Stockwerken bezogen sind und tausende Menschen Hirnleistung liefern. Es ist schlicht die plumpe Optik, die nur auf bedingte Gegenliebe stößt.

Auf die kritischen Stimmen angesprochen, gibt der international gefragte Architekt nun auch eine recht klare Antwort: „Wir waren nicht darauf aus, eine Ikone zu bauen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Ästhetik und Funktionalität keine Feinde, sondern Freunde sind, und ich nehme nicht an Wettbewerben darüber teil, wer am größten und wer am schönsten ist.“

Buerogebaeude sorgt fuer Aufsehen
Die ungewöhnliche Form des neuen Bürogebäudes in Tel Aviv …

Buerogebaeude sorgt fuer Aufsehen
… sorgt aktuell für Aufsehen. Es sehe aus wie ein Koloss, heißt es.

Seine zuständige Projektleiterin, die Architektin Asa Bruno, ergänzt: „Man kann kein Gebäude in diesem Ausmaß und an einem solchen Ort bauen, ohne dass es Emotionen weckt. Es ist definitiv kein fades Gebäude, das versucht, verschiedenen Seiten zu gefallen. Dabei wurde das Gebäude nicht mit der Absicht geplant, Emotionen zu wecken, sondern eine gute und einzigartige Umgebung für die dort arbeitenden Menschen zu schaffen. Und ja, auch ein besonderes urbanes Erlebnis für Tel Aviv.“

Vom Chef skizziert

Was uns schnurstracks zur eigentlichen Idee, die hinter dem Bau dieses angeblich so unförmigen Kolosses steckt, führt: Auf einer relativ kleinen Grundfläche sollte ein möglichst großes Bürogebäude geschaffen werden. Eben auf diesen beiden Parametern fußte schlussendlich die von Arad persönlich skizzierte Überlegung, das Gebäude auf drei verhältnismäßig schmale Beine zu stellen und nach oben hin zu verbreitern. So, dass es nun aussieht, wie ein auf den Kopf gestellter Eisberg, der durch das Herz von Tel Aviv treibt.

ToHA-Tower
Die Lobby im Inneren ist …

ToHA-Tower
… sieben Stockwerke hoch, …

ToHA-Tower
… lädt zum Sitzen ein und …

ToHA-Tower
… zum Blick in den Himmel.

Tatsache ist, dass ob dieser bauchigen Form kein einziges Geschoss des ToHA-Baus gleich groß ist wie das andere. Die Grundflächen liegen zwischen 1.850 und 2.780 Quadratmetern und können auf bis zu sieben Mieter aufgeteilt werden – oder als große Lofts ganz offen gelassen werden. Außerdem „drehen“ sich die einzelnen Ebenen baulich betrachtet immer Stück für Stück weiter. Deshalb fungieren die in der Fassade integrierten Lamellen und der Überstand der Betonblöcke als natürliche Sonnenblenden für die jeweils darunterliegenden Flächen. „Mir war es wichtig, dass jeder Büroplatz über Tageslicht verfügt, aber niemand bei der Arbeit geblendet wird“, erzählt Ron Arad.

Sinnvolles Vordenken

Eine Detailverliebtheit und ein Vordenken, das die zukünftigen Büronutzer gewiss schätzen werden – und das sich in vielen weiteren Überlegungen manifestiert hat: So konnten etwa die Bauherren – also die Geldgeber des Projekts – von Ron Arad davon überzeugt werden, nur ein Restaurant und ein Café auf Straßenniveau zu errichten. Ursprünglich war ein ganzes Einkaufszentrum angedacht. So ergibt sich stattdessen eine riesige Freifläche am Grund des Turms, die nun begrünt wird.

Baum-Hain
Auf drei Füßen ruht der Bau. Unter ihm sollen Menschen in Zukunft in einem Baum-Hain zum Verweilen eingeladen sein.

Doch das ist eine komplexe Angelegenheit, wie der zuständige Landschaftsarchitekt Lital Szmuk betont. „Die Schwierigkeit liegt daran, diese Freifläche so zu gestalten, dass sie Menschen anlockt, die hier eigentlich gar nicht sein müssen.“ Deshalb hat er sich dazu entschieden, unter dem Büro-Turm einen wahren Baum-Hain zu erschaffen, der aus hunderten Eichen, Poincianas, Pappeln, Trompetenbäumen, blaue Jacarandas und Maulbeerbäumen bestehen wird. Dazwischen sollen Bänke und Wasserbecken zum Verweilen einladen.

Es werde Licht!

Während die Bepflanzung gerade einmal im Gange ist, erhebt sich der Eingangsbereich freilich schon längst über die Straße. Und der ist nicht minder spektakulär: Zu ebener Erde betritt man ein beeindruckendes Atrium, das dank einer 30 Meter hohen Glaswand jeden Besucher gleich einmal in seinen Bann zieht.

Die insgesamt siebenstöckige Lobby bietet dann über einen Atriumhohlraum, der durch das Gebäude verläuft und Tageslicht von innen in die Büros eindringen lässt, einen Blick bis zum Dach nach oben. Durch diesen 100 Meter hohen vertikalen Raum ist der Himmel sichtbar, und soll im übertragenen Sinne Leben ins Zentrum des Baus holen.

Dach der Versöhnung

Und das sozusagen vom anderen Ende des verkehrten Eisbergs – vom Dach, dessen Fläche am Ende freilich auch bespielt werden soll: Mit einem großen Restaurant, das den zukünftigen Bürobeziehern nicht nur kulinarischen Genuss bieten wird, sondern vor allem einen atemraubenden Blick über die Stadt. Und spätestens wer diesen einmal erlebt hat, wird an dem unorthodoxen Gebäude Gefallen finden!

Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Ron Arad

Der Ausblick vom Dach wird wohl so manchen Kritiker alsbald verstummen lassen …
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