Ein Quartier aus Holz
Im Münchner Prinz-Eugen-Park wurde die größte zusammenhängende Holzbausiedlung Deutschlands errichtet. Und das ist noch nicht alles. Die Münchner Stadtplaner haben noch mehr Holz in der Pipeline.
Zwischen den Häuserzeilen schlängelt sich ein Laubengang in drei Metern Höhe von einer Obergeschosswohnung zur nächsten. An einer Stelle öffnet sich das Geländer für eine Rutsche, die direkt in die darunterliegende Sandkiste mündet. Eine gelungene Fusion von Kindheitstraum und funktionaler Erschließung. Die Eigentumswohnungen WA 15 Ost im Prinz-Eugen-Park sind Teil von Münchens ökologischer Mustersiedlung, wo Stadtkinder fortan in Holzhäusern groß werden.
Ökologischer und ästhetischer Anspruch
Die zwei- bis dreigeschossigen Reihenhäuser sind mit einer vertikalen Holzlattung verschalt. Durch die wechselnden Kubaturen ergibt sich eine interessante Typologie, die mit der gestalterischen Monokultur des herkömmlichen Reihenhauses wenig gemein hat. Diese Wohneinheiten wurden von agmm Architekten und Stadtplaner gemeinsam mit Hable Architekten entworfen und in Holz-Hybrid-Bauweise errichtet.
Insgesamt sind in der Holzsiedlung knapp 570 neue Wohnungen entstanden, zu einem großen Teil als geförderte und freifinanzierte Mietwohnungen. Untergebracht sind sie in acht individuellen Holzbauprojekten, die sich nicht nur in der Gestaltung, sondern auch in Höhe, Bauweise und im Energiestandard unterscheiden. Im Prinz-Eugen-Park ist von diversen Holz-Hybrid-Formen bis zum Vollholzbau alles vertreten. Die Gebäude sind bis zu sieben Geschosse hoch und mehrheitlich nach dem Niedrigenergie-Standard KfW-55 realisiert, manche sogar nach dem Passivhausstandard.
Holzbauforschung für die Zukunft
Diese große Vielfalt an Bauarten hat ihren guten Grund. München will nämlich zur modernen Holzbau-Stadt werden und betreibt mit dem nachhaltigen Pilotprojekt zugleich Forschung in eigener Sache. Die Öko-Mustersiedlung soll mit ihren unterschiedlichen Bautypen die Best-Practice-Beispiele für künftige Bauvorhaben liefern.
Für alle Gebäude der Mustersiedlung wurden Ökobilanzen erstellt, um die Bedeutung des Baustoffes Holz für den Klimaschutz und eine nachhaltige Stadtentwicklung zu belegen.
Ulrike Klar, Stadtdirektorin im Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München
„Für alle Gebäude der Mustersiedlung wurden Ökobilanzen erstellt, um die Bedeutung des Baustoffes Holz für den Klimaschutz und eine nachhaltige Stadtentwicklung zu belegen“, erklärt Ulrike Klar, Münchner Stadtdirektorin im Referat für Stadtplanung und Bauordnung. Dabei wurde der gesamte Lebenszyklus der Gebäude im Hinblick auf Ressourcenschonung und Klimaschutzwirkung betrachtet.
„Zu den wichtigsten Parametern der Auswertung zählen die Masse eingesetzter Holzbaustoffe, der Primärenergieverbrauch und die Kohlenstoffspeicherung der verbauten Holzmaterialien“, ergänzt Klar und rechnet vor: „In der Mustersiedlung sind mindestens 12.500 Tonnen CO₂ langfristig gespeichert.“
Große Flexibilität im Holzrahmenbau
Am südöstlichen Rand der Holzbau-Mustersiedlung stehen 24 Einfamilienhäuser und zwei viergeschossige Punkthäuser, entworfen von den in München ansässigen Dressler Mayerhofer Rössler Architekten und Stadtplaner. Die zwei- bis dreigeschossigen Einfamilienhäuser mit vorvergrauter Holzfassade verfügen über einen eigenen privaten Innenhof und unterschiedliche Grundrisse und Gebäudeformen. Ein weiterer Beweis dafür, dass architektonischer Anspruch und Baueffizienz durchaus vereinbar sind.
Sowohl die viergeschossigen Apartmenthäuser als auch die Reihenhäuser wurden in Holzrahmenbauweise errichtet. Sie ermöglicht eine flexible Grundrissgestaltung, und auch sonst lassen sich die unterschiedlichen Wünsche der künftigen Nutzer flexibel umsetzen. So wie bei allen Bauten der Mustersiedlung mussten sich die Bauherren auch hier von Anfang an dazu verpflichten, einen hohen Anteil an Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen zu verwenden.
Kiloweise Förderung
Als Anreiz für eine möglichst nachhaltige Bauweise der rund 570 Wohnungen im Prinz-Eugen-Park führte die Stadt eine eigene Währung ein. Anhand des „Nawaros“ – steht für „nachwachsende Rohstoffe“ – wurde die Fördersumme für das jeweilige Projekt errechnet. Mehrstöckige Häuser erhielten eine Förderung von bis zu zwei Euro pro Kilogramm Nawaro. In manchen Gebäuden stecken mehr als 250 Kilo Holz pro Quadratmeter.
In der Mustersiedlung sind mindestens 12.500 Tonnen CO₂ langfristig gespeichert.
Ulrike Klar, Stadtdirektorin im Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München
Laut Angaben der Bau-Stadtdirektorin ist der mehrgeschossige Holzwohnungsbau zur Zeit noch zwischen fünf und 25 Prozent teurer als der konventionelle Massivbau. „Das kann sich aber ändern, wenn das serielle Bauen verstärkt wird, mehr Wohnungen erstellt werden, und wenn die Nachfrage steigt“ räumt Klar ein.
Der Holzbau lohnt sich
Für die Bewohner lohne sich die Investition allemal. Neben dem behaglichen Raumklima haben die Holzbauten durch die hohen Energiestandards einen sehr reduzierten Energieverbrauch. „Den Bewohnern und Bewohnerinnen ist es nicht zuletzt auch wichtig, nachhaltige und ressourcenschonende Bauweisen zu unterstützen und damit einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“, zitiert die Bau-Stadtdirektorin aus einer Umfrage unter den Münchner Mustersiedlern.
Während die Stadt Berlin mit dem WoHo das höchste Holzhochhaus Deutschlands bauen will, gilt Münchens ökologische Mustersiedlung als größte zusammenhängende Holzbausiedlung der Bundesrepublik. Damit nimmt die Stadt München eine Vorreiterrolle ein, die in den nächsten Jahren wohl noch weiter ausgebaut wird, wie Klar verrät. „Durch die Erfahrungen und die große positive Resonanz aus dem Prinz-Eugen-Park sind wir mitten in der Entwicklung von vier weiteren Holzbauprojekten.“ Zudem ist ein neues Förderprogramm für den mehrgeschossigen Holzbau in Arbeit.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Ulf Rössler, Stefan Schott / Dressler Mayerhofer Rössler Architekten und Stadtplaner, Michael Nagy / LHM, Landeshauptstadt München