Industriekultur trifft Öko-Erneuerung
Das Pilsworth Lake Visitor Centre steht für eine respektvolle Form der Landschaftsarchitektur. Hier verschwimmen Grenzen zwischen Erholung, Erinnerung, Umweltbildung und Gemeinschaftsleben. Das Projekt wurde von Atelier Architecture + Design entworfen.
Am Pilsworth Lake, eingebettet in Süd-Lancashires abwechslungsreiche Hügellandschaft, hat das Atelier Architecture + Design ein ambitioniertes Vorhaben verwirklicht: Ein ehemaliges Industrieterrain wurde als lebendiger Raum für Mensch und Natur wiederbelebt. Das Projekt bindet behutsam die industrielle Vergangenheit ein, gleichzeitig setzt es auf ökologische Regeneration und fördert das gemeinschaftliche Miteinander. Der Designansatz ist im Einklang mit diesen Zielen klar und nachhaltig.
Reiche Geschichte mit alter Industrie
Ursprünglich wurde vor Ort eine Baumwollspinnerei betrieben. Der See mit seinen zahlreichen Zuflüssen diente zur dafür nötigen Energiegewinnung. Stillgelegt und verfallen, verwilderte das Areal jedoch über die Jahrzehnte.
Pilsworth Lake befindet sich am Rande der penninischen Moorlandschaft im Süden von Lancashire, einer Grafschaft im Nordwesten Englands. Am Ende der letzten Eiszeit formte Gletscherschmelzwasser die Landschaft. Die vom dann zurückweichenden Eis ausgehöhlten Täler hinterließen weiche Wasserläufe, die später diese frühen Baumwollindustrie antrieben. Und zu ihr gehörte auch die Pilsworth Clough Mill, zehn Meilen nördlich von Manchester.
Im frühen 19. Jahrhundert gruben Arbeiter den Hauptsee aus, um den Wasserbedarf der Mühle zu decken. Als Maschinen zusehends Einzug in das ländliche Leben hielten, brach eine neue Ära an. Die Grube füllte sich wieder – und damit begann auch der Ort sich erneut zu verändern. Und auch die Natur durfte sich wieder ausbreiten, Bäume schlugen Wurzeln, ruhige Bäche verknüpften sich mit dem See. Das ganze Gebiet gewann seine ländliche Ruhe zurück.
Ökologische Regeneration im Mittelpunkt
Das britische Studio Atelier Architecture + Design erkannte das Potenzial dieses Ortes und entwarf ein Konzept, das die Erinnerung an das industriell geprägte Erbe mit zeitgemäßer Nutzung verbindet. Alte Strukturen blieben erhalten und wurden mit neuen Elementen – wie Stegen, Aussichtspavillons und Naturliegen – ergänzt. Die Besucher sollen sich eingeladen fühlen, das Gelände und das Pilsworth Lake Renewal Project entschleunigt, sinnlich und historisch zu erkunden.
Ein Herzstück des Pilsworth Lake Renewal Project war die gezielte ökologische Aufforstung. Landschaftsarchitekten zufolge hätte sich die Biodiversität durch Regengärten, Feuchtzonen und gezielte Pflanzungen um circa zehn Prozent gesteigert. Die Interventionen locken Insekten, Vögel und Amphibien an und tragen zur Revitalisierung des Biotops bei.
Nachhaltige Architektur
Sumpfwiesen wurden angelegt, heimische Wildpflanzen kultiviert – und damit ein naturnaher Puffer geschaffen, der Erosion verhindert und die Wasserqualität steigert. Zugleich werden die Besucherinnen und Besucher für ökologische Zusammenhänge sensibilisiert: So machen etwa Informationsstationen und markierte Pfade das Zusammenspiel von Wasser, Pflanzen und Biodiversität erlebbar.
Für die Errichtung der neuen Bauten des Pilsworth Lake Visitor Centre wie das Besucherzentrum, Café und Bootshaus hat man bewusst ressourcenschonende Baustoffe wie heimisches Holz, recycelte Ziegel und lokal gewonnene Lehmbausteine gewählt. Passivhausprinzipien, Anlagen zur Regenwassernutzung, natürliche Belüftung und Begrünung der Dächer unterstützen die Energieeffizienz und den Klimaschutz. Die Gebäude fügen sich so harmonisch in die umgebende Landschaft ein.
Erlebnispfade und Freiraum als soziale Bühne
Der neue öffentliche Raum ist vielschichtig nutzbar: Ein Netz aus Holzstegen schlängelt sich entlang des Wasserlaufs, bricht Linien, schafft Aussichtspunkte – für stille Beobachtung genauso wie für Begegnung. Ein aufgeschütteter Hügel erlaubt Einblicke in die Reste der industriellen Architektur, während Holzplattformen hoch oben einen Panoramablick freigeben.
Umgestaltete Naturverstecke bieten Nischen für Rückzug und Entspannung. Ein Freilufttheater umfasst eine geschwungene Sitzstufenanlage – hier finden Lesungen, Workshops und Gemeinschaftsveranstaltungen statt. Diese Elemente können flexibel und sogar auch selbstorganisiert genutzt werden.
Partizipativ und gemeinschaftlich
Ein entscheidender Aspekt des Pilsworth Lake Renewal Project war die frühe Einbindung der lokalen Bevölkerung. Die Anwohnerinnen und Anwohner waren eingeladen, in Workshops, Gesprächen und Führungen das Konzept gemeinsam mit zu entwickeln. Auch Kinder erhielten Gelegenheit, sich kreativ mit dem Gelände auseinanderzusetzen. Ältere Menschen wurden zu ihren Erinnerungen befragt, Fachleute erläuterten ökologische und architektonische Zusammenhänge. Somit ist aus dem Pilsworth Lake Visitor Centre mehr als ein neuer, gebauter Raum geworden – es ist Gemeinschaftsprojekt, Lernfeld und Resonanzraum zugleich.
Architektinnen, Landschaftsplaner und Stadtentwicklerinnen können aus diesem Pilotprojekt viel mitnehmen: Wie einstige Industrieorte transformiert und als Treffpunkt für zivilgesellschaftliches Leben etabliert werden können – mit vielgestaltigen Elementen, mit Sinn und Sinnlichkeit.
Das Pilsworth Lake Visitor Centre steht für eine neue, respektvolle Form der Landschaftsarchitektur. Hier verschwimmen Grenzen zwischen Erholung, Erinnerung, Umweltbildung und Gemeinschaftsleben. Gleichzeitig leistet das Projekt einen tatsächlichen Beitrag zum Klima- und Naturschutz. Das Ergebnis: ein Ort, der inspiriert, belebt und verbindet – ein Zugang zur Natur, der gleichzeitig Respekt vor deren Vorgeschichte vermittelt.
Text: Linda Benkö
Fotos: AA+D, Bury Archive