Kempegowda International Airport, Skidmore, Owings & Merrill, Enter Projects Asia, Bambus, Indien, Bangalore
#greenbuilding

Abheben im Garten-Terminal

Mit dem neuen Terminal 2 am Kempegowda International Airport in Bangalore zeigt Indien der Welt, wie man einen Flughafen nachhaltig und naturnah gestaltet. Mit Materialeffizienz, erneuerbaren Rohstoffen und 600.000 Pflanzen.

Wir kennen Flughäfen als Orte, die laut, rastlos und steril sind. Die Materialien, die einen vom Check-in bis zum Gate begleiten, sind meist eine Kombination aus Stahl, Beton und Glas. Hat man diese Dreifaltigkeit der Baustoffe bei anderen Typologien längst aufgebrochen, so scheint sie sich bei Flughäfen länger zu halten. Jüngste Beispiele wie etwa der US-Flughafen Portland zeigen eindrucksvoll, wie Infrastrukturbauten des Luftverkehrs zu naturnahen Orten mit Erholungswert mutieren können – in diesem Fall dank Holzbau und biophilem Design.
Ein weiteres Beispiel für dieses Umdenken bekommt man jetzt auch am Flughafen der indischen Metropole Bangalore zu sehen.

Kempegowda International Airport, Skidmore, Owings & Merrill, Enter Projects Asia, Bambus, Indien, Bangalore
In den lichtdurchfluteten Hallen dominiert der Werkstoff Bambus.

Der neu eröffnete Terminal 2 des Kempegowda International Airport nach den Plänen von Skidmore, Owings & Merrill und Enter Projects Asia trägt nicht umsonst den Beinamen „Terminal in a Garden“.

11 Gates, 600.000 Pflanzen 

„Wir haben Jahrzehnte damit zugebracht, Flughäfen völlig falsch zu denken. Indien hat der Welt gerade gezeigt, wie es richtig geht – mit Pflanzen, nicht mit mehr Beton“, sagt Moein Nodehi, Experte für naturbasiertes Design. Er nennt den neuen Terminal in Indiens Millionenstadt Bangalore als internationales Vorzeigeprojekt einer umweltverträglichen und menschenzentrierten Architektur. Die Anlage bietet auf einer Fläche von 255.000 Quadratmetern 11 zusätzliche Gates und ein gänzlich neues Erlebnis für Besucher und Fluggäste. 

Kempegowda International Airport, Skidmore, Owings & Merrill, Enter Projects Asia, Bambus, Indien, Bangalore
Bepflanzte Wände regulieren das Raumklima und sorgen für natürliche Kühlung.

600.000 Pflanzen wachsen an den grünen Wänden, hängen von den Rauminstallationen und bilden im Außenbereich üppige tropische Gärten. Sie sind ein Verweis auf die Metropole Bangalore, die nicht nur als Zentrum der indischen Hightech-Industrie, sondern auch als Gartenstadt bekannt ist. „Die Pflanzen sehen nicht nur gut aus, sie helfen auch dabei, die Luft zu filtern, das Gebäude zu kühlen und sogar die Menschen ruhiger und glücklicher zu machen“, so Nodehi, der sich mit seinem Architekturstudio Biotonomy der Errichtung autarker Gebäude verschrieben hat.

Im gesamten Komplex sorgen Bepflanzungen, Außengärten und natürliche Materialien dafür, dass sich die Natur mit dem Erlebnis der Reisenden verknüpft.

Skidmore, Owings & Merrill, Enter Projects Asia

Im Außenbereich des Terminals schlängeln sich Pfade durch den sogenannten Waldgürtel, der die einzelnen Gebäudeteile zu einer Einheit verbindet, und queren hie und da kleine Brücken. Auf diese Weise entstehen Oasen und Ruheplätze abseits des geschäftigen Treibens, wie es in einem hochfrequentierten internationalen Flughafen herrscht.

Kempegowda International Airport, Skidmore, Owings & Merrill, Enter Projects Asia, Bambus, Indien, Bangalore
Flechtwerke aus Bambus schaffen organische Formen und stellen neben den vielen Pflanzen einen Bezug zur Natur her.

„Im gesamten Komplex sorgen Bepflanzungen, Außengärten und natürliche Materialien dafür, dass sich die Natur mit dem Erlebnis der Reisenden verknüpft“, heißt es in der Projektbeschreibung der beiden ausführenden Büros.

Flechtwerke aus Bambus

Im Inneren treffen die Flugpassagiere auf skulpturale Flechtwerke aus Bambus. Entweder in Form von Pflanzenampeln, die von den Decken hängen, oder als raumfüllende Pavillons, die eine leichtfüßige Zonierung in den großen Hallen schaffen. Diese organischen Strukturen sind am traditionellen indischen Flechthandwerk angelehnt und wurden direkt vor Ort gefertigt. 

Etwas, das so offensichtlich von Hand gemacht ist, sorgt in diesem Setting für einen Überraschungsmoment und verleiht den Räumen einen warmen, wohnlichen Charakter. Dazu trägt auch das Licht bei, das über Deckenöffnungen ins Innere dringt und durch ein Gitterwerk aus Bambus gefiltert wird.

Kempegowda International Airport, Skidmore, Owings & Merrill, Enter Projects Asia, Bambus, Indien, Bangalore
Der neue Terminal 2 vasiert auf einer orthogonalen Struktur in hybrider Bauweise mit großen, Schatten spendenden Dachüberständen.

Effizienz und Modularität

Im Gegensatz zu den häufig geschwungenen Dachformen von Flughäfen, basiert der neue Terminal 2 auf einer orthogonalen Struktur in hybrider Bauweise mit großen, Schatten spendenden Dachüberständen.

Das Ergebnis ist eines der leichtesten Terminaldächer dieser Größenordnung weltweit, das zur Gänze aus heimisch produzierten Materialien und mit lokaler Bautechnologie errichtet wurde.

Skidmore, Owings & Merrill, Enter Projects Asia

Jede der tragenden Säulen besteht aus vier Stahlelementen, die mit Bambus verkleidet sind. Für die nötige Wirtschaftlichkeit des Gebäudes sorge die Modularität des einheitlichen Stützenrasters. Dadurch könne man auf Veränderungen in der schnelllebigen Luftfahrtbranche mit größtmöglicher Flexibilität reagieren.

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Die Modularität des einheitlichen Stützenrasters erlaubt es, auf Veränderungen mit größtmöglicher Flexibilität zu reagieren.

Ein Hauptziel des Entwurfs sei es gewesen, eine Konstruktion zu finden, die sich möglichst effizient und ressourcenschonend umsetzen lässt. Das Dach über den Check-in- und Verkaufshallen besteht aus weitgespannten Stahlrahmen, die von Stahlstützen im Abstand von 18 Metern getragen werden. „Das Ergebnis ist eines der leichtesten Terminaldächer dieser Größenordnung weltweit, das zur Gänze aus heimisch produzierten Materialien und mit lokaler Bautechnologie errichtet wurde“, heißt es vonseiten der Planerinnen und Planer.

Ausgezeichnet für nachhaltiges Bauen

Abgesehen von der Materialeffizienz hat man vor allem auch auf erneuerbare Materialien und einen nachhaltigen Betrieb gesetzt. Der gesamte Terminal wird zur Gänze mit erneuerbarer Energie betrieben. 

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Am neuen Terminal treffen die Fluggäste auf üppige Gärten und Wasserfälle.

Bei all den Pflanzen, die im und um das Gebäude wachsen, sei zudem nicht mehr Wasser nötig, als am Flughafengelände in Form von Regenwasser anfällt. Das überschüssige Wasser werde aufbereitet und wiederverwendet.

Damit zeigt die Erweiterung des Kempegowda International Airport, dass das nachhaltige Bauen und der bewusste Umgang mit Ressourcen auch im großen Maßstab funktioniert. Nicht umsonst ist es das größte Terminalgebäude der Welt, das mit dem Platin-Siegel des LEED-Standards und des IGBC (Indian Green Building Council) vorzertifiziert wurde.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Hufton + Crow, Ar. Ekansh Goel / Studio Recall

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