Verkohlt ist das neue Schwarz. Shou Sugi Ban, eine alte japanische Technik zur Holzkonservierung, boomt in der zeitgenössischen Architektur. Das Baumaterial mit dem mondänen Look punktet in Sachen Nachhaltigkeit und bestätigt die Feuerresistenz von Holz.

Es klingt paradox. Ein Material wird mutwillig zerstört, um es dadurch widerstandsfähig zu machen. Bei der japanischen Technik Shou Sugi Ban passiert genau das. Wörtlich übersetzt heißt es „verbranntes Sicheltannenbrett“. Dabei wird eine Holzoberfläche durch kontrolliertes Verbrennen karbonisiert und anschließend mit Öl versiegelt. 

Die Metaphorik hinter Shou Sugi Ban ist in der japanischen Kultur tief verwurzelt. Durch Zerstörung entsteht Stärke und Widerstandskraft. Ein Gedanke, der sich mit der japanischen Lebensphilosophie des Wabi Sabi deckt: „Die Entdeckung von Schönheit im Unvollkommenen, die Akzeptanz des Kreislaufs von Leben und Tod.“

Die Entdeckung von Schönheit im Unvollkommenen, die Akzeptanz des Kreislaufs von Leben und Tod.

Lebensphilosophie des Wabi Sabi

Zerfurchte Oberfläche von Shou Sugi Ban-Holz
Silbrig-schwarz schimmert das Holz nach der Karbonisierung

Das mit Shou Sugi Ban-Technik behandelte Holz schimmert schwarz bis silbrig, die Oberfläche ist je nach Karbonisierungsgrad mehr oder weniger zerfurcht. Eine dramatische Optik, auf die jetzt immer mehr Architekten und Möbelbauer setzen und dem Trend aus Japan folgen. Neben dem bloßen ästhetischen Wert hat diese Jahrtausende alte Bearbeitungsmethode auch handfeste Vorteile.

Durch Zufall entdeckt

„Die Japaner haben diese Technik vor langer Zeit nur durch einen Zufall entdeckt“, erzählt Pieter Weijnen, der im niederländischen Leersum die Manufaktur Zwarthout für Shou Sugi Ban-Hölzer gegründet hat. „Die Menschen sind draufgekommen, dass Holzbauten, die durch ein Feuer beschädigt, aber nicht ganz zerstört waren, bei einem neuerlichen Brand wesentlich feuerresistenter waren.“ 

Villa Meyendel in Wassenaar, Niederlande
Für die Villa Meyendel in Wassenaar, Niederlande, lieferte Zwarthout die Shou Sugi Ban-Fassade.

Man fand heraus, dass die schöne schwarze Karbonschicht auch vor Wasser, Insekten und Schimmel schützte. 

Pieter Weijnen, Gründer von Zwarthout

Daraus entwickelte sich Shou Sugi Ban – oder Yakisugi, wie die Technik in Japan noch genannt wird. Auch heute noch arbeiten Handwerker nach der traditionellen Methode. Dabei binden sie drei Zypressenbretter zusammen und befeuern die Innenseite durch den entstehenden Kamineffekt. „Man fand heraus, dass die schöne schwarze Karbonschicht auch vor Wasser, Insekten und Schimmel schützte. Ein weiterer Vorteil war, dass die Menschen ihre Häuser nicht mehr streichen mussten“, so der Geschäftsführer von Zwarthout.

Weijnen war früher Architekt. 2006 stieß er bei der Biennale in Venedig auf die Arbeiten des japanischen Avantgardisten Terunobu Fujimori. Der Architekt und Visionär verwendet häufig Shou Sugi Ban-Hölzer für seine exzentrischen Entwürfe. Der Holländer war beeindruckt von der Schönheit und Langlebigkeit des schwarzen Holzes. Eine Recherchereise nach Japan und zahlreiche Brennversuche später baute Weijnen sein eigenes Haus mit Shou Sugi Ban-Fassade. 

„Ich entwickelte einen eigenen Ofen und fand einen effizienten Produktionsprozess, bei dem die Qualität des Holzes erhalten blieb“, erklärt Weijnen. Mittlerweile beliefert er mit seiner Firma Architekten, Designer und Bauherren für die unterschiedlichsten Projekte: von der schwarzen Einbauküche, dem brandfesten Feuerwehrhaus bis zum luxuriösen Wohnsitz am Meer. 

Das öffentliche Thermalbad Lamune Onsen in der Präfektur Oita wurde von Terunobu Fujimori entworfen und mit eingebrannten Sugi-Paneelen gebaut.

Werkstoff mit Nachhaltigkeit

Modernes Design setzt oft auf anorganische Materialien, um den natürlichen Alterungsprozessen der Zeit zu trotzen. Bei Shou Sugi Ban handelt es sich um eine rein organische Veredelung. Sie kommt dem allgemeinen Ruf nach Nachhaltigkeit in der Architektur gerade recht. 

Durch die Verkohlung entsteht ein sehr langlebiges Produkt, das nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip hergestellt wird.

Pieter Weijnen, Gründer von Zwarthout

„Durch die Verkohlung entsteht ein sehr langlebiges Produkt, das nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip hergestellt wird“, sagt Weijnen. C2C bedeutet, dass man das Produkt als organischen Nährstoff in den biologischen Kreislauf zurückführen kann. Ein Low-Tech-Produkt höchster Güte also. In der niederländischen Werkstatt arbeitet man auf eine positive CO2-Bilanz hin. Für jeden Baum, der in die Produktion wandert, wird ein neuer gepflanzt. 

Wohnhaus am Ufer, verkleidet mit schwarzem Holz. Architekt: Woning Geuloever, Fassade von Zwarthout

Während herkömmliche Versiegelungen gegen die Verwitterung ankämpfen, ist sie bei Shou Sugi Ban sogar erwünscht. Das verbrannte Holz altert nämlich mit nobler Eleganz. Die Verwitterung lässt auf der Oberfläche im Laufe der Jahre ein Craquelé-Muster entstehen, das einen zusätzlichen optischen Reiz schafft „und seine eigene Geschichte erzählt“, wie es unter Experten heißt.

80 bis 100 Jahre wartungsfrei

Traditionell wird in Japan Sugi, also Sicheltanne (japanische Zeder) verwendet. Aufgrund der klimatischen Ähnlichkeit ist diese Form der Holzkonservierung auch auf europäische Hölzer wie Kiefer, Lärche oder Zeder anwendbar. Experten schätzen, dass eingebrannte Holzfassaden 80 bis 100 Jahre wartungsfrei sein können. Dann sollten sie wieder mit Öl versiegelt werden.

Traditionelle Shou Sugi Ban-Methode
Traditionelle Shou-Sugi-Ban-Methode: Drei Zypressenbretter werden zusammengebunden und die Innenseite durch den entstehenden Kamineffekt befeuert.

Von der Langlebigkeit  des Shou-Sugi-Ban-Holzes kann man sich in Japan überzeugen. Der Hōryū-ji-Tempel in der Präfektur Nara hat die letzten 1300 Jahre gut überstanden. Er zählt zu den ältesten Holzgebäuden der Welt und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Getty Images, Christian van der Kooy, IC4U, Zwarthout/FARO

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