Wenn an der Londoner Clerkenwell Road demnächst eine neue Baustelle aufmacht, dann nicht so lange wie üblich. Der neue Büroturm Xylo wird der größte Ingenieur-Holzbau Großbritanniens, und die Vorfertigung verkürzt bekanntlich die Bauzeit.

Willkommen in einer neuen Ära, in der Gebäude wachsen, Beziehungen gedeihen und Unternehmen florieren“, tönt der britische Developer Global Holdings Management Group angesichts seines jüngsten Projekts in London. Xylo, das sich vom griechischen Wort Xylos für Holz ableitet, soll der größte Ingenieur-Holzbau Großbritanniens werden, und der nachhaltigste obendrein. „Im Herzen der Stadt, wo Beton und Stahl dominieren, findet gerade eine Revolution statt“, heißt es auf der Projektwebsite des rund 9.000 Quadratmeter großen Büroturms. Was den Vormarsch des klimafreundlichen Baustoffs im gesamten Königreich angeht, so war dieser etwas ins Stocken geraten.

Xylo, Bürohaus, London, Piercy&Company, Holzbau
Die Lobby des Bürohauses Xylo wird von einem Holzgewölbe überspannt.

Gemeinsamer Plan für den Holzbau

Die Anzahl der englischen Neubauten in Holzbauweise stieg seit Jahren kontinuierlich an, bis die Bauvorschriften diesbezüglich überarbeitet wurden. „Diese Änderungen hatten zur Folge, dass das Vertrauen in den modernen Holzbau, der zur Erreichung unserer Klimaziele notwendig ist, geschwächt wurde“, erklärt das UK Green Building Council (UKGBC). Um diese Hürde zu überwinden, entwickelte man gemeinsam mit Vertretern der Industrie das New Model Building, eine detaillierte Methodik für die Planung von mehrstöckigen Holzgebäuden. 

Alle Anforderungen des Holzbaus bezüglich Brandschutz, Feuchtigkeitsmonitoring und Schallschutz sind darin übersichtlich vereint und schaffen so Klarheit für Planer, Bauträger, Versicherer und Investoren. Ein nützliches Tool, das auch verhindern soll, dass Bauträger bei Holzbauprojekten das Rad immer wieder neu erfinden müssen.

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Die Fassadengestaltung orientiert sich an den viktorianischen Häusern der Umgebung.

Holzgewölbe in der Lobby

Dass es sich beim achtstöckigen Bürogebäude Xylo um einen Holzbau handelt, das werden künftig auch Passanten bemerken, die von der nahe gelegenen Farringdon Station kommen und im Vorbeigehen einen Blick hinein werfen. Durch die Glasfronten und das Eingangsportal sind den Visualisierungen zufolge die massiven Brettschichtholzstützen und -träger erkennbar, die das Tragwerk des Gebäudes bilden. 

Mit über 2.400 Tonnen CO2, die im Holz gespeichert sind, ist der Holzbau während seiner Lebensdauer praktisch CO2-negativ.

Piercy&Company, Architekturbüro

Über der Lobby mit doppelter Raumhöhe erhebt sich ein Holzgewölbe, das an das Stabnetztragwerk der Zollinger-Bauweise erinnert. Anders als bei der freitragenden Hallen-Bauweise handelt es sich in diesem Fall um ein dekoratives Element, das den Holzbau und seine jahrhundertealte Tradition feiert. Immerhin steht in der Grafschaft Essex die St Andrew’s Church, die als älteste Holzkirche der Welt gilt.

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Die Auskragungen an der Fassade sorgen für eine passive Verschattung des Gebäudes.

CO2-negatives Bauen

Der Entwurf für das Bürohaus an der geschäftigen Clerkenwell Road stammt vom Architekturbüro Piercy&Company. Das Tragwerk bildet ein Rahmen aus Brettschichtholz mit Wänden aus Brettsperrholz. Das größte Argument für den nachwachsenden Baustoff waren neben einem gesunden Arbeitsumfeld auch die CO2-Emissionen, die beim Bau des Gebäudes anfallen. „Die graue Energie in der Konstruktion ist unglaublich niedrig, und mit über 2.400 Tonnen CO2, die im Holz gespeichert sind, ist der Holzbau während seiner Lebensdauer praktisch CO2-negativ“, erklärt das vielfach preisgekrönte Architekturbüro mit Sitz in London.

Holz ist der Grundstein für eine blühende Zukunft, in der die gebaute Umwelt die Gesundheit der Menschen und des Planeten fördert, anstatt sie zu gefährden.

Global Holdings Management Group, Developer

Die klimafreundliche Bauweise werde in Zusammenhang mit der Hochleistungsfassade das Klima-Rating für Bürogebäude des UK Green Building Council um mehr als 50 Prozent übertreffen, so die Erwartung von Bauherrschaft und Architekten.

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Der mehrgeschossige Holzbau Xylo könnte in London Schule machen.

„Angesichts der Beschleunigung des Klimawandels war die Dringlichkeit noch nie so groß, die Art und Weise zu überdenken, wie wir unsere Arbeitsplätze gestalten und bauen“, erklärt der Developer. „Holz ist mehr als nur ein Material. Es ist der Grundstein für eine blühende Zukunft, in der die gebaute Umwelt die Gesundheit der Menschen und des Planeten fördert, anstatt sie zu gefährden.“

Passive Verschattung

Dass Xylo auch im täglichen Betrieb weniger CO2-Emissionen erzeugen wird als herkömmliche Gebäude – laut Entwickler rund 82 Prozent weniger –, führt man auf die hocheffiziente Fassade zurück. Das Äußere des Gebäudes lehnt sich funktional und ästhetisch an den viktorianischen Häusern in der direkten Umgebung an. 

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Die sichtbare Konstruktion sorgt im Inneren für ein Wohlfühlambiente.

Die prägnante Fassade mit ihren abgerundeten Fenster-Laibungen kragt je nach Ausrichtung des Gebäudes unterschiedlich stark aus, sodass das Innere passiv verschattet wird. Dies senkt den Kühlbedarf im Sommer und trägt damit zu einem ressourcenschonenden Betrieb bei. Wie die tatsächliche Heiz- und Kühlenergie bereitgestellt wird, dazu gibt es keine Angaben.

Auch wenn Großbritannien nicht an den Green Deal der EU gebunden ist, so war es noch zu EU-Mitgliedszeiten das erste G7-Land, das die Klimaneutralität bis 2050 gesetzlich verankert hat. Während man in London heute noch eher auf Superlative in Beton und Stahl setzt, wie etwa bei dem geplanten Wolkenkratzer The Tulip, werden Holzbauprojekte wie das Xylo künftig Schule machen. An der Dekarbonisierung des Bausektors führt kein Weg vorbei.

Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: Piercy&Company

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