Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen. (Bild: Antony Gibbon)
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Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen

Designer Antony Gibbon mag’s unkonventionell. Nach Klippen-Häusern und Wohnkapseln im Baum wartet er nun mit der Vision einer Wohn-Welle auf: „The Twine“ aus Hanfbeton soll das Kunstwerk „Natur“ umrahmen wie ein Meisterwerk.

Der Name steht für „Schnur“. Man kann ihn aber auch mit „Bindfaden“ übersetzen, was fast, aber doch auch nicht so ganz der Intention entspricht. Denn der britische Architekturdesigner Antony Gibbon zieht mit „The Twine“ eine bewusste Grenze zwischen Bauwerk und Natur. Seine Vision einer Wohn-Welle ahmt zwar natürliche Strukturen nach, will sich selbst jedoch gar nicht „verbinden“. Der Entwurf des skulpturalen Gebäudes aus Hanfbeton soll die Landschaft vielmehr zur Schau stellen wie ein Kunstwerk, das Bewunderung verdient.

Spannendes Spiel mit Form und Material

Monumental und weitab von „normal“ sind die Bilder, die der Designer zu seinem jüngsten Projekt präsentiert. Das „Twine“-Haus zieht sich darin wie ein gedrehtes Band durch hügelige Umgebung. Noch ist es nicht mehr als ein Entwurf. Doch Gibbon hofft, es bald realisieren zu können. Eindrucksvoll ist sein architektonisches Spiel mit Form, Struktur und Material in jedem Fall. Und nicht nur das.

Leben in und unter der Wohn-Welle: Antony Gibbons Vision eines aus Hanfbeton geformten Gebäudes. (Bild: Antony Gibbon)
Leben in und unter der Wohn-Welle: Antony Gibbons Vision eines aus Hanfbeton geformten Gebäudes.

Aufs Erste wirken die langgestreckten Wohn-Wellen trotz ihrer verspielten Windung doch recht hart. Sie sehen aus wie eine Betonschleife, die grau und wuchtig in der Landschaft thront. Durch ihre Form bedingt zwar elegant, jedoch eben aus einem Material, das nicht eben an Nachhaltigkeit denken lässt.

Der Umwelt zuliebe: Hanfbeton

Allerdings: Genauere Betrachtung und die Lektüre der Beschreibung lohnen sich. Denn Gibbon hat keineswegs auf umweltschonende Aspekte verzichtet. Nur erschließen diese sich dem freien Auge freilich nicht beim Blick auf den Entwurf. Da sieht das Projekt aus, als wäre es einfach aus Beton – obwohl hier ein ganz anderes, deutlich nachhaltigeres Material zum Einsatz kommt

Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen. (Bild: Antony Gibbon)
Im überdachten Freiraum des „Twine“-Hauses …

Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen. (Bild: Antony Gibbon)
… laden Sitztreppen und Feuerstelle zum Verweilen.

Schließlich will der Architekt, wie erwähnt, die Wände des „Twine“-Hauses aus Hanfbeton errichten. Und dieser hat mit seinem „Namensbruder“ Beton kaum etwas gemein. Der natürliche Verbundwerkstoff besteht vor allem aus dem Leichtholz der Hanfpflanze Cannabis Sativa, Schäben und kalkhaltigem Bindemittel. Weil die Schäben und der Kalk offenporige Struktur aufweisen, hat dieses Material niedrige Wärmeleitfähigkeit. Außerdem kann es viel Feuchtigkeit aus der Luft binden und so für gutes Raumklima sorgen. Als Bauteil vorgefertigt, hat Hanfbeton zwar geringe Druckfestigkeit, ist jedoch formstabil. 

Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen. Geräumig, hell und mit famosen Ausblick: Ein Wohnzimmer in der Wohn-Welle. (Bild: Antony Gibbon)
Geräumig, hell und mit famosen Ausblick: Ein Wohnzimmer in der Wohn-Welle.

Ein ökologisches Plus von Hanfbeton ist etwa auch seine Fähigkeit, das Treibhausgas CO2 zu binden. Je nach Zusammensetzung werden dazu in Studien Werte von 70 kg CO2/m³ bis 307,26 kg CO2/m³ genannt. Diese sind höher als das CO2-Aufkommen bei Herstellung und Transport (rund 50 kg CO2/m³). Damit hat Hanfbeton eine negative CO2-Bilanz.

Kein Zement, viel Sonnenkraft

Auf Zement will Visionär Gibbon verzichten und rund 80 Prozent der CO2-Emissionen vermeiden. Auch an Energiegewinnung aus nachhaltiger Quelle ist gedacht: Oben auf den äußeren Enden der Wohn-Welle ist Platz für Solarpaneele vorgesehen.  

Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen. (Bild: Antony Gibbon)

Die geschwungene Behausung hebt und senkt sich regelmäßig über ihrer steinernen Plattform. Dadurch entstehen Zwischenräume, in denen sich zwei Wohneinheiten befinden. Zwischen diesen inneren Bereichen ergibt die Form zum Teil überdachte Terrassen, die zum Entspannen und Erholen im Freien einladen. Hohe Glasfenster öffnen die Wohnzonen nach außen, wo große Feuerstellen für gemeinsamen Outdoor-Genuss warten.

Erholungszone auf dem Dach

Im Inneren führt eine Wendeltreppe hinauf zum Dach. Dort sollen zentraler Spa-Bereich und Whirlpool den Bewohnern eine erhabene Ruhe-Oase bieten. Für Tageslicht in den Wohnräumen sorgen die meterhohen, bodentiefen Glasfenster und -Türen zwischen den Bögen.

Unkonventionelle Denkansätze

Von Hanfbeton bis Holz: Das Studio Antony Gibbon Designs ist für Aufsehen erregende Ideen bekannt. Im Gegensatz zu seinem viel besprochenen Baumhaus am Stadtrand der legendären US-Stadt Woodstock, harren viele davon bislang noch der Umsetzung. Dies macht sie allerdings keineswegs uninteressant. Denn inspirierend sind die unkonventionellen Entwürfe des Architekturdesigners allemal. 

Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen. Ein weiteres Projekt aus dem Büro Antony Gibbon: „The Verge“. (Bild: Antony Gibbon)
Ein weiteres Projekt aus dem Büro Antony Gibbon: „The Verge“.

Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen. „The Verge“ soll Wohnraum an Klippen schaffen. (Bild: Antony Gibbon)
Das Konstrukt soll Wohnraum an Klippen schaffen.

Da wäre etwa das Projekt „The Verge“, das sich an steile Klippen am Meer oder in den Bergen fügen lässt: Aus Holz oder Beton gebaut, würde es vierstöckige Wohnhäuser ergeben, die wirken, als wären sie vor Ort natürlich gewachsen.

Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen. „The Verge“: Das außergewöhnliche Klippen-Haus wirkt wie natürlich gewachsen (Bild: Antony Gibbon)
Das außergewöhnliche Klippen-Haus wirkt wie natürlich gewachsen …

Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen. „The Verge“ könnte in den Bergen ebenso gebaut werden wie am Meer. (Bild: Antony Gibbon)
… und könnte in den Bergen ebenso gebaut werden wie am Meer.

Ähnliches gilt für Gibbons Wohnkapsel „Embryo“, die sich an Bäume schmiegen soll, ohne deren Wachstum zu behindern. Mit Schindeln an der Außenhaut, Lukentür und schmalem Treppenzugang erinnert dieses Baumhaus an ein Wespennest. Im Inneren zweistöckig, soll es Platz für vier Bewohner schaffen.

Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen. Die Wohnkapsel „Embryo“ soll sich an Bäume schmiegen. (Bild: Antony Gibbon)
Die Wohnkapsel „Embryo“ soll sich an Bäume schmiegen …

Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen. „Embryo“ soll Platz für bis zu vier Bewohner bieten. (Bild: Antony Gibbon)
… und Platz für bis zu vier Bewohner bieten.

Welcher Gedanke hinter den meisten von Antony Gibbons Kreationen steckt, erläutert die Beschreibung des „Embryo“: „Die Idee war, die Art und Weise, wie wir heute leben, neu zu thematisieren“. Das Ziel: Eine ökologischere und einfachere Lebensweise. Eine, die den Verbrauch der Ressourcen unserer Erde bremst.

Ideen für sinnvollere Lebensweise

Mit diesem Ansinnen befindet sich der Architekt inzwischen in bester Gesellschaft. Auch große, berühmte Studios wie Henning Larsen oder MVRDV bemühen sich gezielt um eine Re-Union von Mensch und Natur, klimaneutrale Neubauten und nachwachsende Rohstoffe.  

Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen. The „Embryo“ soll Mensch und Natur einander wieder näher bringen. (Bild: Antony Gibbon)
Mit Baumhäusern, die an Wespennester erinnern, …

Hanfbeton schlägt Wohn-Wellen. Das Baumhaus „Embryo“ ist ein Entwurf aus dem Büro Gibbon. (Bild: Antony Gibbon)
… will der Designer Mensch und Natur einander näher bringen.

„Wir werden immer mehr von unserer natürlichen Umgebung getrennt“, stellt Gibbon fest. „Embryo“ ist Teil einer Reihe von Entwürfen, mit denen der Designer diesem Trend entgegenwirken will. Es gelte, die Gesellschaft auf umweltschonende Art wieder mit den Elementen und mit der Natur zu verbinden.

Ein „Bindfaden“ aus Hanfbeton

Insofern trifft also doch auch der Name der Wohn-Welle aus Hanfbeton den Nagel auf den Kopf: Mit „Twine“, zu deutsch „Bindfaden“, lassen sich Einzelteile miteinander verweben. Auch wenn sie auf den ersten Blick noch klar wie Gegensätze wirken.

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Antony Gibbon Designs

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