Carl nennt sich ein Wohnturm, der derzeit in Pforzheim gebaut wird. Abgesehen von seiner tragenden Konstruktion, besteht auch die Außenfassade des Hochhauses aus Holz. Wie das geht, erklärt Architekt Peter W. Schmidt.

Pforzheim wird auch „Pforte zum Schwarzwald“ genannt. Der Rohstoff Holz liegt hier direkt vor der Haustüre. Während in anderen Regionen der Erde die Wälder verschwinden, nehmen die Waldflächen in Mitteleuropa, so auch in Deutschland, insgesamt zu. Das liegt daran, dass hier bereits seit Jahrhunderten nachhaltige Forstwirtschaft betrieben wird. Wie die Baugenossenschaft Arlinger vorrechnet, wächst die Holzmenge, die für ihr Hochhausprojekt Carl benötigt wird, deutschlandweit in weniger als fünf Minuten nach.

Carl, Holz-Hochhaus, Pforzheim
Die Holzmenge für Hochhaus Carl wächst deutschlandweit in weniger als fünf Minuten nach.

Holzbau-Offensive im Schwarzwald

Um den modernen und klimafreundlichen Holzbau voranzutreiben, startete das Bundesland Baden-Württemberg vor ein paar Jahren eine Holzbau-Offensive und lobt jährlich den Holzbaupreis Baden-Württemberg aus. Seit einer Novellierung der Landesbauordnung 2014 sind hier Holzbau-Projekte bis zur Hochhausgrenze möglich. Während das Bauen mit Holz bei Einfamilienhäusern nichts Neues mehr ist, betritt man bei sogenannten Woodscrapern, also Hochhäusern in Holzbauweise, allerdings Neuland.

Die regionale Geschichte und Affinität zum Material Holz rücken wieder in den Mittelpunkt.

Peter W. Schmidt, Architekt

Die Bauherren im Pforzheimer Stadtteil Arlinger arbeiten daher mit einem Ingenieur-Holzbau-Spezialisten aus dem Bregenzerwald zusammen. Bei speziellen Problemstellungen lassen sie sich zusätzlich von einem Forschungsinstitut beraten. Geplant wurde das 38 Meter hohe Wohnhaus von Architekt Peter W. Schmidt, der die regionale Bedeutung des Projektes hervorhebt: „Die regionale Geschichte und Affinität zum Material Holz rücken wieder in den Mittelpunkt, zugleich wird ein nachhaltiger Impuls gegen die Wohnungsnot gesetzt.“

Ein High-Tech-Baumaterial

Das Holz, das zum Bau von Hochhäusern verwendet wird, ist ein verdichtetes High-Tech-Baumaterial. Es steht der herkömmlichen Bauweise in Beton und Stahl in nichts nach. Entsprechende Holzbau-Elemente verfügen über eine hohe Tragkraft bei zugleich geringem Eigengewicht.

Laugengang, Carl, Holz-Hybrid, Pforzheim
Die tragende Konstruktion und die Außenfassade des Holz-Hybrid-Baus ist in Holz geplant.

Wie bereits durch zahlreiche Brandschutztests bestätigt wurde, hat dieses moderne Bauholz sehr gute Brandschutzwerte. Entscheidend dabei ist, dass die Tragfähigkeit bei Feuer erhalten bleibt, und die Bewohner genug Zeit haben, das Gebäude zu verlassen.

Außenfassade aus Holz

Carl wird zu mehr als 80 Prozent aus Holz bestehen, insgesamt sollen rund 2.000 Kubikmeter heimisches Holz verbaut werden. Das Hochhaus mit 14 Stockwerken ist ein sogenannter Holz-Hybrid-Bau, das heißt, dass zur Aussteifung auch Beton verwendet wird. In den meisten Fällen, so auch hier, besteht der Treppenhauskern aus Stahlbeton. 

Neben der tragenden Konstruktion wird auch die Außenfassade aus Holz bestehen, was unter den Holz-Hochhäusern eine Besonderheit ist. Um sie vor Witterung zu schützen, kragt jede Geschossdecke über die Fassade aus. „Dank einer auskragenden, ein Meter breiten Krempe, die einen Brandüberschlag verhindern soll, kann auch die äußere Verschalung aus Holz sein“, erklärt der Architekt.

Energieeffizient und nachhaltig

Dass die Dämmeigenschaften von Holz ebenfalls sehr gut sind, weiß man schon lange. Das Hochhaus Carl, das nach dem Arlinger-Gründer Carl Hölzle benannt ist, wird ein Energieeffizienz-Haus nach dem KfW-Standard 55 werden. Die Kennzahl gibt an, dass lediglich 55 Prozent der Energie eines konventionellen, vergleichbaren Gebäudes benötigt werden. Zum Nachhaltigkeitskonzept zählen zudem Tiefgaragenstellplätze mit Ladestationen für Elektroautos. Eine Photovoltaikanlage am Dach des Hauses wird die künftigen Mieter mit grünem Strom versorgen.

Terrasse, Carl, Holz-Hybrid, Pforzheim
Der Ausblick von den oberen Etagen fällt auf den Stadtteil Arlinger und den angrenzenden Schwarzwald.

Neben dem 14-stöckigen Hochhaus Carl gehören noch zwei weitere Gebäudeteile mit vier und sechs Geschossen zur geplanten Anlage. Insgesamt schafft die Baugenossenschaft Arlinger mit den Neubauten 73 Wohnungen mit einer Gesamtfläche von über 5.300 Quadratmeter. Auch eine Kindertagesstätte und eine Bäckerei mit angeschlossenem Café wird es hier geben. „Carl samt den benachbarten, zum Ensemble gehörenden Baukörpern, wird dank seiner Ästhetik überzeugen und den Stadteingang als Landmarke kennzeichnen“, lobt die Baugenossenschaft auch die äußeren Vorzüge von Carl.

Zweithöchstes Holz-Hochhaus Deutschlands

Der erste Spatenstich für das Holzbau-Projekt fand im November 2021 statt. Zwischen Februar und Oktober 2022 sollen die vorgefertigten Holzbau-Elemente vollständig montiert werden. Die Fertigstellung von Carl ist für November 2023 geplant. Im selben Jahr soll auch der 65 Meter hohe Wohn-Turm Roots in Hamburg fertig sein. Das Rennen um den Titel „höchstes Holz-Hochhaus Deutschlands“ wird damit wohl an den norddeutschen Rivalen gehen, der Carl um 27 Meter überragen wird.

Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: PWS Architekten

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