Harmonie im neuen Kulturquartier
Tromsø erhält aktuell ein neues kulturelles Herz. Auf dem Gelände der ehemaligen Mack-Brauerei entsteht ein Quartier, das künftig die Arctic Philharmonic, das Northern Norwegian Art Museum sowie ein Kulturzentrum beherbergen wird: Samklang.
Samklang. Das ist norwegisch und heißt so viel wie Harmonie, Zusammenspiel, Einklang. In der arktischen Stadt Tromsø entsteht derzeit ein neues Kultur-Quartier, das diesen Zusammenklang wagt. Der 17.000 Quadratmeter große Neubau auf dem Gelände der ehemaligen Mack-Brauerei wird künftig die Arctic Philharmonic, das Northern Norwegian Art Museum sowie ein Kulturzentrum beherbergen. Er wird somit ein bedeutendes architektonisches wie städtebauliches Statement in der nördlichsten Großstadt Norwegens setzen.
Den internationalen Architekturwettbewerb für dieses Projekt haben ALA Architects, mit Hauptsitz in Helsinki und das Nordic Office of Architecture (Oslo) gewonnen. Der Entwurf will mehr sein als ein Ensemble unterschiedlicher Kultureinrichtungen. Er versteht sich als ganzheitlicher Komplex, ein Zusammenspiel eben.
Der „dritte Raum“
In ihm sollen Musik sowie bildende und darstellende Kunst synergetisch zusammenwirken. „Die Institutionen werden in eine schützende Hülle eingebettet. Sie erstrahlt auch in der Dunkelheit der langen arktischen Winter“, beschreibt Thomas Lindgård Fagernes, Partner bei Nordic Office of Architecture, das architektonische Leitmotiv.
Ungefähr vom 25. November bis Mitte Januar erlebt man in Tromsø keinen Sonnenaufgang. Dafür aber geht vom 18. Mai bis zum 25. Juli die Sonne nachts nicht vollständig unter. Im Zentrum dieser Hülle liegt der sogenannte „dritte Raum“ – ein großzügiges, lichtdurchflutetes Foyer, das als kommunikatives Bindeglied und Begegnungsort fungiert.
Verbindung statt Fragmentierung
Die Jury überzeugte insbesondere das integrative Raumkonzept. Es gibt einen zentralen vertikalen Kern, der sich über alle Geschosse erstreckt. Der Baukörper bleibt bewusst kompakt. Dies kommt einerseits den logistischen Anforderungen entgegen und bringt andererseits ökologische Vorteile mit sich: Denn eine geringere Fassadenfläche bedeutet weniger Energieverlust, bessere Wärmedämmung und insgesamt eine ressourcenschonende Gebäudebilanz. Schlagkräftige Aspekte in einem rauen Klima wie dem Nordnorwegens.
Doch nicht nur funktional, auch ästhetisch tritt „Samklang“ in Dialog mit seinem Standort. Die Architekten ließen sich von der Umgebung, dem arktischen Licht und der nordischen Natur inspirieren. Juho Grönholm von ALA Architects, Partnerbüro von Nordic, beschreibt das Gebäude als „stolz im Herzen der Stadt stehend, den Geist von Tromsø verkörpernd“.
Das ehemalige Brauereiareal wird durch den Neubau in einen urbanen, lebendigen Kulturraum transformiert, der nahtlos an das Stadtzentrum anschließt und zugleich neue Impulse für die städtebauliche Entwicklung setzt.
Raum für Klang – und mehr
Besonderes Augenmerk legten die Planer auf die akustischen und funktionalen Qualitäten der Veranstaltungsräume. Der große Konzertsaal, in Zusammenarbeit mit Kahle Acoustics und Charcoalblue entworfen, besticht durch eine dezente, fächerförmige Geometrie. Sie ermöglicht eine exzellente Klangverteilung. Der Saal ist so konzipiert, dass er mit wenigen Handgriffen vom Konzertsaal zum Theatersaal transformiert werden kann – ein multifunktionaler Raum, der verschiedensten Aufführungsformaten gerecht wird.
Ergänzt wird das Raumangebot durch einen Kammermusiksaal mit beeindruckender Aussicht und flexibler technischer Ausstattung. Eine eigene Lobby macht ihn auch unabhängig vom Hauptfoyer nutzbar. Dadurch ist er ideal für intime Konzerte, Literaturveranstaltungen, aber auch Konferenzen und Bankette.
Ein kulturelles Ökosystem entsteht
Die Planer betonen den offenen, einladenden Charakter aller Räume, die sich nicht nur an ein klassisches Konzertpublikum wenden. Damit will man auch neue Zielgruppen ansprechen und niederschwellige kulturelle Begegnungen ermöglichen.
Was das Projekt so besonders macht, ist die radikale Integration unterschiedlicher kultureller Nutzungen unter einem Dach – ein echtes „Kulturökosystem“, das Begegnung, Austausch und neue Formen der Kollaboration ermöglicht. Die Architektur folgt dieser Idee konsequent: Es gibt keine strikt getrennten Trakte, keine räumlichen Hierarchien, sondern ein gleichwertiges Nebeneinander und Miteinander.
Gelebte Kultur, statt bloße Präsentation
Auch das Nordnorsk Kunstmuseum wird nicht isoliert, sondern als aktiver Bestandteil des kulturellen Gesamterlebnisses inszeniert. Unterstützt wird diese Vision von Casson Mann. Dabei handelt es sich um ein renommiertes Studio für museale Rauminszenierung. Dir Arbeiten der Glaskünstlerin Åsa Wigum akzentuieren zusätzlich das Lichtspiel im Gebäudeinneren.
Die Lobby als „dritter Ort“ ist dabei nicht nur ein funktionaler Übergangsraum, sondern soziales Zentrum des Kulturquartiers. Besucherströme werden elegant gelenkt, die Übergänge zwischen Konzert, Ausstellung und Gastronomie erfolgen fließend.
Cafés, ein Museumsshop und öffentliche Aufenthaltszonen machen das Gebäude ganzjährig zugänglich, unabhängig von Veranstaltungskalendern. Und so entsteht ein Ort, der Kultur lebt und atmet, statt sie nur zu präsentieren.
Transformative Kraft eines Ortes
Dass ein so ambitioniertes Projekt auf dem Gelände einer stillgelegten Brauerei realisiert wird, ist ein starkes Symbol. Wo früher Bier gebraut wurde, entsteht nun ein Ort der Kreativität, der Reflexion und der sinnlichen Erfahrung. Die Wahl des Standorts ist nicht nostalgisch, sondern strategisch: beste Innenstadtlage, gute Erreichbarkeit und hohe Symbolkraft.
Mit dem Kulturquartier wird das Mack-Areal nicht nur neu belebt, sondern nachhaltig transformiert – ein Modellfall für gelungene urbane Konversion.
Architektur im Dienste der Stadtgesellschaft
Die Zusammenarbeit zwischen ALA Architects, bekannt für ikonische Kulturbauten wie Theater, Terminals und U-Bahn-Stationen, und dem Nordic Office of Architecture, das sich besonders im nordischen Kontext durch sensible, ortsbezogene Architektur profiliert hat, erweist sich als Glücksfall. Die langjährige Erfahrung beider Büros im Umgang mit komplexen Raumprogrammen und öffentlichen Infrastrukturen spiegelt sich in jedem Aspekt des Entwurfs wider.
Als Beratungsunternehmen fungierte Norconsult. Der paneuropäisch-nordische, interdisziplinäre Konzern vereint Ingenieurwesen, Architektur und digitale Expertise bei Projekten jeder Größe für private und öffentliche Auftraggeber.
Für Tromsø, die Stadt im hohen Norden, bedeutet „Samklang“ mehr als nur ein neues Kulturgebäude. Es ist ein Bekenntnis zur Relevanz von Kunst und Kultur im öffentlichen Raum – und ein Signal an die Bevölkerung wie an Gäste von außerhalb: Diese Stadt glaubt an die Kraft der Kreativität und der Künste.
Text: Linda Benkö
Fotos: ALA / Nordic