40.000 Holzstücke mussten für diesen Gift Shop im National Museum of Qatar zusammengepuzzelt werden. Inspiration für das preisgekrönte Interior-Konzept lieferte ein Naturwunder in der Wüste von Katar.

Mit dem National Museum of Qatar in Doha ließ das Emirat am Persischen Golf sein kulturelles und landschaftliches Erbe von einem Großmeister in Form gießen. Pritzker-Preisträger Jean Nouvel schuf einen avantgardistischen Bau und nahm dafür Anleihen bei der Sandrose. Dieses extravagante Kristallgebilde mit seinen durchkreuzenden Scheiben kommt vor allem in trockenen Wüstengebieten vor. Eine Analogie zur Natur, die Architekt Koichi Takada für das Interior Design des Gift Shops noch weiter vertiefte.

Gift Shop, NMoQ, Koichi Takada
Der Gift Shop im National Museum of Qatar befindet sich in einem tiefen Holz-Canyon.

Höhle des Lichts

Er besuchte die 40 Meter tiefe Höhle Dhal Al Misfir – auf Deutsch: Höhle des Lichts – nahe der Ortschaft Rawdat Rasid. Sie ist eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten, die der Wüstenstaat zu bieten hat. Ihre faserigen Gipskristalle geben einen leicht phosphoreszierenden Schein ab.

„Das Design des Gift Shops verwendet gebogene und übereinander geschichtete Holzprofile und erinnert tatsächlich an eine Wüstenhöhle. Natürliches Tageslicht dringt von oben ein, so wie auch in Dahl Al Misfir“, erklärt das Büro Koichi Takada. „So wie das Gebäude selbst beziehen sich auch die Innenräume auf die Wüstenlandschaft von Katar.“

Ein Holzpuzzle mit 40.000 Teilen

Die Wände des Shops winden sich in geschwungenen Holzformationen nach oben. Ganz so, als stünde man am Grund eines engen Canyons. Verkaufsregale sind in die Rundungen der Wände eingearbeitet, ein Werk präziser Maßarbeit. Durch ein 3D-Modellierungsprogramm konnte die Konstruktion millimetergenau geplant werden.

National Museum of Qatar, Jean Nouvel
Katars neuer Museumsbau von Jean Nouvel ist einer Sandrose nachempfungen.

Die gesamte Holzverkleidung besteht aus 40.000 vorgefertigten Eichenholz-Elementen. Ein Material, das in Katar eher schwer zu finden ist, und daher aus Europa importiert wurde. Das Eichenholz stamme aus nachhaltiger Forstwirtschaft, wie betont wird. Jedes einzelne Teil der Innenfassade ist einmalig in seiner Form und muss bündig in seiner exakt vorgegebenen Position liegen. 

Ein Fall für den Spezialisten, der für die Montage aus Italien hinzugezogen wurde. Der Industrial Designer und Tischler Claudio Devoto fügte das riesengroße Holzpuzzle in Handarbeit zu einem runden Ganzen zusammen. „Die Intensität von Design und Handwerk ist eine Hommage and Jean Nouvels Architektur nach dem Vorbild einer Sandrose“, so die Architekten. 

Architektur mit humanistischen Werten

Das australische Büro Koichi Takada Architects soll neben dem Shop noch eine Reihe weiterer Raumkonzepte im neuen Museum schaffen, darunter auch drei Restaurants. „Jeder Innenraum eröffnet ein Fragment der Geschichte von Katar und soll den Besuchern eine einprägsame kulturelle Erfahrung bieten“, heißt es in der Projektbeschreibung. 

Mit ihrem Interior Konzept erregten die Architekten internationales Aufsehen und holten zahlreiche Preise, darunter den Architizer A+ Award und den Prix Versailles.

Gift Shop, NMoQ, Koichi Takada
Wie bei der Wüstenhöhle Dhal Al Misfir fällt Tageslicht von oben in den Shop.

Für uns heißt es einfach – Form follows nature.

Koichi Takada, Architekt

Das Architekturbüro hat sich der Mission verschrieben, Architektur zu schaffen, die im Einklang mit der Natur steht. „Für uns heißt es einfach – Form follows nature“, so postulieren sie. „Unsere organische Architektur ist von humanistischen Werten durchdrungen. Wir wollen mit unserer Arbeit eine bessere Partnerschaft zwischen den globalen Ökosystemen von Natur und Zivilisation schaffen.“

Europas neues Bauhaus

Die Coronakrise habe nicht zuletzt einen Bewusstseinswandel angestoßen. „Wir leben gesünder und sind der Auffassung, dass das Einbeziehen der Natur der Schlüssel ist.“ Dass sich die Architekten auch dem Bauhaus-Leitsatz „form follows function“ verpflichtet fühlen, zeigt ihr Entwurf Sunflower House

Das CO₂-positive Wohnkonzept ist das Vorzeigeprojekt des European Bauhaus, das von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausgerufen wurde. Wie die Sonnenblume richtet das Haus seine Stromkollektoren nach der Sonne aus. Ein vielversprechender Prototyp für Europas grüne Zukunft.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Tom Ferguson, Koichi Takada Architects, Jean Nouvel, Iwan Baan

Jetzt Newsletter Bestellen <>