Der Impact Hub Berlin ist ein Community- und Co-Working-Space, der das kreislauffähige Bauen von der Theorie in die Praxis gebracht hat. LXSY Architekten setzten einen Holzbau in eine alte Lagerhalle und bauten ihn mit großteils recycelten Baustoffen aus.

Die roten MDF-Platten und Ziegelsteine der Rezeption stammen von einer anderen Baustelle und markieren mit ihrer Farbgebung einen von mehreren Treffpunkten im Co-Working-Komplex. Die Holzlatten der Telefonboxen sind allesamt Reste, die aus unterschiedlichen Tischlereien stammen. Die zugehörigen Filzpaneele, die den Schall dämmen, sind recycelt. Ebenso die grauen Polstermöbel im Obergeschoss, die von einer Räumung in Charlottenburg stammen. Für den Loungebereich wurden sie zerlegt und mit gelben Polstermöbeln zu einer neuen mobiliaren Einheit verschraubt. 

Meeting Booth, Impact Hub Berlin, Co-Working und Community Space, LXSY Architekten
Beton, OSB-Platten, Strohpaneele, und ein harmonisches Konzept der Materialvielfalt findet sich im Impact Hub Berlin.

Material mit Geschichte

Fast alles im neuen Impact Hub Berlin kann mit einer eigenen Geschichte aufwarten. Die schwarzen MDF-Platten mit einer besonders illustren: Sie stammen aus der Kunst-Schau der Boros Foundation, die während der Pandemie im legendären Berliner Club Berghain lief. Hier leben sie ihr zweites Leben als Schranktüren und Wandpaneele. 

Rund 70% der verwendeten Materialien und Produkte sind recycelt oder nachhaltig.

Kim Le Roux und Margit Sichrovsky, LXSY Architekten

Der 2022 eröffnete Co-Working- und Community-Space befindet sich in einer ehemaligen Lagerhalle der alten Berliner Kindl-Brauerei im Stadtteil Neukölln. Die einstige Industriebrache durchläuft seit 2016 einen gemeinnützigen Transformationsprozess. Im Zuge dessen entstand auch das Circular Economy House (CRCLR-House), das der genossenschaftliche Projektentwickler TRNSFRM baulich ertüchtigte. 

Ausbauraster, Impact Hub Berlin, Co-Working und Community Space, LXSY Architekten
Ein Ausbauraster von 62,5 Zentimeter ermöglichte den Einsatz von kleinen Zuschnitten und Resten.

Den Innenausbau lieferte das Team von LXSY Architekten unter der Führung der Architektinnen Kim Le Roux und Margit Sichrovsky. Mit dem Impact Hub Berlin haben sie „Europas größten nachhaltigen Co-Working-Space“ geschaffen, der nach zirkulären Maßstäben errichtet wurde. Konkret heißt es in der Projektbeschreibung: „Rund 70% der verwendeten Materialien und Produkte sind recycelt oder nachhaltig.“

Kein Second-Hand-Look

Dass dabei trotzdem ein hochwertiges und homogenes Interior-Design herauskommt, haben die Re-Use-Spezialisten mit dem Projekt einwandfrei bewiesen. „Mit dem Vorurteil eines Second-Hand-Designs oder der Vorstellung von minderwertigen Materialien soll im Hinblick auf die Ästhetik des zirkulären Gebäudes bewusst aufgeräumt werden“, so das Statement der Architekten.

Mit dem Vorurteil eines Second-Hand-Designs oder der Vorstellung von minderwertigen Materialien soll im Hinblick auf die Ästhetik des zirkulären Gebäudes bewusst aufgeräumt werden.

Kim Le Roux und Margit Sichrovsky, LXSY Architekten

Nicht umsonst wurde das Projekt mehrfach ausgezeichnet und aktuell für den DAM Preis 2024 nominiert. Für den Vorgänger-Standort des Impact Hub Berlin, für den LXSY Architekten ebenfalls den Innenausbau lieferten, erhielten sie den German Design Award 2017.

Rezeption, Impact Hub Berlin, Co-Working und Community Space, LXSY Architekten
Treffpunkte sind in rot gehalten, wie etwa die Rezeption, die aus roten Ziegeln und MDF-Platten besteht..

Loungebereich, Impact Hub Berlin, Co-Working und Community Space, LXSY Architekten
Graue Sofas aus einer Räumung wurden mit gelben Sitzflächen zu einem neuen Möbel verschraubt.

Das Wiederverwenden von Bauteilen und Materialien erfordere laut Architektinnen eine gute Organisation, sei aber insgesamt nicht mehr Aufwand als die sonst auch notwendige Abstimmung mit passenden Herstellern. Was sich aber bei einem zirkulären Projekt dieser Art sehr wohl ändere sei der Design-Prozess, der sich klar von klassischen Planungsabläufen in der Architektur unterscheidet. 

Design by availability 

Statt konkrete Materialien für Wände, Türen und andere Bauteile auszuwählen, erstellten sie Leitbilder für deren generelle Beschaffenheit – etwa, ob es sich um blickdichte, lichtdurchlässige oder transparente Materialien handle. Anschließend machten sie sich daran, die entsprechenden Materialien zu finden und in Baustellennähe zwischenzulagern. „Design by availability“, also „Design nach Verfügbarkeit“ nennt sich das Konzept.

Co-Working Space, Impact Hub Berlin, Co-Working und Community Space, LXSY Architekten
Durch den Einbau einer Galerie aus Holz gliedert sich der Komplex in zwei Ebenen.

Ein Netzwerk an lokalen Abriss- und Räumungsfirmen half ihnen beim Aufspüren von wiederverwertbaren Baustoffen, während ein Umzugsunternehmen für sie regelmäßig die Tischlereien der Stadt nach Holzresten abklapperte. Zudem arbeiteten sie mit Unternehmen zusammen, die auf die Vermittlung alter Bauteile spezialisiert sind, wie Trash Galore aus Leipzig oder Concular, das selbst im Impact Hub Berlin seinen Firmensitz hat. 

Vom Einbau zum Rückbau

Um auch kleinere Materialreste verwerten zu können, entwickelte das Team ein Trockenbausystem, das auf dem klassischen Holzbauraster von 62,5 Zentimeter beruht. Dennoch wirken die unterschiedlichen Wandpaneele einer Meeting-Booth alles andere als zufällig zusammengewürfelt. Holz-, schwarze MDF-Platten und Filzpaneele wechseln einander ab und bilden ein stimmiges Gesamtkonzept.

Meeting Booth, Impact Hub Berlin, Co-Working und Community Space, LXSY Architekten
Die Materialvielfalt ist symptomatisch für das zirkuläre Bauen.

Um der Historie des Ortes gerecht zu werden, bleibt der industrielle Charakter des Bestands weiterhin bewusst erlebbar.

Kim Le Roux und Margit Sichrovsky, LXSY Architekten

Beim zirkulären Bauen geht es nicht nur darum, Baustoffe zu recyceln, der gesamte Lebenszyklus eines Materials wird möglichst bis an sein Ende weitergedacht. „Beim Innenausbau kommen kreislauffähige Materialien, rückbaufähige und sortenreine Konstruktionen und einfache Standards zum Einsatz. Mit Hilfe von Produkt- und Materialpässen können die eingesetzten Elemente nach dem Ausbau für eine neue Nutzung wiederverwendet werden“, so die Architektinnen.

New Work mit Industrie-Atmosphäre

Die etwas raue Architektur der ehemaligen Lagerhalle sollte auch nach dem Ausbau noch spürbar sein. Das vorhandene Raster aus Betonstützen lieferte die Matrix für die neue raumgebende Struktur, die auf dem Haus-im-Haus-Prinzip basiert. Durch den Einbau einer Galerie aus Holz gliedert sich der Komplex in zwei Ebenen und bietet spannende Aus- und Durchblicke. „Um der Historie des Ortes gerecht zu werden, bleibt der industrielle Charakter des Bestands weiterhin bewusst erlebbar.“

Dass sich das post-pandemische Arbeitsklima mit jeder Menge New-Work-Vibes im Raumkonzept widerspiegelt, versteht sich von selbst. Im Spiel zwischen Kommunikation und Rückzug gliedern sich die Büroflächen in abwechslungsreiche Arbeitslandschaften, durchwachsen mit Bewegungszonen, Telefonboxen und Schlafnischen für den regenerativen Mittagsschlaf.

Kiezbett, Impact Hub Berlin, Co-Working und Community Space, LXSY Architekten
Durch eine zufällige Begegnung entstanden: Das regional produzierte Kiezbett.

Von der Schlafnische zum Kiezbett

Dabei soll vor allem auch das zufällige Zusammentreffen gefördert werden, aus dem oft neue Ideen hervorgehen. Im Fachjargon nennt man das „Serendipity moment“, der vielen bekannten Entdeckungen vorausgegangen ist, wie etwa der Entdeckung der Röntgenstrahlen oder des Penicillins. Auf diese zufällige Weise sei auch das Kiezbett entstanden, das von regionalen Kleinbetrieben nachhaltig und ressourcenschonend produziert und mit dem Cargo-Bike ausgeliefert wird.

Ob Bett oder Innenarchitektur – anstatt viel über zirkuläre Wirtschaft zu reden, legen LXSY Architekten lieber los und tun es einfach – nämlich: „Ein kleines Stück die Welt verändern.“

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Studio Bowie, Joris van Velzen

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