Ein Zirkus setzt auf Holzbau
Dass auch ein Lagerhaus ein schönes Stück Architektur sein kann, zeigt das neue Winterquartier von Circus Knie. War der Bestandsbau nach 60 Jahren abrissreif, verspricht der Neubau in Holzbauweise eine längere Lebensdauer.
Lastwagen, Traktoren, Tiertransportwagen, Wohnmobile, Zeltwagen, Bürowagen und noch viel mehr: Der Fuhrpark des Schweizer National Circus Knie umfasst an die 150 Fahrzeuge, mit denen er jedes Jahr durch die Schweizer Kantone tourt. Mit dabei sind über 1.000 Tonnen Material, die bei jeder Station auf- und anschließend wieder abgebaut werden. Wenn der Zirkus Pause macht, dann bezieht er das Winterquartier im St. Gallener Ort Wagen. Die ursprüngliche Halle stammt aus den 1970er-Jahren und war bereits baufällig geworden. So entschied man sich für einen Ersatzneubau, der die Lagerstätten des Zirkus zentralisieren und zusätzlich auch die Werkstätten unterbringen soll.
Der Entwurf des Schweizer Büros Raumfindung Architekten ist nicht nur den funktionalen Ansprüchen der Lagerflächen gerecht geworden. Es ist außerdem ein ästhetisch anspruchsvoller und zukunftsweisender Holzbau entstanden.
Hybridkonstruktion aus Holz und Beton
Schon beim Bau von Knies Zauberhut, einer multifunktionalen Eventlocation in Rapperswil am Zürichsee setzte der Schweizer Ableger der weitverzweigten Zirkusdynastie Knie auf den modernen Holzbau. Anders als bei der ausdrucksstarken Freiformkonstruktion des Zauberhuts folgt das Winterquartier der Typologie entsprechend einer rationalen Ordnung.
Das auskragende Vordach rund um das Gebäude schützt die Fassaden und schafft einen überdachten Außenbereich für die Werkstätten.
Raumfindung Architekten
Das Tragwerk besteht aus einer Hybridkonstruktion aus Holz und Beton. V-förmige Stützen und Träger überspannen die Halle in Ost-West-Richtung, sodass sich stützenfreie Fahrgassen für die zahlreichen Gefährte des Zirkus ergeben. „Das auskragende Vordach rund um das Gebäude schützt die Fassaden und schafft einen überdachten Außenbereich für die Werkstätten“, erklärt das zuständige Architekturbüro Raumfindung.
Holz senkt die graue Energie
Abgesehen vom Erschließungskern bestehen auch das Fundament und die Bodenplatte aus Ortbeton, während es sich bei den Sockeln für die V-Stützen um vorgefertigten Elementen handelt. Im mittleren Teil des Gebäudes ragt eine Art Dachgeschoss in die Höhe, in dem sich großformatige Requisiten verstauen lassen.
Auf diesem leicht geneigten Trogdach ist eine Photovoltaikanlage angebracht, die das Gebäude mit eigenem Strom versorgt. Dies sorgt für einen minimalen CO2-Fußabdruck im täglichen Betrieb der Halle, während der nachwachsende Baustoff Holz die graue Energie reduziert, die bei der Errichtung des Bauwerks anfällt. Die graue Energie bezeichnet die gesamte nicht erneuerbare Primärenergie, die für Herstellung, Transport, Lagerung und Entsorgung eines Gebäudes anfällt.
Redimensionierung der Halle
Bei der ersten Planung, die bereits vor über zehn Jahren erfolgte, war noch ein wesentlich größerer Baukörper im Gespräch. Knapp 20 Meter hoch hätte die Halle ursprünglich werden sollen. Aufgrund des geänderten Tourneeplans, der nur mehr eine einmonatige Pause für den Zirkusbetrieb vorsieht, konnte das Winterquartier neu dimensioniert werden.
Mit einer Höhe von 8,5 Metern fügt sich der Bau nun gut in das Landschaftsbild ein, was auch im Sinne der Einwohner des kleinen Ortes Wagen ist. Am Rand der bebauten Fläche sollen zudem Bäume gepflanzt werden. „Die zurückhaltende Holzfassade, die extensive Dachbegrünung sowie die gezielten Maßnahmen in der Umgebungsgestaltung schaffen eine angemessene Einbettung des Winterquartiers in die landschaftliche Umgebung“, heißt es in der Projektbeschreibung.
Ein langer Lebenszyklus
Die große Halle mit den seitlichen Falttüren macht klar, was für ein logistisches Großprojekt ein Zirkus eigentlich ist. Mit dem qualitativ hochwertigen Holzbau hat Circus Knie nicht nur ein schönes und nachhaltiges Winterquartier bekommen. Man darf auch davon ausgehen, dass der Ersatzneubau eine wesentlich längere Lebensdauer hat als die alte Halle.
Ein gut gewarteter Holzbau mit einem durchdachten konstruktiven Holzschutz kann durchaus mehrere Generationen überdauern. Wie die gut erhaltenen Stabkirchen in Skandinavien zeigen, kann ein Bauwerk aus Holz sogar ein Jahrtausend überdauern.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Raumfindung Architekten