Bloomberg Headquarter: Das vielleicht grünste Büro der Welt
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Das grünste Büro der Welt?

Michael Bloomberg bezeichnet sich seit dem Bau der Londoner Europa-Zentrale als „ökologischster Baumeisters der Welt“. Und tatsächlich spielt das von Foster + Partner geplante Gebäude in Sachen Nachhaltigkeit alle Stückerl.

Irgendwie klingt dieser amerikanische Name auch für Deutsch sprechende Menschen schön: Bloomberg. Ein blumiger Berg, das geht einfach rein. Eine Anhöhe also, die hübsch und leicht zu überwinden ist, so ein Bild erwächst vor dem geistigen Auge.

Bloomberg: Grüner geht’s nicht?

Und wenn man sich die Biografie des Michael Bloomberg ansieht, dann möchte man meinen, der 78-Jährige hat bis jetzt jeden noch so schroffen Felsen wie einen blumigen Hügel erklommen, so leicht: Ingenieur, Vermögensverwalter, Finanzdatenhändler, Investor, Verleger, Philanthrop und nicht zuletzt Bürgermeister von New York, steht da. Was der Mann anpackt, wird zu Gold.

Michael Bloomberg

Eben dieser Michael Bloomberg hat seine unternehmerischen Aktivitäten freilich längst nicht ausschließlich auf „seine“ USA beschränkt. Weltherrschaft? Das ist schon eher sein Ding. Nur logisch also, dass sein Unternehmen Bloomberg LP auch einen europäischen Firmensitz hat. In London.

Architektur-Stars auf Erfolgskurs

Eben diesen ließ der achtreichste Mann des Planeten (64 Milliarden US-Dollar Privatvermögen) nun neu errichten. Und das in vielerlei Hinsicht spektakulär. Der Bau ist besonders nachhaltig und ökologisch angelegt! Aber alles der Reihe nach.

Als Architekten durfte sich ein Team von Foster + Partner unter der Leitung von Baron Norman Foster selbst an das von der Branche von Anbeginn mit Argusaugen betrachtete Projekt heranwagen. Eines gleich vorweg: Das erfahrene Architektur-Büro hielt dem Druck stand. Schon jetzt, kurz nach seiner Fertigstellung, steht der Bau für unzähligen Architekturpreise hoch im Kurs. Und das hat gleich mehrere Gründe.

Fangen wir beim Überraschendsten an: In der Regel werden gerade in den teuren urbanen Gebieten der Großstädte dieser Welt alle Register gezogen, um möglichst viel der zur Verfügung stehenden Fläche möglichst hoch und tief zu verbauen. Nur so lässt sich der hohe Preis eines richtig teuren Grundstücks am Ende gewinnbringend verwerten.

Doch Bloomberg wies seine Architekten stattdessen an, die 1,3 Hektar – superzentral nahe der Themse zwischen Bank of England und St. Paul’s Cathedral gelegen – eben nicht mit dem rechtlich möglichen Maximum zu überbauen!

Bloombergs Vertrauensbeweis

Vielmehr war es ihm wichtig, Raum für drei neue öffentliche Plätze samt Fußgängerzone zu schaffen. Außerdem achtete man darauf, die Ausblicke der umgebenden Häuser nicht zu sehr zu beinträchtigen und baute lieber niedriger als gar zu hoch.

Weiters wählte man als vorherrschenden Baustoff verhältnismäßig unaufregenden Sandstein. Man wolle so den umliegenden Gebäuden sozusagen die Ehre erweisen und sich nicht zwanghaft in den Vordergrund drängen.

Diese Vorgehensweise überraschte Londons Bürgermeister Sadiq Khan übrigens so sehr, dass er sie offiziell als einen „erfreulichen Vertrauensbeweis“ bezeichnete.

Ausgetobt wird drinnen!

Im Inneren des zehn geschoßigen Objekts durften sich die Architekten jedoch dann wahrlich austoben: Schon beim Betreten des Headquarters wird man optisch von einer Art Wirbelwind erfasst. Der so genannte „Vortex“ ist ein zweigeschoßiger Raum, der aus dem Zusammenspiel dreier geneigter und gleichzeitig geschwungener Holzschalen eine besondere Dynamik entstehen lässt.

„Diese symbolisiert die Energie des Unternehmens“, heißt es in der offiziellen Pressemeldung. Außerdem finden die Einzelteile am Ende zu einem Auge zusammen – dem so genannten „Okulus“. Auf diese Weise wird der Blick ganz bewusst auf ein dort verankertes und silbrig schimmerndes Objekt gerichtet: Das Kunstwerk „Keine Zukunft ohne Vergangenheit“ von Olafur Eliasson.

Die einzelnen geneigten und geschwungenen Holzschalen finden sich in einer Art Auge. Und in diesem prangt das silbrige Kunstwerk von Olafur Eliasson.

Ebenso beeindruckend: Eine Art Rampenkonstruktion, die auf der geometrischen Form eines Hypotrochoid basiert und die darüber liegenden Geschoße miteinander verbindet. Wer nun nicht gleich weiß, was ein Hypotrochoid ist – wir mussten auch nachschlagen:

Was ist ein Hypotrochoid?

Die offizielle Definition: Ein Hypotrochoid ist ein Roulette-Spiel, das von einem Punkt gezeichnet wird, der an einem Kreis mit dem Radius r befestigt ist, der sich um die Innenseite eines festen Kreises mit dem Radius R dreht, wobei der Punkt einen Abstand d vom Mittelpunkt des inneren Kreises entfernt ist.

Weil aber auch diese Erklärung eher zu Verwirrungen führt – hier eine bildliche Darstellung dieser ominösen Form:

So entsteht die geometrische Form eines Hypotrochoids.

Das heißt in diesem Fall – und auf das Bauwerk übertragen – ungefähr das: Die Arbeitsebenen werden von drei ellipsoiden (Ellipsen kennen wir zum Glück noch) und in sich pro Stockwerk um 120 Grad verdrehten Holzschalen miteinander verbunden.

Außerdem sind sie bronzeverziert und münden schlussendlich in einen Raum, der als „Ort des beruflichen Kontakts“ verstanden werden soll. Ein Sammelpunkt, der zum Austausch einlädt und einen gigantischen Blick über London freigibt. „Wir wollen damit zeigen, dass es hier nicht nur um Finanzdaten, sondern auch um Gemeinschaft und Zusammenarbeit in einer Umgebung, in der Kunst eine zentrale Rolle spielt, geht“, erläutern die Star-Architekten.

Spektakuläre und in sich verschlungene Rampen …

… verbinden die einzelnen Geschoße miteinander.

Zurück in die Siebziger

Wenn man dann jedoch direkt in die eigens entwickelten und für 4.000 Finanzdienstleister ausgestalteten Arbeitsbereiche geht, wähnt man sich eher in den Siebzigerjahren: Großraumbüros mit dicht an dicht gestellten Schreibtischen, die mit orangefarbenen Sichtschutz-Platten voneinander abgetrennt sind.

Dafür schwebt über den eher unkommunikativen Arbeitskojen die angeblich modernste Multifunktionsdecke Europas: In der Aluminiumkonstruktion ist alles integriert, was ein Büro eben so braucht – Heizung, Kühlung, Beleuchtung und akustische Funktionen.

Ob diese Situation nun von Arbeitsplatzexperten als gut, schlecht oder skurril eingeschätzt wird, sei dahingestellt – Bloomberg wird schon wissen, wie er das Geld verdient, das dieser Bau kostet: Angeblich eine satte Milliarde Pfund!

Bevor uns ob der Summe schwindelig wird, widmen wir uns lieber dem nächsten spektakulären Detail: Das verwendete Holz. Dieses spielt innen wie außen und in allen möglichen Anwendungsbereichen eine besonders tragende Rolle.

Das Bauwerk besteht vorwiegend aus drei Baustoffen:

Sandstein, Bronze und echt viel Holz der amerikanischen Rot-Eiche.

Konkret wurden unzählige Festmeter amerikanischer Rot-Eiche verbaut. Ein Holz, das in Europa bislang kaum zum Einsatz gekommen ist, in den USA aber weite Verbreitung findet. Rot-Eiche ist nicht nur besonders nachhaltig sondern für die US-Holzindustrie auch ein besonders wichtiger Rohstoff.

Nur ein Schelm, der denkt, dass Bloomberg mit dem Einsatz dieses Materials für seine amerikanische Heimat etwas bezwecken wollte. Dementsprechend ist es wohl auch purer Zufall, dass die amerikanische Holz-Lobby über den „finalen Durchbruch der Rot-Eiche in Europa“ jubelt. Schließlich wurden allein für den Bodenbelag des Bloomberg-Monuments 37.160 Quadratmeter dieser Holzart benötigt …

(K)eine verdeckte Wirtschaftsförderung

Freilich, die Macher selbst haben für die Holzwahl eine Begründung, in der von keiner „verdeckten Förderung der US-Holzwirtschaft“ die Rede ist. Vielmehr lautet diese: Nachhaltigkeit!

Projektarchitekt Michael Jones dazu: „Damit meinen wir nicht nur, dass Holz ein nachwachsender Rohstoff ist, energieeffizient und ein groβer CO2-Speicher mit vielen weiteren Vorzügen, sondern dass es nachhaltig im weitesten Sinne ist. Die Nachhaltigkeit eines Gebäudes hat auch viel mit dem Wohlbefinden der Menschen zu tun – und Menschen fühlen sich in der Umgebung natürlicher Materialien wohler.”

Die Aludecke integriert allen technischen Schnickschnack.

In den Begegnungszonen blickt man herrlich über London.

Außerdem würden die technischen Eigenschaften für sich sprechen und auch der rosafarbene Stich: „Wir wollten eine Holzart mit warmer Ausstrahlung, die mit den Jahren reift und noch sanfter wird”, so Michael Jones. So wurde Kirschholz ausgeschlossen, weil es nachdunkeln könnte.

Bloomberg war weiße europäische Eiche zu hell

Europäische und amerikanische Weiβ-Eiche hätten ein zu helles farbliches Finish und oft einen Gelbstich, wie man befand. Das umfangreiche US-Angebot an Rot-Eiche war einfach ideal. Dass man ob der weiten Transportwege dafür immer wieder nervös wurde, ob „wir denn auch immer fristgerecht genug Holz mit der erforderlichen gleichmäβigen Färbung und Maserung bekommen würden”, wie Jones launig kommentiert, ist eine andere Geschichte.

Jedenfalls aber hat man Michael Bloomberg und Foster + Partner den Öko-Stempel auch von offizieller Seite aufgedrückt: Der spektakuläre Neubau erhielt die höchste BREEAM-Bewertung (britisches Nachhaltigkeitszertifikat), die je ein großes Bürogebäude bekommen hat.  Auch die Architektur der Bloomberg Europazentrale wurde mit der höchstmöglichen BREEAM-Punktzahl ausgezeichnet.

Und so posaunt Michael Bloomberg stolz in die Welt: Norman Foster und er hätten das umweltfreundlichste Bürogebäude der Welt gebaut. Zumindest vorerst einmal.

Text: Johannes Stühlinger
Fotos: Foster + Partner; Bloomberg; Wikipedia; Nigel Young

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