Ein Erzählraum für den Panda
Beim Panda Tower in Chengdu trifft Biomimikry auf Technologie, und Pandazucht auf Nachhaltigkeit. Der von UDG Atelier Alpha entworfene Turm ist funktionales Zentrum, emotionaler Erzählraum und Aussichtsplattform in einem.
Mit dem Panda Tower hat das Architekturbüro UDG (Shanghai United Design Group) Atelier Alpha ein kulturelles Wahrzeichen geschaffen, das sowohl durch seine formale Kraft als auch durch seine tiefgehende Verwurzelung in regionaler Natur und Kultur besticht. Der Turm heißt nicht zufällig so: Er befindet sich auf dem Campus der Chengdu Research Base of Giant Panda Breeding, einer Forschungs- und Aufzucht-Station von Großen Pandas und Roten Pandas, auch Katzenbären genannt.
Inmitten der ländlichen Umgebung erhebt sich der 11-geschossige Aussichtsturm. Schilf, Bambus und Wälder bedecken die Hänge, kristallklare Flüsse mäandern durch das Gelände. Die natürlichen Formen des Panda Tower stehen damit im Einklang, insbesondere auch die nachhaltige Architektur.
Aus Ehrfurcht vor der Natur wurde das Panda-Thema zum Ausgangspunkt unseres Projektentwurfs. Der Tower ist der Blickfang.
UDG Atelier Alpha
Das Projekt steht stellvertretend für einen Wandel der chinesischen Architekturlandschaft, die sich zunehmend auf Kontexte jenseits der Metropolen konzentriert. Diese Verlagerung erlaubt es, Gebäude zu entwickeln, die nicht dominieren, sondern sich in vorhandene Landschaften einfühlen.
Biomimetische Gestaltung
Konkret basiert die Form des Panda Towers auf zwei botanischen Symbolen der Region: dem Bambusspross und der Hibiskusblüte. Der Bambus als Hauptnahrungsmittel der Pandas und als traditionelles Baumaterial spiegelt sich einerseits im äußeren Erscheinungsbild des Turms wider. Denn der organisch aufstrebende Baukörper erinnert an einen wachsenden Spross.
Andererseits zieht sich die Idee auch durch das Innendesign. Balustraden, Geländer und Raumdetails greifen die Materialität und Formsprache des Bambus auf.
Die Blütenblätter der Hibiskusblume wiederum, der Stadtblume Chengdus, dienten UDG Atelier Alpha als Vorlage für die geschwungenen Bodenplatten und bogenförmigen Stützen des Turms. Die Anzahl dieser Platten verringert sich senkrecht in einer arithmetischen Progression – ein „architektonischer Ausdruck mathematischer Schönheit“, wie das Studio betont. Diese Kombination aus Naturbezug und mathematischer Präzision durchzieht das gesamte Projekt und gibt ihm seine unverwechselbare architektonische Sprache.
Fassade als lebendige Haut
Die Gestaltung des Panda Towers folgt damit dem Prinzip der Biomimikry. Dies ist ein Ansatz, bei dem sich der Mensch von der Natur inspirieren lässt, um Lösungen für Fragestellungen und Probleme zu finden. Der Begriff setzt sich aus den griechischen Wörtern „bios“ (Leben) und „mimese“ (Nachahmen) zusammen.
Ein besonderes Highlight des Panda Towers ist seine parametrisch gestaltete Fassade. Parametrische Architektur basiert auf mathematischen Prinzipien und Algorithmen, um Strukturen und Räume zu entwerfen, die in hohem Maße anpassbar und anpassungsfähig sind. Dementsprechend wurde der Panda Tower programmatisch entwickelt.
Das Ergebnis ist eine „lebendige Haut“. Sie gerät je nach Anlass in Bewegung: An besonderen Tagen wie der Geburt eines Panda-Babys, der Rückkehr eines Tieres aus dem Ausland oder an Feiertagen öffnet sich der obere Bereich der Fassade – eine mechanische Geste, die das Sprießen eines Bambussprosses symbolisiert. Das mechanische System arbeitet im Tandem mit den Fassadenelementen. Die Winkel und Geschwindigkeiten, mit denen sich die Fassade und das Dach öffnen, sind je nach Anlass vorprogrammiert.
Damit ist der Turm nicht nur ein funktionales Zentrum, sondern ein emotionaler Erzählraum, der auch Außenstehende mit einbindet. Zudem ist diese „optische Inszenierung“ nachhaltig gesteuert. Die Interaktion ist umweltfreundlich und nutzt saubere Energie.
Hölzerne, goldene Oberflächen
Das ressourcenschonende Material Holz spielt eine große Rolle beim Panda Tower. In den Innenräumen dominieren goldene, hölzerne Oberflächen, harmonisch abstimmt mit den tragenden Elementen. Die geschwungenen Strukturen erinnern nicht nur an pflanzliche Formen, sondern erzeugen auch eine warme, einladende Atmosphäre. Vom zentralen Atrium aus betrachtet, wirken die goldenen Bodenplatten fast wie von innen beleuchtet – ein Effekt, der ohne künstliche Lichtquellen auskommt und somit den Energieverbrauch niedrig hält.
Der Panda Tower ist bis auf Dienstag täglich von 9:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist gegen Vorlage eines Tickets kostenlos. Die Reservierung erfolgt online. Man darf den Park nur mit gültigem Ausweis der Person betreten, die die Reservierung vorgenommen hat.
In seiner Gesamtheit wirkt der Panda Tower wie ein natürliches Totem – ein architektonisches Symbol für das kulturelle Erbe der Region Chengdu und für die Flora und Fauna. Der natürliche Lebensraum des Pandabären sind die bergigen Regionen im Südwesten Chinas, vornehmlich in den Provinzen Shaanxi, Gansu und nicht zuletzt Sichuan, wo auch Chengdu sich befindet.
Funktion trifft Emotion
Neben seiner starken Symbolkraft erfüllt der Panda Tower auch eine Vielzahl an Funktionen: Er dient als Aussichtsturm, Ausstellungsraum und Besucherplattform. Die elf Etagen münden jeweils in großzügige Plattformen mit Blick auf den angrenzenden Naturschutzpark. Der Zugang erfolgt über ein Podium mit imposanter Freitreppe oder über einen spiralförmigen Gehweg, der sich durch die Landschaft schlängelt. Es ist ein Erlebnisweg, der den Übergang von Natur zu Architektur sanft inszeniert.
Text: Linda Benkö
Fotos: UDG, Atelier Alpha, SIMON, Arch-Exist