And the winner is! Das Kino- und Kultur-Projekt „Centre Culturel“ von UNStudio gewann den größten Architektenwettbewerb, der jemals in Frankreich von privaten Investoren ausgelobt wurde.

Sageundschreibe 3,1 Milliarden Euro. Das ist jene Summe, die private Investoren in die Hand genommen haben, um sich in ihrer geliebten Stadt Paris ein Kultur-Denkmal zu setzen. So könnte man es jedenfalls sehen. Die handelnden Personen bevorzugen da eher Formulierungen wie „Mäzenatentum“. Für die Architekten von UNStudio spielt das aber im Grunde auch gar keine Rolle. Sie dürfen sich einfach über eine wirklich spektakuläre Auszeichnung freuen.

Centre Culturel als Teil eines großen Ganzen

Ihr Vorschlag für das Centre Culturel in der gerade im Bau befindlichen EuropaCity in Paris wurde als Sieger des bis dato größten Architekturwettbewerbs des Landes auserkoren. Nur um die Sache auch richtig einordnen zu können: Damit arbeitet UNStudio in den kommenden Jahren Schulter an Schulter mit dem aktuell vermutlich einflussreichsten Architekten der Welt.

Gemeinsam mit Bjarke Ingels

Die EuropaCity in Paris ist nämlich ein Projekt von BIG-Gründer Bjarke Ingels. Sie ist als touristisches Zentrum, das Kultur, Sport, Hotels, Restaurants, urbane Landwirtschaft, Handel und Erholung für Besucher und Einheimische gleichermaßen vereint, gedacht. Aber das ist eine andere Geschichte.

Centre Culturel
Im Hintergrund die EuroapCity von Bjarke Ingels. Im Vordergrund das Centre Culturel Dédié Au 7è Art cinema, wie es offiziell heißt.

Offiziell heißt das spektakuläre Projekt, von dem wir hier sprechen Centre Culturel Dédié Au 7è Art cinema. „Es soll sowohl öffentlicher Raum als auch kulturelles Labor sein,“ betont man bei UNStudio. Das Konzept würde das Kinoerlebnis insofern erweitern, als dass die Besucher nicht nur einen Film sehen können. Hier soll man vielmehr auch Kunstausstellungen besichtigen. Auf grünen Dachterrassen entspannen. Und andere soziale Einrichtungen nutzen können.

Landschaft wurde eingefangen

Das Gebäude selbst besteht aus drei ineinander verschlungenen skulpturalen Objekten, die „von großen Landschaftsbilden inspiriert sind“, wie es heißt. Diese Natürlichkeit soll durch den konsequenten Einsatz von verwittertem Metall optisch verdeutlicht werden. Quasi: erdige Farben.

Gleichzeitig hat man die grüne Umgebung auf den Dachschrägen weitergeführt. „Ein Rasen-Teppich setzt die Wiesen fort und öffnet das Dach für Besucher“, heißt es offiziell. Schließlich werden auf dem Dach des Gebäudes Restaurants und Cafés Platz finden. Außerdem eine 360-Grad-Plattform. Mit Blick auf Bjarke Ingels EuropaCity und die Skyline von Paris.

Centre Culturel
In dem neuen Zentrum sollen Filme entstehen …

Centre Culturel
… und auch gleich gezeigt werden.

Spannend wird die Sache – gerade bei einem Kino – aber natürlich vor allem im Inneren des Gebäudes. „Kinos sind das perfekte Beispiel für verdeckte Architektur“, erklärt UNStudio-Gründungspartner Ben van Berkel.

Er präzisiert: „Das Kino ist die einzige Art von Gebäude, die unsichtbar wird, sobald man sie betritt. Man verbringt bis zu zwei Stunden in einem abgedunkelten Raum und taucht in den alternativen Raum und die Zeit der Fantasie ein. Und dann geht man wieder. Diese begrenzte Nutzererfahrung des Kinos als Veranstaltungsort führte zu dem Schlüsselkonzept, das unseren Entwurf antrieb: der Wunsch, ein Gebäude zu schaffen, das in seiner Gesamtheit eine viel umfassendere Erfahrung des Kinos bietet.“

Vom Dach in eine Fantasiewelt

In die Realität übersetzt soll das dann so aussehen: Beim Betreten des Gebäudes werden die Besucher durch den untersten Teil der schrägen Dachlandschaft geführt. Von hier aus öffnet sich der Raum in die zentrale Lobby. Die drei architektonisch ineinander verschlungenen Objekte des Gebäudes sind nach Filmgenres gegliedert. Sie laufen in der Mitte des Gebäudes zusammen, um das Foyer zu bilden, so UNStudio.

Centre Culturel will mehr sein, als bloß Kino

Vom Foyer aus können die Besucher die Kinosäle betreten und gleichzeitig einen Blick auf den Filmherstellungsprozess auf der darunter liegenden Ebene werfen, wo sich die Schulungs- und Produktionsstudios befinden. „Bei der Gestaltung des Centre Culturel haben wir uns von der Kultur des ‚Cinéma en plein air‘ inspirieren lassen und wollten die Kunst des Filmemachens zelebrieren“, sagt Ben van Berkel. Man versucht also die Stimmung von Open-Air-Kinos zu generieren.

Centre Culturel

Weil man in Zeiten des Klimawandels aber auch auf Außenwirkung bedacht ist, hat man natürlich auch an die Nachhaltigkeit des gigantischen Baus gedacht. Ergebnis: Die Neigung der drei Bauteile wurde so gewählt, dass die darauf entstehenden Sonnendecks optimal genutzt werden können und die Windeinwirkung minimiert wird.

Ein bisschen Grün schadet nie

„Die CO2-Emissionen werden reduziert und das Regenwasser wiederverwendet, während dichte Vegetationspakete auf den Parkdächern das Gebäude gegen den Wärmeverlust der Decke isolieren und die größtenteils geschlossenen Fassaden das Gebäude vor übermäßigem Wärmegewinn schützen“, so UNStudio.

Es bleibt eigentlich nur eine Frage unbeantwortet: Was, wenn die Welt der Kinos dank spektakulärer Streaming-Angebote schon bald der Vergangenheit angehören sollte? Wir werden ja – sehen.

Text: Johannes Stühlinger
Bilder: BIG

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