Drei Kuppeln für die Weltmeere
Für die Expo 2025 in Osaka hat Pritzker-Preisträger Shigeru Ban den Blue Ocean Dome entworfen. Er besteht aus Karton, Bambus und einer Weltneuheit im Bereich der Baumaterialien.
Die Weltausstellung, auch Exposition Mondiale oder kurz Expo genannt, hat ihren Ursprung in der Zeit der Industrialisierung und etablierte sich fortan als technische und kunsthandwerkliche Leistungsschau. Nationen kommen an einem Ort zusammen, um gemeinsam eine Vision für die Zukunft zu entwerfen. Ein Blick auf die Beiträge der diesjährigen Expo in Osaka zeigt, dass sich der Schwerpunkt in Zeiten von Klimakrise und Bauwende verlagert hat. Ging es einst vor allem um den Superlativ des technischen Fortschritts, geht es heute vermehrt um die planetaren Grenzen, an die uns das Zeitalter der Industrialisierung gebracht hat.
Der japanische Architekt Sou Fujimoto etwa entwarf den Rahmen für die diesjährige Weltausstellung: den Grand Ring, der die bislang größte Brettschichtholz-Konstruktion der Welt darstellt. Lina Ghotmeh, der weibliche Shooting-Star der Architekturszene, schuf für den Golfstaat Bahrain einen schiffsähnlichen Holz-Pavillon, der Kurs auf die Bauwende nimmt. Und Pritzker-Preisträger Shigeru Ban lieferte mit dem Blue Ocean Dome einen dreiteiligen Kuppelbau, der innovative Material- und Konstruktionsansätze für die Zukunft bietet.
Ein Pavillon für die Weltmeere
Neben seinem humanitären Engagement ist der 67-jährige Architekt auch bekannt für seinen Pioniergeist im Hinblick auf unkonventionelle Baumaterialien und Konstruktionssysteme. Mit dem sphärischen Bau, der knapp außerhalb des Grand Rings liegt, hat er seine bisherigen Innovationen weiterentwickelt und erweitert.
Der Blue Ocean Dome besteht aus einer großen, zentralen Kuppel und zwei kleineren, die durch eine Polycarbonathülle miteinander verbunden sind. Wie der Name bereits anklingen lässt, geht es bei der Ausstellung im Inneren um die Weltmeere und die Bedrohungen, denen sie durch Verschmutzung, Überfischung und Klimawandel ausgesetzt sind. Aktuellen Erhebungen zufolge gelangen jedes Jahr bis zu 400 Millionen Tonnen Schadstoffe und bis zu 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Meere.
1985, als ich damit begann, das Bausystem aus Pappröhren zu entwickeln, war Umweltverträglichkeit kein Thema.
Shigeru Ban, Architekt und Pritzker-Preisträger
Der Pavillon, der von der gemeinnützigen Organisation Zero Emissions Research and Initiatives (ZERI) in Auftrag gegeben wurde, will Bewusstsein schaffen für einen achtsameren Umgang für die Ressourcen und Ökosysteme der Meere.
Eine Mission, die ganz im Einklang mit der Osaka Blue Ocean Vision steht, die auf dem G20-Gipfel in Osaka 2019 angekündigt wurde. Ziel der Absichtserklärung ist es, den Plastikmüll im Meer bis 2050 auf Null zu reduzieren.
Eine Weltneuheit der Baumaterialien
Das Abfall-Aufkommen ist in der Bauwirtschaft bekanntlich besonders hoch. Die Branche soll für etwa 60 Prozent des global entstehenden Mülls verantwortlich sein. Mit seiner Verwendung von Karton als Baumaterial verfolgte Shigeru Ban bereits lange vor der Debatte um die Klimakrise einen ressourcenschonenden Ansatz: „1985, als ich damit begann, das Bausystem aus Pappröhren zu entwickeln, war Umweltverträglichkeit kein Thema. Anstatt mich vom modischen Stil der Zeit beeinflussen zu lassen, wollte ich mein eigenes Bausystem kreieren. Eine weitere Motivation war mein Hang, alle Dinge aufzubrauchen und nichts wegzuwerfen“, wie er dem ubm magazin in einem ausführlichen Interview verriet.
Mit jeder Kuppel des Blue Ocean Domes hat Shigeru Ban eine eigene Material- und Konstruktionsstudie geliefert, die das Zeug hat, die Bauwende voranzutreiben. Der zentrale Hauptraum ist aus CFRP-Rohren gebaut. CFRP steht für Carbon Fiber Reinforced Polymer und ist ein Verbundwerkstoff, der aus Kohlenstofffasern und einer Polymerharzmatrix besteht.
CFRP ist stärker als Stahl und leichter als Aluminium und kommt deshalb vor allem in der Raumfahrt und in der Automobilindustrie zum Einsatz. Der Einsatz als Baumaterial ist eine Weltneuheit. Die daraus gewebte Struktur erreicht eine Spannweite von 40 Meter. Da das Material insgesamt weniger wiegt als der gesamte Aushub, konnte Ban auf Betonpfähle verzichten. Außerdem ist die Konstruktion, ebenso wie die anderen, gänzlich rückbaubar, und das Material kann anschließend wiederverwendet werden.
Konstruktionen aus Bambus und Papier
Für den Bau des Eingangsraums hingegen hat der Architekt Brettschichtholz aus Bambus verwendet. Ein weiteres Leichtbaumaterial, das den zusätzlichen Vorteil hat, dass es extrem schnell nachwächst.
In der dritten Kuppel zeigt sich eine dreidimensionale Struktur aus Pappröhen, die dem Aufbau organischer Verbindungen ähnelt. Hier verwendet Ban eine neue Verbindungstechnik mit einem runden Holzanschluss.
Der Blue Ocean Dome dient der Vernetzung von Designern, Wissenschaftlern und Unternehmern. Sie müssen gemeinsam an einem Strang ziehen, um die akuten Probleme, denen unser Planete ausgesetzt ist, erfolgreich anzugehen. In diesem Sinn dient der Dome als Katalysator für neue Ideen, die weit über die Wände des Pavillons hinaus wirken.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Hiroyuki Hirai