Wenn Fassaden Wellen schlagen
In der indischen Stadt Gurugram hat das SOGA Design Studio eine ganz besondere Gebäudefront gestaltet: die Parametric Coin Facade. Eine Fassade, die niemals stillzustehen scheint.
Eine Stadt im Wachstum: In knapp 15 Jahren ist die Einwohnerzahl von Gurugram im indischen Bundesstaat Haryana von 880.000 um rund 50 Prozent auf über 1,2 Millionen angestiegen. Der Bevölkerungsboom kommt nicht überraschend, ist Gurugram heute doch ein bedeutendes Finanz- und IT-Zentrum, in dem zahlreiche multinationale Unternehmen ihren Sitz haben.
Der Beiname Millennium City trägt aber nicht nur der wirtschaftlichen Bedeutung der Satellitenstadt von Delhi Rechnung, sondern auch ihrer zukunftsweisenden Architektur. Darunter ein Gebäude, das mit seiner aufsehenerregenden Front besticht: die Parametric Coin Facade, entworfen vom in Gurugram ansässigen Architekturbüro SOGA Design Studio. Ein Büro, das sich mit seinen futuristischen Designs bereits einen Namen machen konnte. Sein Portfolio umfasst Skulpturen, Innenarchitektur, kosmisch anmutende, parametrisch entwickelte Porträts sowie die Planung von Fassaden, die durch ihre dynamischen und funktionalen Oberflächen Aufsehen erregen.
Da bewegt sich was
Ein Blick auf die metallisch-silberne Parametric Coin Facade erweckt den Eindruck, als würden sich Wellen darüber bewegen. Und der Eindruck täuscht nicht. Denn hinter der Bewegung steckt ein – relativ simpler – Mechanismus. Die Fassade besteht aus 216 rechteckigen Aluminium-Paneelen, in die kreisförmige Elemente – die Coins (Münzen) – integriert sind. Sie sind in unterschiedlichen Winkeln angebracht, wodurch sich das Erscheinungsbild der Fassade je nach Lichteinfall verändert.
Das Studio ließ sich beim Design von Wasserwellen und Sonnenlichtreflexionen inspirieren. Um die komplexen Bewegungsmuster vorab in Bezug auf verschiedene Einflüsse testen zu können, kreierte das Team die Konstruktion mithilfe von parametrischer Modellierung.
Hinter Magie steckt Technik
Um die dynamischen, wellenförmigen Strukturen der Fassade entstehen lassen zu können, wurden münzförmige Segmente aus dem Aluminium gestanzt, die in unterschiedliche Richtungen aufklappen. Die einzelnen Paneele sind zudem nicht miteinander verschweißt, sondern modular zusammengesetzt. Das hat vor allem praktische Vorteile: Die einzelnen Elemente können leicht ausgetauscht oder angepasst werden, falls Veränderungen nötig sind. Dank des leichten Aluminiums sind Montage und Demontage unkompliziert.
Insgesamt erstreckt sich die schillernde Fassade über 242,3 Quadratmeter. Auftraggeber des Gebäudes war die Yashika Group, ein indisches Unternehmen, das in der Immobilienentwicklung sowie in der Logistik und Spedition tätig ist. Die innovative Fassade ist ein Beispiel dafür, wie Architektur und Technologie zusammenwirken, um urbane Räume neu zu definieren. Außerdem lädt sie dazu ein, einfach mal innezuhalten und zuzusehen, wie sich die Fassade bei Licht und Schatten verändert – denn besonders in den frühen Morgenstunden und während des Sonnenuntergangs scheint sie regelrecht zu vibrieren.
Eine Handschrift
Die Parametric Coin Facade ist nicht die einzige Gebäudefront, für die SOGA Design Studio eine Konstruktion mit Aluminiumelementen entworfen hat; das Unternehmen genießt aufgrund seiner exklusiven, parametrischen Designs in Indien mittlerweile einiges an Renommee. So gestaltete man unter anderem die Fassade der Suhana Augenklinik in Mohali und des Vantara Aquariums in Jamnagar. In Delhi kreierte SOGA Design Studio die Front des Tanishq-Flagshipsstores mit im 45-Grad-Winkel montierten Elementen, wodurch eine dynamische 3D-Optik entsteht, die sich durch Licht und Schatten ständig verändert. In die Fassade wurde auch das Logo von Tanishq, einer indischen Schmuckmarke, integriert.
Text: Resi Reiner
Fotos: Metaguise