Der neue Masterplan Ecotope des dänischen Architekturbüros 3XN soll der renommierten Schweizer Bildungs- und Forschungsanstalt EPFL das bringen, was derzeit fehlt: Grünflächen statt Asphaltwüsten, zirkuläre Materialien statt Beton und Stahl.

Die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL) zählt zu den renommiertesten Universitäten der Welt. Seit den 1970er-Jahren befindet sie sich am Nordufer des Genfersees, wo zusammen mit der Universität Lausanne das grösste Bildungs- und Forschungszentrum der Schweiz entstanden ist. Während in den letzten Jahrzehnten sehr wohl einige neue Gebäude hinzukamen – so etwa das Rolex Learning Center von SANAA und das SwissTech Convention Center von Richter Dahl Rocha & Associés –, fehlt es an einem Gesamtkonzept, und es dominiert heute ein architektonischer Fleckerlteppich. Zwischen den Bebauungen, also dort, wo sich die Landschaftsplanung einfinden sollte, klaffen große Lücken. Statt bepflanzter Grünräume dominieren kahle, versiegelte Flächen ohne nennenswerte Aufenthaltsqualität. Ein Manko, das der neue Masterplan Ecotope des dänischen Architekturbüros 3XN ausmerzen soll.

Ecotope Campus, Holzbau, Masterplan, 3XN, EPFL, Lausanne, Schweiz
Der neue Masterplan des dänischen Architekturbüros setzt auf Holzbau und biophile Designprinzipien.

Biophile Prinzipien im Fokus

Im Zentrum der Überlegungen steht die Erweiterung des existierenden EPFL Innovation Parks, der anlässlich seines 30-jährigen Bestehens ein Makeover bekommen sollte. Denn so, wie sich die Technologien in den letzten Jahrzehnten verändert haben, so hat sich auch in der Architektur ein Wandel vollzogen. 

Fortschrittlichkeit wird nicht mehr so sehr an der Imposanz und nicht mehr allein an der Energieeffizienz von Gebäuden gemessen, sondern an zahlreichen architektonischen „Soft Skills“, die das Wohl der Nutzer und der Umwelt im Blick haben. Daher liege ein großer Fokus des Projekts auf der Erschließung von Grünflächen und der Anwendung biophiler Prinzipien, wie es in der Projektbechreibung heißt.

Ecotope wird ein Campus sein, der disruptive innovative Lösungen hervorbringt, indem er eine Schnittstelle zwischen EPFL und der Gesellschaft insgesamt darstellt.

Jan Ammundsen, leitender Architekt und Partner bei 3XN

„Ecotope wird ein Campus sein, der disruptive innovative Lösungen hervorbringt, indem er eine Schnittstelle zwischen EPFL und der Gesellschaft insgesamt darstellt“, erklärt Jan Ammundsen, leitender Architekt und Partner bei 3XN. Dabei setzt man auf einen Masterplan, der die Flächen effizient nutzt, klimatechnische Anpassungen vornimmt und für eine Aktivierung des gesamten Areals sorgt. „Eine grüne, interaktive Achse erschließt das gesamte Gelände sowie das Hauptgebäude und bildet ein starkes Gestaltungselement mit Raum für soziale Begegnungen sowie für Pflanzen, Vögel und Bienen.“

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Das neue Hauptgebäude wird von einer grünen, interaktiven Achse erschlossen.
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Grüne Begegnungszonen sind über den gesamten Campus verteilt und sorgen für eine hohe Aufenthaltsqualität.

Der Zufall als Impulsgeber

Wie 3XN-Gründer Kim Herforth Nielsen in einem Interview mit dem ubm magazin. erläuterte, setzt das Büro auf die Prinzipien der Verhaltensarchitektur. Das heißt, die Art, wie Räume gestaltet werden, hat einen direkten Einfluss auf die Menschen, die diese Räume nutzen. „Mit dem grundlegenden Ziel des Ecotope, unterschiedliche Communities zusammenzubringen, ist das Hauptgebäude nach dem Serendipitätsprinzip gestaltet.“ 

Das Layout des Gebäudes ist so ausgerichtet, dass möglichst viel Interaktion durch ungeplante Begegnungen entsteht.

3XN, Architekturbüro

Der Begriff Serendipität bezeichnet die zufällige Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich als überraschende Entdeckung erweist. Der Zufall wird also zum Impulsgeber für neue Ideen, und die Architektur soll dabei helfen, diesen Zufall zu fördern und zu kultivieren. „Das Layout des Gebäudes ist so ausgerichtet, dass die unterschiedlichen Nutzergruppen sowohl formell als auch informell aufeinander treffen, sodass möglichst viel Interaktion durch ungeplante Begegnungen entsteht.“

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Der Masterplan sieht Baumaterialien vor, die entweder recycelt oder recycelfähig sind.

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Um möglichst adaptierbar zu bleiben, verfügen die Räume über eine Raumhöhe von 4,5 Meter.

Zirkulär und anpassungsfähig

Für die Zukunftsfähigkeit des Standortes sollen neben der Serendipität und der Biophilie auch noch andere Designprinzipien sorgen: Zirkularität und Nachhaltigkeit. Damit die einzelnen Bauteile rückbaubar sind, setzt man auf zugängliche Bolzen- oder Schraubverbindungen. Temporäre Wände und Schiebetüren sollen eine künftige Anpassungsfähigkeit der Gebäude garantieren.

Das Ziel ist, resiliente Architektur zu schaffen, die den Anforderungen heute und in Zukunft entspricht.

3XN, Architekturbüro

Bei der Wahl der Materialien sieht der Masterplan die Verwendung von recycelten oder recycelfähigen Materialien vor. In diesem Fall besteht die Struktur und die Fassade des Gebäudes großteils aus Holz. Damit es möglichst anpassungsfähig bleibt, hat man sich für eine lichte Raumhöhe von 4,5 Metern entschieden. „Das Ziel ist, resiliente Architektur zu schaffen, die den Anforderungen heute und in Zukunft entspricht“, so heißt es.

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Im Äußeren wie im Inneren dominiert der klimafreundliche Baustoff Holz.

Energieerzeugung dank Grätzel-Zelle

Dass das Gebäude möglichst wenig Energie verbraucht und zugleich möglichst viel vom energetischen Eigenbedarf selbst herstellt, versteht sich heute von selbst. Ein kompaktes Bauvolumen, Photovoltaikpaneele, natürliche Ventilation und Verdunstungskühlung sollen dazu beitragen.

Die Erfindung eines Forschers der Lehranstalt könnte außerdem dazu beitragen, dass die Gebäude möglichst energieautark arbeiten. Gemeint ist die sogenannte Grätzel-Zelle, eine Anwendung aus der Bionik, die Lichtenergie in elektrische Energie umwandelt.

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Die Erschließung des Geländes erfolgt über eine grüne Hauptachse, die Begegnungen fördert.

Anders als bei herkömmlichen Solarzellen sind damit transparente Farbpaneele möglich, die sich als aktive Fassadenelemente einsetzen lassen. Die Erfindung stammt von Michael Grätzel, einem Schweizer Chemiker und Professor an der EPFL. 

Grätzel wurde dafür mit zahlreichen Wissenschaftspreisen geehrt. Der neue Masterplan Ecoptope soll nun dafür sorgen, dass der Bildungsstandort auch architektonisch den Anschluss nicht verpasst.

Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: 3XN

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