Natürlich wird gelernt
Schule zwischen Wald und Klassenzimmer: Was nach abgeschiedenem Landleben klingt, wird für Kinder in der Großstadt zur Realität. Henning Larsen Architects setzt mit der Mittelschule Lauvåsen im norwegischen Kristiansand ein Projekt um, bei dem einzelne Orte für Lernen, Bewegung und Entspannung zu einem ganzheitlichen Erlebnisraum verschmelzen.
Für norwegische Kinder beginnt der Ernst des (Schul-)Lebens erst so richtig mit 13. Üblicherweise wechseln sie in diesem Alter von der barneskole, der Grundschule (wörtlich: Kinderschule), in die ungdomsskole, die Jugend- bzw. Mittelschule. Dort werden sie erstmals nach dem Notensystem beurteilt, müssen sich für eine lebende Fremdsprache sowie ein Wahlfach entscheiden und bereiten sich in insgesamt drei Jahren auf den Besuch der weiterführenden videregående skole oder aufs Berufsleben vor. Die ungdomsskole ist somit ein Ort, der das Leben der Norwegerinnen und Norweger entscheidend prägen kann.
Einen ebensolchen Ort so zu gestalten, dass er seiner Bedeutung gerecht wird, das hat sich das Team von Henning Larsen Architects in Kristiansand zur Aufgabe gemacht. Am Rande der Stadt setzt das dänische Studio mit der Mittelschule Lauvåsen ein Projekt um, das nicht nur aufgrund seines Standorts inmitten malerischer Wälder im wahrsten Sinne ganz nah an der Natur ist. „Das Gebäude spiegelt die Umwelt der Umgebung wider“, so das Studio.
Wald trifft Wissensraum
Die ungdomsskole wird in der Hauptstadt des Sørlandet das neue Bildungszentrum für die Schulstufen 8 bis 10. Herzstück des Projekts für 385 Kinder und Jugendliche ist das Zusammenspiel aus Gebäude und Gelände. Nur acht Prozent der Fläche werden bebaut – der Großteil bleibt unversiegelt und begrünt. Holz dominiert – sowohl in tragender Struktur als Brettschichtholz-Konstruktion, als auch in den Innenbereichen. Das rund 6.500 Quadratmeter große Gebäude fügt sich zudem mit seiner niedrigen, horizontal ausgerichteten Form harmonisch in die umliegenden Hügel ein. Der Dachverlauf greift deren Topografie auf und wird mit lokal wachsenden Pflanzen begrünt – inklusive Regenwasser-Management. Durch diese Elemente fungiert das Bauwerk selbst als Teil des Wasserkreislaufs und fördert Biodiversität direkt vor Ort.
Hier verschmelzen Lernen, Bewegung und Entspannung zu einem ganzheitlichen Erlebnisraum.
Henning Larsen Architects
Schule soll laut den Verantwortlichen hier viel mehr sein als Unterricht – sie wird zum Erlebnis. Innenräume öffnen sich zu Außenbereichen, und Lernprozesse verschieben sich zum Teil ins Freie. Die Architektur unterstützt vielfältige Lernformen: Gruppenarbeit auf der Wiese, Rückzugsorte im Dickicht, offene Pausenbereiche unter Laubdach. Kurz: Eine Lernlandschaft, die alle Sinne fördert und Gemeinschaft stärkt.
Architektur als Bindeglied
Neben dem Schulgebäude errichtet man eine Sporthalle sowie ein großes Fußballfeld. Das gesamte, knapp 75.500 Quadratmeter große Schulgelände soll nach Fertigstellung auch der Bevölkerung offen stehen. So kann diese das Areal der Mittelschule Lauvåsen unter anderem für Discgolf, zum Langlaufen, Basketballspielen oder für Tischfußballspiele nutzen.
Unter der Sporthalle ermöglicht eine Parkgarage die Anreise mittels Kfz. Darüber hinaus führt ein Fußweg direkt zum angrenzenden Wanderpark. Weitere Wege verbinden – vorbei an Bäumen und Feuchtbiotopen – Schulhof, Sporthalle und Fußballplatz mit dem umliegenden Wald. „So verschmelzen Lernen, Bewegung und Entspannung zu einem ganzheitlichen Erlebnisraum“, wie Henning Larsen erklärt. „Die Gestaltung bringt die Natur auf den Schulhof und erweitert sie gleichzeitig. Einerseits werden Bereiche zum Spielen und als Rückzugsorte geschaffen. Andererseits entsteht ein Ort, an dem sich Schüler, Anrainer sowie die Artenvielfalt gemeinsam entfalten können.“
Nachhaltigkeit mit System
Ganz bewusst bleibt das sensible Feuchtgebiet, in dem die Schule errichtet wird, erhalten – nahezu sämtliches Kohlendioxid, das in der Vegetation gebunden ist (etwa 388 kg CO₂e/m²), gleicht die Klimabilanz der Holzbauweise aus (ca. 400 kg CO₂e/m² für die Konstruktion). Die Schule wird so zu einem lebendigen Beispiel für klimagerechtes Bauen. Das Projekt wird zudem nach dem Umweltstandard BREEAM-NOR zertifiziert. Es wurde ein Ziel von 72,5 % Punkteerreichung festgelegt – ein sehr ambitioniertes und hohes Niveau innerhalb dieses Standards.
Die Kosten für die neue Schule beziffert die Kommune Kristiansand mit rund 422 Millionen Norwegischen Kronen, umgerechnet um die 35,8 Millionen Euro.
Baubeginn war im Juni 2025. Können die Verantwortlichen den Zeitplan einhalten, eröffnen sie die Lauvåsen Mittelschule im Herbst 2027. Und Kristiansand erhält dann eine hochmoderne, nachhaltige und pädagogisch durchdachte Bildungseinrichtung.
Text: Michi Reichelt
Bilder: Vivid Vision