Auenweide, einszueins architektur, holzbau
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Nachhaltig leben in der Auenweide

Eine neue Art von Miteinander und nachhaltiger Lebensraum zu leistbaren Preisen. Das verspricht das alternative Wohnprojekt Auenweide. Was das Holzbauprojekt so besonders macht, das hat Architekt Markus Zilker gegenüber dem ubm magazin. erklärt.

Um einen begrünten Platz mit Spielfläche und Feuerstelle sind acht Mehrfamilienhäuser und zwei Gemeinschaftshäuser aus Holz gruppiert, mit unterschiedlich ausgeformten Baukörpern. Mal zwei-, mal dreistöckig. Mal eckig, mal rund. Mal mit Flach-, mal mit Giebeldach. Eine typologische Vielfalt, die, ebenso wie der mittige Platz, einer dörflichen Struktur nachempfunden ist. Die einheitliche Lärchenfassade und das gestalterische Konzept schweißen das Ensemble zu einer unmissverständlichen Einheit zusammen – der Auenweide.

Insgesamt leben hier 46 Menschen, die mit dem gemeinschaftlichen Wohnprojekt eine Vision umgesetzt haben. Die Vision von einer neuen Form des ländlichen Zusammenlebens, das auf einem nachhaltigen Lebensstil und einer gelebten Gemeinschaft basiert. Eine Alternative zum klassischen Einfamilienhaus, das in Zeiten von Klimawandel und sozialer Vereinzelung nicht mehr wirklich zeitgemäß ist.

Gemeinschaftshaus, Auenweide, einszueins architektur
Ein Co-Working-Space, eine Gästewohnung und das Gemeinschaftshaus (Bild) sind Bereiche, die von allen Bewohnern genutzt werden.

Zwischen Individuum und Kollektiv

Entstanden ist das alternative Wohnkonzept in enger Zusammenarbeit zwischen den künftigen Bewohnern und dem Team von einszueins architektur, das bereits mehrere Projekte dieser Art begleitet hat. Durch den partizipativen Ansatz war die Bauherrengemeinschaft über den ganzen Planungsprozess beteiligt. „Am Anfang stand nicht die Meinung eines Architekten, Entwicklers oder Investors, sondern die Träume und Wünsche der Menschen, die dort leben werden“, erklärt Markus Zilker, Gründungspartner von einszueins architektur, den Unterschied zu einem herkömmlichen Wohnbauvorhaben. „Man beginnt das Projekt nicht als Haus zu denken und dreht den Prozess damit komplett um.“

Am Anfang stand nicht die Meinung eines Architekten, Entwicklers oder Investors, sondern die Träume und Wünsche der Menschen, die dort leben werden.

Markus Zilker, Architekt und Gründungspartner von einszueins architektur

Die Zusammenarbeit erfolgte über unterschiedliche Arbeitsgruppen und betraf sowohl grundlegende Entscheidungen wie die Wahl der Baumaterialien als auch individuelle Entscheidungen zu den einzelnen Wohneinheiten. Ein intensiver Partizipationsprozess, der einerseits eine ungeahnte Vielschichtigkeit generiert, aber gleichzeitig auch herausfordernd sein kann, weiß Zilker. „Man muss versuchen die Grenzen des Machbaren und die Vielfalt der Wünsche ohne Frustration unter einen Hut zu bringen. Es ist immer ein Balanceakt zwischen dem Individuellen und dem Kollektiven.“

Platz, Auenweide, einszueins architektur
Die acht Baukörper in Holzriegelbauweise sind um einen zentralen Platz gruppiert.

Kompromisslos ökologisch

Dass sich der intensive Austausch gelohnt hat, davon zeugt das ganzheitliche Projekt, das aus der Zusammenarbeit entstanden ist. Der ökologische Anspruch, den man gemeinsam umgesetzt hat, ist ziemlich kompromisslos. Die Niedrigstenergiehäuser wurden ressourcenschonend in Holzriegelbauweise gefertigt. Die Außenwände sind von innen mit Lehmbauplatten und Lehmfeinputz beplankt. Eine Grundwasser-Wärmepumpe und ein Niedertemperatur-Nahwärmenetz sorgen umweltschonend für wohlige Temperaturen, der Strom stammt aus Photovoltaik-Anlagen. 

Die Dämmung der Häuser besteht aus Stroh. Eine Lösung, bei der Zilker ins Schwärmen kommt, auch wenn die Initiative dafür von jemandem aus der Bauherrschaft ausging. „Ökologisch betrachtet ist es ein Unterschied, ob man mit Zellulose aus Bäumen dämmt oder mit einem Abfallprodukt aus der Landwirtschaft“, erklärt Zilker. „Stroh ist ein riesiger Hebel zur CO2-Reduktion. Man fragt sich, warum man jemals wieder anders dämmen sollte.“

Schnitt, Auenweide, einszueins architektur
Die typologische Vielfalt spiegelt die unterschiedlichen Bedürfnisse der Bewohner wider.

Strohdämmung als CO2-Hebel

Das Dämmen mit Stroh erfährt in Deutschland gerade eine Renaissance und bekommt durch das aktuelle Forschungsprojekt Urban Straw der TU Wien und Architekt Peter Schubert neuen Aufwind. Ziel des Projektes ist es, den Natur-Dämmstoff auch für mehrgeschossige urbane Bauvorhaben zu etablieren. Vor allem für den mehrgeschossigen Holzbau soll Stroh eine optimale Materialergänzung bieten. Dazu hat man unterschiedliche Brandschutzmaßnahmen getestet, wobei sich die konstruktive Abschirmung des Strohs mit Holzwolleleichtbauplatten als beste Lösung herausgestellt hat.

Für Gebäude mit bis zu sechs Geschossen soll die Strohdämmung also bald einsetzbar sein. Zur Marktüberführung fehlen allerdings noch die nötigen Zertifizierungen und jemand, der dafür etwas Geld in die Hand nimmt, bedauert Zilker. Dem ökologischen Fußabdruck eines Gebäudes kommt das Isolieren mit Stroh jedenfalls sehr zugute. 

Urban Straw, Dämmstoff aus Stroh
Während des Wachstums entziehen die Getreidepflanzen der Atmosphäre mehr Kohlenstoff als es braucht, um den Dämmstoff herzustellen.

Die Strohdämmung ist Kreislaufwirtschaft in Vollendung und in Wirklichkeit eine Sensation. Sie hätte das Potenzial, 90 Prozent der österreichischen Dämmstoffe zu ersetzen.

Markus Zilker, Architekt und Gründungspartner von einszueins architektur

Die Strohdämmung braucht nämlich kaum Herstellungsenergie, da die getrockneten Halme lediglich gehäckselt und für die Einblasdämmung verwendet werden. Während des Wachstums entziehen die Getreidepflanzen der Atmosphäre mehr Kohlenstoff als es braucht, um den Dämmstoff herzustellen. So bleibt er in den Wänden eines Gebäudes langfristig gebunden. 

Über die Entsorgung des Strohs muss man sich auch keine Gedanken machen, da das Material, genauso wie der Bio-Müll, einfach kompostiert. „Das ist Kreislaufwirtschaft in Vollendung und in Wirklichkeit eine Sensation, wird aber erst von wenigen so erkannt, weil wir so technologiegläubig sind“, schwärmt Zilker. „Stroh hätte das Potenzial, 90 Prozent der österreichischen Dämmstoffe zu ersetzen.“

Die Wildnis nebenan

Durch die verdichtete Bauweise ist es gelungen, dass 1.200 Quadratmeter Wald, der ein Fünftel des Baulandes ausmacht, erhalten blieb. „Dass wir das geschafft haben, zählt zu den größten Befriedigungen bei diesem Projekt.“ Diese „Wildnis nebenan“, wie der Wald durch die Projektbetreiber genannt wird, nutzen vor allem die Kinder als naturnahen Spiel- und Entdeckungsraum.

Wald, Auenweide, einszueins architektur
Ein Fünftel des Baulandes ist Wald, der im Zuge des Bauprojektes erhalten blieb.

Man kommt aus dieser kapitalistischen Logik ein Stück weit heraus, indem man im Sinne des Prosuming eine Art Produzenten-Konsumenten-Gemeinschaft bildet.

Markus Zilker, Architekt und Gründungspartner von einszueins architektur

Dass die ökologische Siedlung nahe der Donau-Auenlandschaft auch leistbaren Wohnraum bietet, dafür sorgt das alternative Finanzierungskonzept. Über einen Vermögenspool, der schon in den ersten zweieinhalb Monaten 650.000 Euro generierte, konnte 2018 das Grundstück gekauft und anschließend das gesamte Bauvorhaben finanziert werden.

Gemeinschaftliche Wohnprojekte wie die Auenweide bilden für den Architekten auch ein wirtschaftliches Gegenmodell zum klassischen Konsumismus: „Man kommt aus dieser kapitalistischen Logik ein Stück weit heraus, indem man im Sinne des Prosuming eine Art Produzenten-Konsumenten-Gemeinschaft bildet.“ Da die Bewohner in den gesamten Entstehungsprozess involviert sind, sind sie somit bis zu einem gewissen Grad auch für das Endergebnis mitverantwortlich.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Hertha Hurnaus

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