Naturkundemuseum in Holz und Wald (Bild: BIG)
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Naturkundemuseum in Holz und Wald

Das dänische Top-Büro BIG hat den Zuschlag für die Gestaltung von Ungarns neuem Naturkundemuseum bekommen. Der Sieger-Plan setzt selbst ganz auf Natur: Ein innovativer Holzbau voll nachhaltiger Technik – platziert in Debrecens Jahrhunderte altem Großen Wald.

Naturkunde in einem von Natur umgebenen, auf Nachhaltigkeit fokussierten Holzbau zu präsentieren, klingt nach einer ausgezeichneten Idee. So dachte offenbar auch die Jury des internationalen Wettbewerbs um die Gestaltung des neuen Ungarischen Naturkundemuseums – und entschied sich für den Entwurf des dänischen Top-Büros Bjarke Ingels Group (BIG). Trotz hochkarätiger Mitbewerber wie Zaha Hadid Architects, 3XN oder Mecanoo, die ebenfalls Vorschläge für das spannende Projekt in Debrecens Jahrhunderte altem Großem Wald eingebracht hatten.

Schaustück für Vielfalt & Umweltschutz

Was BIG in Zusammenarbeit mit dem ungarischen Partner Vikár és Lukács designt hat, wirkt in der Tat überaus stimmig. Und das Konzept passt nahezu punktgenau zu den Vorstellungen der Jury, die deren Vorsitzender Zsolt Bernert, Generaldirektor des betreffenden Museums, in einem Lokalmedium so formuliert: „Das Ungarische Naturkundemuseum hat sich zum Ziel gesetzt, das neue Ausstellungsgebäude zum wichtigsten Schaufenster für Umweltschutz, biologische Vielfalt und nachhaltige Entwicklung in Ungarn zu machen.“ Zu einem „Erlebnis“, das jährlich hunderttausende Besucher anziehen soll.  

Extravagantes Design: Geschwungene, sich kreuzende Gebäudeteile mit begrünten Dachflächen. (Bild: BIG)
Extravagantes Design: Geschwungene, sich kreuzende Gebäudeteile mit begrünten Dachflächen.

Von allen Seiten zugänglich, aber quasi im Großen Wald „versteckt“: Das neue Naturkundemuseum. (Bild: BIG)
Von allen Seiten zugänglich, aber quasi im Großen Wald „versteckt“: Das neue Naturkundemuseum.

Der Neubau wird die bestehende Einrichtung in Budapest ersetzen. Und er soll auch die Vision der Regierung unterstützen, Debrecen bis 2030 zu einem wichtigen regionalen Zentrum für Bildung und Kultur zu machen. Errichtet wird er auf einem ehemaligen Sportplatz am Rande des Großen Waldes (ungarisch: Nagyerdő) von Debrecen. Also in einem, nach seinen riesigen, alten Bäumen benannten Naturschutzgebiet und beliebten Freizeitziel, das viele geschützte Pflanzen- und Tierarten beherbergt.

Naturwunder, würdig präsentiert

BIG Gründer Bjarke Ingels beschreibt den Sieger-Entwurf seines Büros als „Kreuzung von Wegen und Linien“: „Sich kreuzende Landschaftsbänder überschneiden sich zu einer Reihe von Nischen und Lebensräumen, Sälen und Galerien, die das Innere und das Äußere, das Intime und das Mastodontische in nahtloser Kontinuität miteinander verbinden.“

Das Ergebnis sei, so der Architekt, ein von Menschenhand geschaffener Hügel an einer Waldlichtung: „Geometrisch klar und doch sanft organisch – ein angemessenes Zuhause für die Wunder der natürlichen Welt.“

Behutsam in die Landschaft des Naturgebiets eingefügt, soll der Neubau künftig Besuchermassen mit spannenden Ausstellungen und erholsamer Umgebung locken. (Bild: BIG)
Behutsam in die Landschaft des Naturgebiets eingefügt, soll der Neubau künftig mit spannenden Ausstellungen und erholsamer Umgebung zum Besuch locken.

Das neue Naturkundemuseum wird durch drei sich überschneidende Volumen definiert, die sich mit der Landschaft heben und senken. Mit seiner Holzstruktur und einer Fassade aus angekohltem Holz wird es teilweise in den Boden eingelassen oder aus dem Waldboden emporgehoben. Dadurch soll sich der Neubau optisch an die Parkumgebung anpassen, während seine geneigte Dachlandschaft Betrachter zum Besuch einlädt und weiten Blick über die Stadt eröffnet.

Treffpunkt zwischen Wald und Stadt

Aus welcher Richtung künftige Besucher auch darauf zugehen: BIGs Konzept sorgt dafür, dass sie auf offene Plätze, verschlungene Waldwege und gerahmte Ausblicke durch und über das Gebäude stoßen. Von allen Seiten zugänglich, fügt sich die Anlage sowohl ins Stadtgefüge als auch in die umgebende Naturlandschaft ein. Den Ankunftsbereich des Naturkundemuseums markiert ein großzügiger südlicher Platz, der als Treffpunkt für Gemeinschaftsleben und Museumsaktivitäten gedacht ist.

Großzügiger Empfang: Der Platz vor dem Haupteingang bietet viel Raum für gesellschaftliche und museale Aktivitäten. Und in der zentralen Halle finden Besucher alle Infos zu den verschiedenen Ausstellungsbereichen. (Bild: BIG)
Großzügiger Empfang: Der Platz vor dem Haupteingang bietet viel Raum für gesellschaftliche und museale Aktivitäten. Und in der zentralen Halle finden Besucher alle Infos zu den verschiedenen Ausstellungsbereichen.

Im Inneren fungiert die Empfangshalle als zentraler Kompass, der Einblick in die umliegenden Ausstellungsflügel gibt. Zu diesen zählen fünf radial angeordnete Bereiche für ständige Galerien und einer für temporäre Ausstellungen und öffentliche Programme. Im Obergeschoss locken eine Bibliothek und ein Restaurant. Beide bieten freien Blick aufs Blätterdach des Waldes.

Erleben & erforschen in Holz

Im Untergeschoss indes ist ein Lernzentrum vorgesehen, das Workshops, Spielräume und Forschungslabors für Studenten, Familien und Mitarbeiter beherbergt. Und auch die Entwürfe fürs Interieur versprechen eindrucksvolles, zum Thema passendes Ambiente: Hohe Innenräume, in denen sichtbaren Holzoberflächen und Fliesenböden dominieren.

Hohe Räume, klare Linien, viel Holz und Licht: So wird das Innenleben des neuen Naturkundemuseums in Debrecen den Entwürfen der BIG-Architekten zufolge aussehen. (Bild: BIG)
Hohe Räume, klare Linien, viel Holz und Licht: So wird das Innenleben des neuen …

Hohe Räume, klare Linien, viel Holz und Licht: So wird das Innenleben des neuen Naturkundemuseums in Debrecen den Entwürfen der BIG-Architekten zufolge aussehen. (Bild: BIG)
… Naturkundemuseums in Debrecen den Entwürfen der BIG-Architekten zufolge aussehen.

„Wir haben uns das Ungarische Naturkundemuseum als integrierten Teil seiner Umgebung vorgestellt, der von der ihn umgebenden Landschaft geprägt ist und diese mitgestaltet,“ schildert BIG-Partnerin Hanna Johansson. Der Holzbau mit der aus lokal beschafften, angekohlten Holzpaneelen verkleideten und aus dem Boden ragenden Fassade werde die Grenzen zwischen Architektur und Wildnis verwischen. Dass das Projekt seiner natürlichen Umgebung keinen Schaden zufügen soll, versteht sich von selbst.

Naturkundemuseum im Dienste der Natur

BIGs Entwurf gehe allerdings, wie Johannson betont, über bloße Umweltschonung hinaus: „Statt den Standort einfach nur zu erhalten, stellt das Gebäude ihn wieder her und wertet ihn auf. Es regeneriert die Artenvielfalt und passt sich zugleich unauffällig an seine Umgebung an.“ Wie all dies erreicht werden soll, verrät der erfolgreiche Wettbewerbsbeitrag – zum Teil, jedenfalls.

Der auf Nachhaltigkeit fokussierte Bildungsbau ist als ganzjährige Attraktion konzipiert. (Bild: BIG)
Der auf Nachhaltigkeit fokussierte Bildungsbau …

Der auf Nachhaltigkeit fokussierte Bildungsbau ist als ganzjährige Attraktion konzipiert. (Bild: BIG)
… ist als ganzjährige Attraktion konzipiert.

Die Pläne fürs neue, 23.000 Quadratmeter Fläche umfassende Ungarische Naturkundemuseum verstecken dieses teilweise geradezu im Gelände des Großen Waldes, um die Grundfläche zu minimieren. Die geneigten Gründächer werden mit einheimischen Arten bepflanzt und bieten Lebensraum für die lokale Flora und Fauna. Und sie sollen den Park optisch über das Museum hinaus erweitern. Die Vegetation setzt sich auf dem Gelände und im Gebäude fort und verschafft der Öffentlichkeit das ganze Jahr über Bereiche zum Ausruhen und Zusammenkommen.

Nachhaltige Technologie

Fixer Teil des Entwurfs ist unter anderem etwa die Nutzung der thermischen Masse des Bodens. Der neue Holzbau integriert Energiesysteme vor Ort, darunter geothermische Kreisläufe und Photovoltaikanlagen, um ganzjährig stabiles Raumklima zu gewährleisten.

Beeindruckende Lobby: Renderings der Räumlichkeiten des Naturkundemuseums versprechen die Besucher vom ersten Moment an fürs Thema des Hauses zu begeistern. (Bild: BIG)
Beeindruckende Lobby: Renderings der Räumlichkeiten des Naturkundemuseums versprechen, die Besucher vom ersten Moment an fürs Thema des Hauses zu begeistern.

Dass BIG-Gründer und Kreativdirektor Bjarke Ingels dieses Projekt mit persönlicher Begeisterung angeht, liegt nahe. Schließlich ließ der dänische Star-Architekt gleich nach Verkündung des Wettbewerbsergebnisses wissen: „Naturgeschichte ist ein Thema, das mir am Herzen liegt. So sehr, dass ich meinen ältesten Sohn Darwin genannt habe. In diesem Sinne ist es eine große Ehre, mit der Urheberschaft für das Ungarische Naturkundemuseum im Großen Wald von Debrecen betraut worden zu sein.“

Holzbau mit Bildungsziel

Wie achtsam Ingels und sein Team bei Vorhaben in sensibler Umgebung vorgehen, zeigt beispielsweise auch BIGs Arbeit für Bhutans „Mindfulness City“. Und dass sich das Büro auf innovativ-nachhaltige Lösungen versteht, ist spätestens seit dem spektakulären Projekt „CopenHill“ in Kopenhagen weltbekannt. Grund genug, die Errichtung von Ungarns neuem Naturkundemuseum mit gespannter Vorfreude zu erwarten. Als Gewinn für den Großen Wald, der seit Jahren unter Problemen wie Trockenheit, illegaler Ablagerung und der Ausbreitung invasiver Arten leidet. Und als Beispiel für nachhaltigen Holzbau, der diesfalls nicht nur Natur schont, sondern diese auch unterstützt und den Besuchern näherbringt.

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: BIG

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