Ein Zentrum am Rande Italiens
Nach fast zwanzigjähriger Planungszeit haben Zaha Hadid Architects mit der Errichtung des Centro della Cultura del Mediterraneo begonnen, das für Reggio Calabria mehr ist als nur ein Kulturzentrum. Es soll Menschen verbinden – und die Stadt entscheidend voranbringen.
Es sind hohe Ziele, die man sich in Reggio Calabria gesetzt hat. Die südlichste Großstadt des italienischen Festlands möchte in den kommenden Jahren zu einer der bedeutendsten Touristendestination im Mittelmeerraum werden – und rüstet dafür entsprechend auf. Ein umfassendes Stadt- und Umweltplanungsprogramm soll hier, an der Straße von Messina, für mehr Attraktivität für Besuchende, aber auch für eine höhere Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung sorgen.
Ein Teil des Sanierungsplans ist das Centro della Cultura del Mediterraneo, das Zentrum für mediterrane Kultur. Bereits 2007 erhielten Zaha Hadid Architects den Zuschlag für das Projekt, dessen Grundstein im Februar 2025 dann endlich gelegt wurde. Im Zuge des Baus kommt es auch zu einer Umgestaltung der Uferpromenade von Reggio Calabria, die in den letzten Jahren ziemlich heruntergekommen war. Der Entwurf von ZHA integriert das Zentrum in die Promenade und schafft so einen Stadtpark direkt am Meer. Kurz: Die Menschen profitieren von einem neugestalteten Zugang zum Ufer, der ihnen einen Panoramablick auf die Straße von Messina – und das auf der anderen Seite gelegenen Sizilien – bietet.
Sinnliche Erzählung
Das Centro della Cultura del Mediterraneo entsteht auf einer Fläche von 24.000 Quadratmetern. Zu den Hauptbereichen des Zentrums gehören 7.000 Quadratmeter an Ausstellungsgalerien, ein 4.500 Quadratmeter großes Aquarium, ein Auditorium für kulturelle Veranstaltungen, Konferenzräume, Bildungsbereiche sowie eine Buchhandlung und ein Restaurant samt Bar mit Blick auf den Hafen.
„Die Innenräume des Zentrums schaffen eine visuelle und sinnliche Erzählung“, so Zaha Hadid Architects. „Sie sind vom Mittelmeer und der üppigen Flora und Fauna der Straße von Messina geprägt. Mit seiner Farbenpracht und seinen organischen Formen dient das Meeresleben als Inspiration für die Innenausstattung des Auditoriums, wo Korallen-Farbtöne an die Lebenskraft des maritimen Ökosystems erinnern. Fließendes, klares Wasser spiegelt sich in den Innenräumen des Aquariums wider. Es schafft im Zusammenspiel mit den Meeresbewohnern im Aquarium ein immersives Erlebnis. Der Entdeckergeist, verankert in der langen Geschichte der Seefahrer im Mittelmeerraum, zeigt sich wiederum in den Licht- und Schattenspielen in den Galerien. Sie laden die Besucher dazu ein, jede der Ausstellungen aufs Neue zu erkunden.“
Nachhaltigkeit im Fokus
Das Gebäude ist in vier Volumen unterteilt, die durch ein zentrales, zweistöckiges Atrium miteinander verbunden sind, das als Haupteingang fungiert. Das dynamische, organische Design des Zentrums soll auf von außen Harmonie mit der Küstenlandschaft ausstrahlen und dennoch die Funktionalität nicht vernachlässigen. Zudem war einer der Hauptfaktoren der Gestaltung das lokale Klima. So sorgen Innenhöfe einerseits für Beschattung, andererseits für Schutz vor den heftigen Winden an der Meerenge. „Je nach Ausrichtung bietet jeder dieser geschützten Innenhöfe einen Blick auf den Hafen im Osten, die Stadt im Süden oder führt zur Westterrasse mit Panoramablick auf die Meerenge und auf Sizilien“, erläutern dazu Zaha Hadid Architetcs.
Die Ausrichtung der Gebäudeteile basiert darüber hinaus auf der Optimierung von natürlichem Lichteinfall und natürlicher Belüftung. Die Fassade aus eloxierten Aluminiumplatten trägt zusätzlich zur Wärmeregulierung des Zentrums bei. Damit minimiert ZHA die Abhängigkeit von künstlichen Klimasystemen und setzt einen zentralen Aspekt des Konzepts – Nachhaltigkeit – in Verbindung mit spektakulärem Design um. „Die zu 90 Prozent blickdichte Fassade mit großzügigen Überhängen ist ein zentraler Aspekt des Designs“, so ZHA. „Dadurch wird die direkte Sonneneinstrahlung aus allen Richtungen – einschließlich der Reflexionen vom Meer – deutlich reduziert und die interne Wärmeentwicklung gesenkt.“
Ein echtes Zentrum
Zusätzlich zur Hybridbelüftung und der Integration eines fortschrittlichen Wassermanagements wird das Centro von dem bereits erwähnten Park umgeben sein. Einer mediterran inspirierten Anlage mit sechzig verschiedenen, in Italien heimischen Pflanzenarten, die zur lokalen Biodiversität beiträgt. Große Terrassen im Park machen die Uferpromenade so zu einem Ort, an dem Natur und Kultur sich nicht nur treffen, sondern zu einem echten Erlebnis verschmelzen, so die Verantwortlichen.
„Das neue Centro della Cultura del Mediterraneo ist eine ideale Ergänzung der bestehenden Archäologie- und Kunstmuseen Reggio Calabrias. Es erforscht die enge Beziehung zwischen Kalabrien und dem Mittelmeer, die die Vergangenheit der Region geprägt hat. Und ihre Zukunft weiterhin prägen wird“, so ZHA abschließend.
Einen Rückschlag gab es jedoch bereits für die ehemalige Hauptstadt Kalabriens: Obwohl in den Top Ten, wurde Reggio Calabria nicht zur italienischen Kulturhauptstadt 2027 gekürt. Die Wahl fiel im vergangenen März auf Pordenone in der norditalienischen Provinz Friaul-Julisch Venetien. Eine Stadt am anderen Ende des Landes …
Text: Michi Reichelt
Bilder: Zaha Hadid Architects