Kautokeino Skole, Ola Roald Arkitekter
#greenbuilding

Schule mit Hygge-Faktor

Die Kautokeino skole im nördlichen Norwegen ist ein Projekt, das der Einzigartigkeit der samischen Kultur und Pädagogik gerecht werden soll. Der geplante Massivholzbau ist so hygge, dass man am liebsten für ein paar Nächte einchecken möchte.

Durch das viele helle Holz wirkt die große Halle sehr einladend und gemütlich. Rund um eine offene Feuerstelle sitzen Kinder auf Bänken, die mit Rentierfellen bedeckt sind. Hoch oben an der Decke erinnert ein rundes Oberlicht an die Öffnung in der Kote oder Gamme, den traditionellen Behausungen der Samen. Die Visualisierungen der neuen samischen Schule von Kautokeino zeigen eine Aula, die genauso gut als Lobby eines modernen Öko-Resorts durchgehen könnte. Das norwegische Architekturbüro Ola Roald Arkitektur zeigt mit seinem Entwurf, welchen Beitrag Architektur zur kulturellen Identitätsstiftung leisten kann. Und dass eine Schule genauso hygge sein kann wie ein Hotel.

Die Wiederentdeckung alten Wissens

„Guovdageainnu skuvla“ steht in großen Lettern beim Eingang, auf dem Nebengebäude der neuen Schule, in dem das Schwimmbad untergebracht ist. Unter der samischen Bezeichnung steht, in kleineren Lettern, der Name der Schule in Norwegisch: Kautokeino skole. Das war nicht immer so. Die Samen wurden, ebenso wie unzählige andere indigene Völker, über Jahrhunderte kolonialisiert und christianisiert. Vielerorts gibt es Bestrebungen, die Fehler der kolonialen Unterdrückung rückgängig zu machen. So hat das Volk der Samen im nördlichen Norwegen heute seine eigene Universität, eigene Schulen, in denen die samischen Sprachen unterrichtet werden, und sein eigenes Parlament.

Außenbereich, Kautokeino Skole, Ola Roald Arkitekter
Der kreisförmige Außenbereich der Kautokeino skole ist der zentrale Dreh- und Angelpunkt der Schule.

Im Kampf gegen den Klimawandel rückt das Wissen indigener Völker immer mehr in den Vordergrund. Schließlich war ein Leben im Einklang mit der Natur schon immer Teil ihres kulturellen Selbstverständnisses. Das Prinzip „Cradle-to-Cradle“ wird heute als moderner Geniestreich auf dem Weg zur Klimawende gehandelt. Ein Konzept, nach dem Indigene wie die Samen von jeher lebten. Ihre Kotten (Zelte) und Gammen (Lehmhütten) bestehen aus Zero-Kilometre-Baumaterial, als Klimatisierung fungieren die begrünten Wände. Alles, was heute klimatechnischen Fortschritt beschreibt, ist im Grunde altes Wissen der Urvölker, die früher als rückschrittlich gebrandmarkt wurden.

Ökologisches Vorzeigeprojekt

Dass die neue Volks- und Hauptschule in der Gemeinde Kautokeino ein Vorzeigeprojekt in Sachen ökologischen Bauens ist, steht daher ganz im Einklang mit der samischen Kultur. Während das Volk in Norwegen heute eine Minderheit ist, bilden die Samen in Kautokeino den Großteil der Bevölkerung. Sie leben auch heute noch hauptsächlich von der traditionellen Rentierzucht. Ihre interessante Kultur und die beeindruckenden Nordlichter machen die Gegend immer mehr auch zum touristischen Anziehungspunkt.

Alles, was Beton kann, kann Holz genauso gut, und das mit einem weitaus besseren ökologischen Fußabdruck.

Milica Nikolic, ACE Arheget

Abgesehen vom Hallenbad und den Stützwänden wird die neue Schule zur Gänze aus Massivholz gebaut. Für die Gesamtfläche von 5.000 Quadratmetern haben die Ingenieure von ACE Arheget eine Holzmenge von 2.100 Kubikmeter veranschlagt. Der Holzbauspezialist mit Sitz in Belgrad ist für die bautechnische Umsetzung verantwortlich und berechnet die Konstruktion und die Stärke von Brettsperrholz-Paneelen (CLT) und Leimbindern (GL).

„Alles, was Beton kann, kann Holz genauso gut, und das mit einem weitaus besseren ökologischen Fußabdruck“, erklärt Milica Nikolic von ACE – Arheget die Vorteile des modernen Holzbaus. Ein Blick in das Portfolio der Firma mit zahlreichen internationalen Großprojekten zeigt, dass der Holzbau langsam aber sicher aus seiner Nische herauskommt. Jetzt sei die Zeit zu handeln, ist die Leiterin von ACE Business Development überzeugt. „Der Holzbau alleine kann zwar den Klimawandel nicht stoppen, aber wenn wir die Kräfte in allen Industriezweigen gemeinsam bündeln, dann können wir es schaffen.“

Eingang, Kautokeino skole, Ola Roald Arkitekter
Die samische Volks- und Hauptschule im nördlichen Norwegen wird in Holzbauweise errichtet.

Samische Pädagogik

Die Kautokeino Schule hat nicht nur ihre eigene Unterrichtssprache, sondern auch ihre eigene Pädagogik. Das erfahrungsbasierte Lernen der Samen unterscheidet sich grundlegend vom textbasierten Schulwesen der westlichen Kultur und wird heute auf Universitätsniveau gelehrt. Diese spezielle Unterrichtsform hatte auch Einfluss auf das architektonische Konzept.

In der Kultur der Samen ist ein kreativer, unmittelbarer und praktischer Zugang zu den Dingen verankert, der sich auch im Entwurf widerspiegelt.

Einar Bjarki Malmquist, Ola Roald Arkitekter

„Das Projekt ist sehr herausfordernd, auf eine gute Art“, erklärt Architekt Einar Bjarki Malmquist vom Osloer Büro Ola Roald. Sein kultureller und funktioneller Ansatz sei anders als bei anderen Schulprojekten, die sie planen und bauen. „In der Kultur der Samen ist ein kreativer, unmittelbarer und praktischer Zugang zu den Dingen verankert, der sich auch im Entwurf widerspiegelt.“

Ein kreisförmiger Außenraum verbindet die unterschiedlichen Bereiche inner- und außerhalb der Schule miteinander. Von hier aus besteht ein direkter Zugang zur Aula der Schule und den Werkräumen. Um die Kultur der Samen weiter zu festigen, wurde eine eigene Naturschule in die Bildungseinrichtung integriert. Abgesehen vom positiven Raumklima, das der Baustoff Holz schafft, entspreche es auch der samischen Kultur, denn, so Malmquist: „Für ein kreatives Mindset bietet Holz schier unendliche Möglichkeiten.“

Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: Ola Roald Arkitekter

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