Für eine Familie, die aus der Großstadt flüchten möchte, stellte Architekt Paul Uhlmann eine Scheune in den australischen Busch. Die ist aber nur auf den ersten Blick ein simpler Schuppen.

Lasst uns doch einfach einen Zufluchtsort am Land bauen! Dann können wir jederzeit raus aus dem Hamsterrad und rein ins private Paradies. Das ist eine dieser Ideen, die jede Stadtpflanze irgendwann einmal hat. Die sich allerdings nur die wenigsten auch wirklich leisten können.

Ab in den Busch

Die Auftraggeber des international tätigen Architekten Paul Uhlmann jedoch, die hatten ganz offensichtlich das nötige Kleingeld, um sich ein Flucht-Domizil im australischen Busch nicht nur wünschen zu dürfen. Sie haben es nach ihren durchaus überraschenden Vorstellungen einfach gebaut.

Und diese haben ihre Wurzeln in der Familienbiografie: Viele Jahre hatte das Ehepaar mit seinen zwei Kindern in den USA gelebt und offenbar an den dort üblichen Schuppen-Konstruktionen Gefallen gefunden. „Die Eigentümer kamen zunächst mit dem Auftrag zu uns, eine ‚amerikanische Scheune‘ zu entwerfen“, erinnert sich Paul Uhlmann an den Erstkontakt. Allerdings einigte man sich schlussendlich darauf, die Idee der Scheune nicht bloß aufzugreifen, sondern zusätzlich voranzutreiben.

Schuppen 2.0

Paul Uhlmann führt weiter aus: „Die geschwungene Scheunenform interpretiert nun eine Standardgiebelform, wie sie bei lokalen Schuppen und Scheunen zu finden ist neu.“ Man hat also nicht – wie in der Architektur derzeit ziemlich hip – einfach lokale, regionalen Formen integriert. Stattdessen wurden die bestehenden Details schlichtweg so adaptiert, dass sich diese besser in die vorherrschenden Landschaft einbetten und gleichzeitig auch aus ihr hervorstechen.

„Die Aussagekraft einer einzelnen Form kommt im australischen Busch besonders gut zur Geltung, da die Gegend meist recht frei und locker geformt ist“, schildert Uhlmann seinen Zugang zum finalen Konzept von „The Barn“, wie das Projekt – wenig überraschend – auch offiziell heißt (zu Deutsch „Die Scheune“). Nachsatz: „So bildet eine einzelne Form oft schon einen starken Kontrast zur Kulisse. Das war unser Anliegen.“

Schuppen vor den Augen

Schuppen vor den Augen

Schuppen vor den Augen

Schuppen vor den Augen

Eines kann man nun auf den ersten Blick sagen: Mission erfüllt! Die Neuinterpretation eines US-Schuppens sticht in der kargen und weitläufigen Steppe des Outback sogleich ins Auge: Aus australischem Hartholz errichtet, lassen sich alle Seitenwände des länglichen Objekts vollständig öffnen. Dies ermöglicht nicht nur eine rasche Belüftung der Räume, sondern soll vor allem den Kindern der Familien und deren Freunden die Freiheit geben, jederzeit überall hin gehen zu können. Hinaus mit Euch! Ab, in die Weite der Natur!, so die Botschaft.

Endlich, frei!

Ein Gedanke, der sich nicht nur auf das aktive Leben der Familie im Nirgendwo Australiens beschränkt, sondern auch auf die passiven Lebensmomente – die Nachtruhe. Deshalb versuchten die Architekten mittels eigener Holzkonstruktionen kathedralenähnliche Decken und Fenster zu schaffen. So sollte der Blick möglichst auf das Buschland rund um das Anwesen frei gemacht werden.

Schuppen vor den Augen

Schuppen vor den Augen

Schuppen vor den Augen

Schuppen vor den Augen

Aus dem gleichen Grund wurden in das Wellblechdach direkt über den Schlafbereichen Dachfenster eingeschnitten, die den Blick in den Sternenhimmel freigeben. Aber auch die vorhin schon erwähnte sanfte Abrundung des Scheunendachs spielt in diesem Spiel der Weitsicht eine tragende Rolle: Die sanfte Wölbung ermöglicht großflächigere Fensterfronten, die wiederum mehr Blick in das Umland – insbesondere auf die Pferdekoppeln – freigeben.

Auf den eleganten Pferden lastet in diesem Fall offenbar eine besondere Verantwortung: Spätestens, wenn die Familie auf den Rücken der Pferde Richtung Sonnenuntergang reitet, muss das Hamsterrad vergessen sein. Deshalb sind die stolzen Tiere schließlich seit Jahren die Lieblinge der Familie.

Klingt jedenfalls nach einer für alle Seiten erfreulichen und unter den vorherrschenden Bedingungen machbaren Aufgabe. In diesem Sinne: Hü-Hott!

Text: Johannes Stühlinger
Fotos: Andy Macpherson Studio

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