Ein Waldspaziergang zum Gate
Der erweiterte US-Flughafen Portland präsentiert sich neuerdings unter einem gigantischen Holzdach, in dem ein eigener Wald wächst. ZGF Architects konnten den Bestand großteils erhalten und mit der Transformation der Lieferkette dem Gemeinwohl dienen.
Warmes Licht dringt durch ein großes ovales Deckenfenster und erzeugt grafische Schattenspiele auf dem Parkettboden, über den Flugreisende ihre Rollkoffer ziehen. Die parametrisch designte Decke besteht aus regionaler Douglasie und schafft ein dreidimensionales Lattenwerk, das sich mal hebt, mal senkt und zu den Oberlichtern hin in einem Schwung öffnet. Aus dem Parkett wachsen echte Bäume empor, an manchen Stellen von runden Staudenbeeten eingefasst. So naturverbunden gibt sich der im August neu eröffnete Portland International Airport (PDX) im US-Bundesstaat Oregon.
Erster US-Flughafen mit Holzdach
Laut dem Büro ZGF Architects mit Sitz in Portland handelt es sich um den ersten großen Flughafen in den USA, der von einem Holzdach überspannt ist. Zusammen mit dem hohen Tageslichteintrag in den Terminals und der intensiven Bepflanzung soll der Eindruck erweckt werden, dass man durch einen Wald spaziert. Denn der viele Wald ist eines der Aushängeschilder von Oregon. Rund die Hälfte des Bundesstaates im Pazifischen Nordwesten ist von Wäldern bedeckt.
Indem wir einen Großteil des bestehenden Terminals erhalten, mit Holz gebaut und bei Stahl und Beton optimiert haben, konnten wir die CO2-Emissionen um 70 Prozent senken.
ZGF Architects
Durch die Kooperation mit Terrapin Bright Green, Spezialisten für nachhaltiges und biophiles Design, und den Landschaftsarchitekten von PLACE sei ein ganzheitliches Konzept entstanden, das jede Ecke des Terminals mit natürlichem Licht und üppigem Grün füllt. Insgesamt hat man über 5.000 Pflanzen und 72 Bäume ins Flughafengebäude gesetzt, von denen viele bis zu sieben Meter hoch sind.
„Die Innenraumumgebung soll den Komfort der Passagiere erhöhen und den Stress reduzieren, den viele Menschen beim Reisen erleben“, heißt es dazu von ZGF. Abgesehen vom Wohlfühleffekt dienen die Pflanzen zudem als Orientierungs- und Leitsystem, das die Passagiere von den Security-Kontrollen bis zu ihrem Abfluggate geleitet.
Transformation mit konstruktivem Holzbau
Auch wenn sich Flughäfen neuerdings sehr biophil geben wie etwa Singapurs Changi Airport mit der weltgrößten Wasserfall-Landschaft unter Dach, so ist der Flughafen von Portland diesbezüglich etwas weiter gedacht. Das Prinzip der Biophilie, also die Verbundenheit des Menschen zur Natur, erstreckt sich in diesem Fall auch auf die Bauweise und die Materialbeschaffung.
So setzte man bei der baulichen Erweiterung auf Holz als Baustoff und transformierte den Bestand im Sinne der Kreislaufwirtschaft: „Anstatt einen komplett neuen Terminal zu bauen haben wir einen Großteil der bestehenden Infrastruktur wiederverwendet, unter anderem auch das Gepäckabfertigungssystem.“
Bestandsbauten unter der Welle vereint
ZGF Architects, die bereits in den 1970er-Jahren mit der ersten Vergrößerung des Flughafens betraut waren, erstellten für die gesamte Anlage einen Masterplan. Dieser verschweißt alle neun Gebäude, die im Laufe der Jahrzehnte hinzukamen, zu einer einzigen, großen Einheit. Die konstruktive Klammer, die alles umspannt, ist das skulpturale Holzdach.
Unter seiner großen Welle wird der Bestand nun konsolidiert und der ökologische Fußabdruck möglichst klein gehalten. „Indem wir einen Großteil des bestehenden Terminals erhalten, mit Holz gebaut und bei Stahl und Beton optimiert haben, konnten wir die CO2-Emissionen um 70 Prozent senken, verglichen mit einem kompletten Neubau des Terminals.“
Das dreieinhalb Hektar große Dach besteht zur Gänze aus Douglasien-Holz und umfasst 24 Meter lange Brettschichtholzträger, eine Dachmembran aus Brettsperrholz und ein Lattenwerk aus Kantholz. Getragen wird es von 34 Y-förmigen Säulen, die mit seismischen Isolationslagern ausgestattet sind, damit sich die Dachkonstruktion im Fall eines Erdbebens seitlich bewegen kann – und das bis zu 60 Zentimeter.
Forest to frame
Bei der Holzbeschaffung hat man die gewohnten Pfade verlassen und ein Prinzip eingeführt, das dem gastronomischen Farm-to-table-Konzept gleicht. Es nennt sich Forest to frame und zielt auf ähnliche Weise darauf ab, eine Wertschöpfungskette zu etablieren, die auch kleine Betriebe und Forstwirtschaften unterstützt, anstatt den Großauftrag nur an die Big Player der Holzbauindustrie zu vergeben.
Wir haben unsere Produkte von kleinen Sägewerken, familienbetriebenen Forstwirtschaften, gemeinnützigen Organisationen und regionalen Stammesnationen bezogen.
ZGF Architects
Für die gesamte Konstruktion galt es erst einmal, über 6.000 Kubikmeter Holz aufzutreiben. Man stellte sich die Frage: „Können wir diese Menge an Holz auf eine Art besorgen, die unseren Wäldern und Gemeinschaften zugute kommt?“ Schließlich entschied man sich dafür, den gesamten Holzbedarf für das riesige Holzdach in der Forstregion Pacific Northwest zu beschaffen, und zwar in einem Umkreis von 300 Meilen, also rund 480 Kilometer.
„Wir haben uns bewusst auf unterrepräsentierte Teile der Lieferkette konzentriert und unsere Produkte, wo immer möglich, von kleinen Sägewerken, familienbetriebenen Forstwirtschaften, gemeinnützigen Organisationen und regionalen Stammesnationen bezogen.“
Beschaffungsmodell für das Gemeinwohl
Ein großer Teil des im Flughafen Portland verbauten Holzes lässt sich damit zu den jeweiligen Wäldern und Betrieben zurückverfolgen, in denen es geerntet und weiterverarbeitet wurde. Ein transparenter Ansatz, der die Vielfalt der regionalen Wirtschaft stärkt und dem Gemeinwohl zugute kommt. „Noch niemals zuvor wurde dies in den USA in so einer Größenordnung umgesetzt“, erklären die Architekten von ZGF und hoffen, dass dieses Beschaffungsmodell zukünftig weitere Verbreitung findet.
Mit seiner weitgespannten, hybriden Holzkonstruktion ist Portland den Schweizer Plänen zuvorgekommen, die für die Erweiterung des Flughafens Zürich ebenfalls auf den Baustoff Holz setzen, und zwar in Form eines spektakulären Raumfachwerks. Mit dem Bestandserhalt und der Demokratisierung der Lieferkette setzt das US-Projekt auf jeden Fall neue Maßstäbe im Bauen.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Ema Peter Photography