Autarkie im Glashaus
Die hohen Energiepreise tangieren sie nicht. Die künftigen Bewohner von Atri, dem Haus des schwedischen Anbieters Naturvillan, leben nämlich komplett autark. Mit Solarstrom, selbst angebautem Gemüse und hauseigener Kläranlage.
Die Idee im Glashaus zu wohnen, geht auf den schwedischen Architekten Bengt Warne zurück. Er entwickelte bereits in den 1970er-Jahren das Konzept des Naturhus, wie er es nannte. Das nachhaltige Öko-Haus basiert auf einem Wohnkern, der von einer isolierenden Glashülle umgeben ist. Auf diese Weise entsteht ein geschützter Outdoor-Bereich, der nicht nur die Lebensqualität in der kalten Jahreszeit verbessert, sondern auch den ganzjährigen Gemüseanbau ermöglicht. „Durchschnittlich lassen sich durch diese Bauweise an die 30 Prozent Energie einsparen“, beantwortet Anders Solvarm die Frage, die ihm von Interessenten am häufigsten gestellt wird.
Durchschnittlich lassen sich durch diese Bauweise an die 30 Prozent Energie einsparen.
Anders Solvarm, Gründer von Naturhusvillan
Im Frühjahr 2022 gründete Solvarm gemeinsam mit seinem Kollegen Niklas Dahlström das Unternehmen Naturhusvillan. Der Zeitpunkt war günstig. Vor allem seit der hohen Inflation und der massiv gestiegenen Energiepreise ist die Nachfrage nach dem „Naturhaus der nächsten Generation“, wie sie es nennen, besonders hoch.
Langfristige Investition
Den Prototypen des Modells Atri haben sie nun nach einer pandemiebedingt überlangen Bauphase fertiggestellt. Er steht inmitten eines Föhrenwaldes außerhalb von Vänersborg, der Hauptstadt der Region Västra Götaland. Das Haus ist weder an das Stromnetz noch an die Kanalisation angeschlossen und entspricht so dem vom Vordenker Warne einst ausgegebenen Ideal, das da lautet: Autarkie in jeder Hinsicht.
In der Anschaffung sei ein Naturhaus zwar teurer, erklärt Solvarm, der mit seiner Familie selbst seit 15 Jahren in einem Blockhaus unter dem Glassturz lebt. „Betrachtet man so ein Haus allerdings über einen Zeitraum von 50 Jahren und sieht, was es an Energie und Nahrung produziert, dann sieht die Rechnung ganz anders aus“, so Solvarm gegenüber Göteborgs-Posten. Langfristig würde sich die Investition in die Versorgungsunabhängigkeit auf jeden Fall rechnen. Von den aktuell hohen Energiekosten ist der Naturhausbewohner jedenfalls nicht betroffen.
Sonnenstrom und Wasserkreislauf
Das klimasmarte Haus Atri produziert Strom über Photovoltaikpaneele, die in das Glasdach integriert sind und die zentrale Batterie des Hauses speisen. Im Winter kommen Warmwasser und Heizung von einem Holzofen in der Küche, mit dem zugleich auch gekocht werden kann. An ganz dunklen Wintertagen sollten die Bewohner stets den Batteriestand und den eigenen Stromverbrauch im Kopf haben. Alternativ lässt sich die Batterie auch mit einem Notstromaggregat aufladen.
Das Haus mit der prägnanten Zeltform verfügt über eigenes Trinkwasser, das aus einem Brunnen gepumpt wird. Die biologische Aufbereitung des Abwassers erfolgt über die Pflanzenbeete im Glashaus, die so mit Mikronährstoffen versorgt werden. Mit der Ernte aus dem hauseigenen Obst- und Gemüsegarten schließt sich der Kreislauf.
Nach circa 20 Jahren rechnen sich die Mehrkosten, und das Haus fängt an, mehr zu erwirtschaften, als es braucht.
Anders Solvarm, Gründer von Naturhusvillan
Durch das ganzheitlich gedachte Versorgungssystem hat das Natur-Wohnhaus einen minimalen ökologischen Fußabdruck. Der Rahmen aus Brettschichtholz sorgt außerdem dafür, dass die Emissionen, die beim Bau entstehen, reduziert werden können. Zusätzlich dient das verbaute Holz als Kohlenstoffsenke, indem es langfristig CO₂ bindet.
Mediterranes Klima im Hohen Norden
Der schützende Überbau aus Glas schafft einen lichtdurchfluteten Wohn- und Gartenbereich mit ständigem Sichtbezug zur umgebenden Landschaft. Die Grenze zwischen drinnen und draußen ist fließend. Atri macht damit ein Leben unter freiem Himmel möglich, und das im Hohen Norden. „Nachhaltig leben in einem mediterranen Klima“, lautet auch die zugehörige Werbebotschaft von Naturvillan.
Der Prototyp des Hauses am Vänernsee, rund eine Autostunde von Göteborg entfernt, steht derzeit zum Verkauf. Der Verhandlungspreis liegt bei umgerechnet rund 715.000 Euro, und Solvarm versichert: „Nach circa 20 Jahren rechnen sich die Mehrkosten, und das Haus fängt an, mehr zu erwirtschaften, als es braucht.“
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Marcus Eliasson, Naturvillan