Tschechische Staatsforsten, Lesy ČR, Chybík + Krištof, Holzbau
#greenbuilding

Waldbaden in der Mittagspause

Die tschechischen Staatsforsten Lesy ČR bekommen ein neues Verwaltungsgebäude, das Architektur und Wald organisch verschränkt. Der Entwurf von Chybík + Krištof wird der größte Holzbau des Landes und lässt das Homeoffice alt aussehen.

Tragwerk und Ausstattung des neuen Verwaltungsgebäudes der Staatsforstbetriebe sollen, soweit möglich, aus Holz sein“, schickte Dalibor Šafařík, der Generaldirektor von Lesy ČR, im Rahmen des Architekturwettbewerbes voraus. Das alte Firmengebäude aus den 1970er-Jahren in der Stadt Hradec Králové entsprach schon lange nicht mehr den betrieblichen Anforderungen und sollte durch einen Neubau ersetzt werden. Bereits 2016 stand der Sieger des Wettbewerbs fest, doch erst im Laufe dieses Jahres ist mit einer Baugenehmigung zu rechnen. Der Grund für die Verzögerung liege im hohen Schadholzanfall in Zentraleuropa, der zwischen 2015 und 2021 mit 411 Millionen Festmetern eine traurige Rekordmarke erreichte. Auch die Materialkosten und Baubedingungen hätten sich geändert, sodass die Planung grundlegend überarbeitet werden musste.

Tschechische Staatsforsten, Lesy ČR, Verwaltungsgebäude, Chybík + Krištof, Holzbau, Tschechien
Der hohe Schadholzanfall und die geänderten Baubedingungen haben zu einer Verzögerung des Großbauprojektes aus Holz geführt.

Was die architektonische Umsetzung angeht, so ist man der ursprünglichen Idee von Chybík + Krištof allerdings treu geblieben, wie die neuen Visualisierungen belegen.

Forsten im Wald

Das Brünner Architekturbüro, das 2010 von den Architekten Ondřej Chybík und Michal Krištof gegründet wurde, konnte sich mit seinem Entwurf „Lesy v lese“ erfolgreich durchsetzen. Was sie unter dem Konzept „(Staats-)Forsten im Wald“, so der Titel auf Deutsch, verstehen, erklären sie wie folgt: „Lesy v lese ist achtsam designt, um mit seiner natürlichen Umgebung eine harmonische Verbindung einzugehen. Das Gebäude verzweigt sich in den Wald hinein, und der Wald erstreckt sich in das Gebäude.“

Das Gebäude verzweigt sich in den Wald hinein, und der Wald erstreckt sich in das Gebäude.

Chybík + Krištof, Architekturbüro

Ein Blick auf die Projektpläne zeigt, wie diese gegenseitige Verzweigung von Architektur und Wald gedacht ist. Das Gebäude gliedert sich in fünf langgestreckte Trakte, die sich von einer zentralen Haupthalle verästelnd in den Wald erstrecken. Eine Gliederung, die an das Organigramm der staatlichen Forstbetriebe angelehnt ist. In den fünf zentral verbundenen Baukörpern sind die einzelnen Abteilungen des Unternehmens untergebracht. 

Tschechische Staatsforsten, Lesy ČR, Verwaltungsgebäude, Chybík + Krištof, Holzbau, Tschechien
In den fünf zentral verbundenen Baukörpern sind die einzelnen Abteilungen des Unternehmens untergebracht. 
Tschechische Staatsforsten, Lesy ČR, Verwaltungsgebäude, Chybík + Krištof, Holzbau, Tschechien
Im Inneren des Verwaltungsbaus dominiert der Werkstoff Holz mit naturbelassenen Oberflächen und einer sehr schlichten Morphologie.

Zwischen diesen Gebäudeflügeln befinden sich üppig begrünte Innenhöfe, die sich in ihrer landschaftsgestalterischen Sprache an der Natur ringsum orientieren. Durch dichte Farne, Felsen und Bäume schlängeln sich kleine Trampelpfade, ganz so wie im angrenzenden Wald. Statt die Mittagspause im Stadttrubel zu verbringen, können die Mitarbeiter hier ausgiebig waldbaden. Da muss man sagen: Bei einer Arbeitsumgebung wie dieser kann das Homeoffice wohl nur schwer mithalten. 

Katalysator für den modernen Holzbau

Dass die Wahl für das Baumaterial auf Holz fiel, lag beim Geschäftsfeld des Auftraggebers auf der Hand. Außerdem, so betont Ondřej Chybík, sei Holz als primäres Baumaterial sehr vielseitig, leistungsstark und nachhaltig, während es zugleich tief in der tschechischen Baukultur verankert sei. Die bestehenden Bauvorschriften würden einer Genehmigung von mehrgeschossigen Holzbauten allerdings oft im Weg stehen, klagt Chybík. 

Tschechische Staatsforsten, Lesy ČR, Verwaltungsgebäude, Chybík + Krištof, Holzbau, Tschechien
Die Rohheit und Funktionalität der Materialien und Strukturen erinnert an die Ästhetik des Brutalismus.

Tschechische Staatsforsten, Lesy ČR, Verwaltungsgebäude, Chybík + Krištof, Holzbau, Tschechien
2026 sollen die Bauarbeiten für den neuen Verwaltungssitz von Lesy ČR beginnen.

In circa drei Jahren, wenn das neue Verwaltungsgebäude der Staatsforsten dann steht, kann es dazu beitragen, den Weg für weitere Projekte zu ebnen. „Als größter Holzbau in der Tschechischen Republik und der angrenzenden Region zielt das Projekt darauf ab, die Möglichkeiten des Bauens neu auszuloten und einen Wandel hin zu nachhaltigeren Bauweisen anzustoßen“, so das Büro in seiner Projektbeschreibung.

Als größter Holzbau in der Tschechischen Republik zielt das Projekt darauf ab, einen Wandel hin zu nachhaltigeren Bauweisen anzustoßen.

Chybík + Krištof, Architekturbüro

Tschechien ist ein bedeutender Produzent und Exporteur von Holz. Gemäß dem Leitspruch Lesy sobě („Die Wälder für dich“) wollen die Architekten auch aufzeigen, wie diese wertvollen Ressourcen durch die Verarbeitung und Nutzung im eigenen Land eine gesteigerte Wertschöpfung erfahren. 

Brutalismus in Holz 

Wie die Visualisierungen zeigen, dominiert im Inneren des Verwaltungsbaus der Werkstoff Holz mit naturbelassenen Oberflächen und einer sehr schlichten Morphologie. In der Klarheit des reduzierten Interior-Konzepts kann der Naturbaustoff seine Wirkung voll entfalten. Außerdem wird dadurch der Wald vor den Fenstern zum Hauptprotagonisten.

Tschechische Staatsforsten, Lesy ČR, Verwaltungsgebäude, Chybík + Krištof, Holzbau, Tschechien
In der Klarheit des reduzierten Interior-Konzepts wird der Wald ringsum zum Hauptprotagonisten.

Die Brettsperrholz-Brüstungen und Treppengeländer erinnern mit ihrer schnörkellosen Plattenoptik an die Ästhetik des Brutalismus. Die Rohheit und Funktionalität der Materialien und Strukturen zu betonen, funktioniert also auch im Holzbau wunderbar. Dieser minimalistisch-rohe Gestaltungsansatz hebt sich erfrischend von der üblichen Lattenoptik im Holz-Innenausbau ab. 

Dass forstwirtschaftliche Betriebe auf eine anspruchsvolle Holzarchitektur setzen, hat schon die Forst Administration Lodge nahe der tschechischen Gemeinde Šimpach gezeigt. Der neue Verwaltungssitz der staatlichen Forstbetriebe Lesy ČR legt die Latte besonders hoch. Nicht nur, was den konstruktiven Holzbau und das architektonische Design angeht, auch der angestrebte Passivhaus-Standard und die Produktion von eigenem Sonnenstrom am Dach sind klare Wegweiser für das Bauen von morgen.

Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: Chybík + Krištof

Jetzt Newsletter Bestellen <>