Luxus im Schatten der Landschaft
The Silk Lakehouse der Shangri-La Group zeigt, dass das Bauen im Bestand das Zeug zum gehobenen Luxus hat. Zugunsten des Naturschutzgebietes an Chinas malerischem Westsee reduzierte Kokaistudios den Baukörper und entsiegelte den Vorplatz.
Ein chinesisches Sprichwort besagt: Im Himmel gibt es das Paradies, auf Erden gibt es Hangzhou und Suzhou. Während Suzhou den Beinamen Venedig des Ostens für sich beansprucht, verdankt Hangzhou seine paradiesische Schönheit dem Westsee. Diese Kulturlandschaft, die seit 2011 Teil des UNESCO Welterbes ist, lobte schon im 13. Jahrhundert der venezianische Entdecker Marco Polo als einen Ort von natürlicher Schönheit und großer historischer Bedeutung. Heute ist der See eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten der Volksrepublik und ein beliebtes Ziel chinesischer Honeymooner. Auf einer Anhöhe, mit freiem Blick auf den Westsee, befand sich einst das historische Xiling Hotel, das hohen Staatsgästen wie einst US-Präsident Richard Nixon als exklusives Domizil diente. 1986 eröffnete an eben diesem Standort das erste Hotel der Shangri-La Gruppe auf dem chinesischen Festland.
Nun, knapp 40 Jahre später, erfolgte eine neuerliche Transformation des geschichtsträchtigen Anwesens. Die Eröffnung von The Silk Lakehouse markiert das Debüt von Shangri-La Signatures, der neuen Ultra-Luxusmarke innerhalb der an sich schon luxuriösen Hotelkette.
Ein Fall für die Venezianische Schule
Das in die Jahre gekommene Hotel sollte durch behutsames Sanieren, Restaurieren und Adaptieren zu einem Retreat werden, in dem Tradition und Moderne harmonisch ineinander greifen. Da sich das Anwesen mitten im Naturschutzgebiet des Westsees befindet, sollte die Beziehung zwischen Architektur und Landschaft einer neuen und achtsamen Evaluierung unterzogen werden.
Dafür holte man die Architekten Andrea Destefanis und Filippo Gabbiani von Kokaistudios an Bord. Sie gelten als Vertreter der Venezianischen Schule und sind Experten, wenn es darum geht, komplexe Renovierungsprojekte zum Erhalt von Kulturgut umzusetzen. Vor über 20 Jahren hatte man sie für die Restaurierung eines historischen Bankgebäudes nach Shanghai geholt, wo sie seither ihre beruflichen Zelte aufgeschlagen haben.
Die Venezianische Schule ist eine einflussreiche Strömung, die im Wirkungskreis der Design-Hochschule IUAV von Venedig entstanden ist. Sie verbindet die historische mit der zeitgenössischen Architektur und hat zu innovativen Entwürfen und neuen städtebaulichen Lösungen geführt.
Volumen raus, Grün rein
Anstatt, wie beim Bauen im Bestand oft üblich, die bestehende Struktur nachzuverdichten, hat das Team von Kokaistudios das Gebäude zugunsten der Landschaft „entdichtet“.
Das Volumen des ursprünglich siebenstöckigen Gebäudes schrumpfte signifikant, als die Architekten das sechste und siebte Geschoss abtragen ließen und die ursprüngliche Dachlinie wiederherstellten. „Durch diesen Eingriff wurde die visuelle Wucht des Gebäudes in der Kulturlandschaft des Westsees deutlich gemildert“, erklärt das Studio seine Intervention.
Durch diesen Eingriff wurde die visuelle Wucht des Gebäudes in der Kulturlandschaft des Westsees deutlich gemildert.
Kokaistudios, Architekturbüro
Die Funktionen der entfernten Geschosse verteilte man auf die unteren Stockwerke und sorgte dafür, dass sich eine schlüssige räumliche Logik ergab. Auch im Erdgeschoss ergab sich eine Änderung des Raumprogramms, zumal das Planungsteam die Hauptzufahrt von der Nord- auf die Südseite verlegte.
Vergab man früher die schön gelegenen Hotel-Vorplätze bevorzugt an Autos und entsprechende Verkehrswege, so nutzt man diese Flächen heute eher für Parkanlagen, Pools und Sonnendecks. So auch im neuen Luxus-Resort. Dadurch bekam The Silk Lakehouse nicht nur ein neu organisiertes Erdgeschoss, sondern auch mehr Grünflächen. Dort, wo früher die Sonne den Asphalt aufheizte, grünt und blüht es nun aus jeder Ecke.
Make-over der geometrischen Formensprache
Nur das ehemals angeschlossene Wellness-Center musste einem zeitgemäßen Spa-Bereich weichen. Ein halb unter der Erde liegender Swimmingpool mit Wasserfall und üppiger Bepflanzung weckt nun den Eindruck einer natürlichen Grotte, die sich zur umgebenden Landschaft hin öffnet.
Besonderes Augenmerk legten die Architekten auf das äußere Erscheinungsbild des historischen Gebäudes. Sie überarbeiteten die charakteristische geometrische Formensprache der Fassade, sodass ihre materielle Tiefe gewahrt blieb und zugleich ein einheitliches, harmonisches Bild bot. Die Fensterproportionen änderten sie so, dass die Landschaft beim Blick nach draußen einen fotografischen Rahmen bekam.
Bei dieser komplexen Renovierung achtete Kokaistudios stets darauf, dass die Landschaft im Mittelpunkt steht und das kulturelle Erbe gewahrt bleibt. „Das Projekt wertet nicht nur die malerische Umgebung des Westsees auf, sondern bietet auch eine durchdachte und achtsame Designlösung, die dem lebendigen Vermächtnis dieser UNESCO-Welterbestätte ein neues Kapitel hinzufügt.“
Text: Gertraud Gerst
Fotos: RAWVISION studio, Jean-Pierre Gabriel