Ein Schiff geht vor Anker
Einer der nachhaltigsten Pavillons der diesjährigen Expo in Osaka kommt vom Inselstaat Bahrain. Entwurf und Planung für den schiffsähnlichen Bau lieferte die aufstrebende Architektin Lina Ghotmeh und nimmt dabei Kurs auf die Bauwende.
Den Segelschiffstyp Dhau gibt es vermutlich seit dem vierten Jahrhundert. Dabei handelt es sich um Ein- bis Dreimaster, die im arabischen Raum sowie in allen Länden zu finden sind, die an den Indischen Ozean grenzen. Im arabischen Königreich Bahrain entwickelte sich neben der intensiven Nutzung von Erdöl- und Erdgasvorkommen unter anderem auch der Schiffbau zu einer bedeutenden Branche. Auf der diesjährigen Expo in der japanischen Hafenstadt Osaka beruft sich der autoritäre Inselstaat auf dieses kulturelle Erbe und präsentiert sich von seiner gesellschaftlich und ökologisch aufgeschlossensten Seite. Für den Expo-Pavillon in Holzbauweise engagierte Bahrain den weiblichen Shootingstar der internationalen Architekturszene: Lina Gotmeh.
Der Pavillon spiegelt Bahrains historische Verbindung zum Meer wider und ist vom traditionellen Dhau-Bau inspiriert.
Lina Ghotmeh Architecture
Die libanesisch-französische Architektin mit Sitz in Paris hat soeben den Wettbewerb um die Neugestaltung des British Museums gewonnen, einem der größten Prestigeprojekte unserer Zeit. Sie steht für eine klare architektonische Haltung und liefert Entwürfe, die sich intensiv mit dem jeweiligen Kontext und der Frage der Ressourcen auseinandersetzen. So auch für den diesjährigen Expo-Pavillon „Connecting Seas“ von Bahrain, der Anfang April offiziell eröffnet wurde.
Anatomie einer Dhau
Die Ähnlichkeit des Bauwerks mit einem Schiff ist daher kein Zufall, sondern Programm. „Der Pavillon spiegelt Bahrains historische Verbindung zum Meer wider und ist vom Seefahrererbe des Königreichs und dem traditionellen Dhau-Bau inspiriert“ erklärt das Büro Lina Ghotmeh Architecture und beruft sich auf das Konzept „Anatomie einer Dhau“. „Es ist ein Raum, der Nachhaltigkeit, kulturellen Austausch und Handwerk miteinander verbindet.“
Im Detail ist der Pavillon aus 3.000 Einzelbauteilen zusammengesetzt, die allesamt aus unverarbeitetem Konstruktionsholz bestehen. Bei der Montage dieser standardisierten Holzelemente holten sich die Planerinnen und Planer Inspiration beim Gastgeberland. Japan ist bekannt für seine kunstvollen Holzverbindungstechniken, die ganz ohne Metall auskommen. In Hunderten von Jahren hat man die unterschiedlichen Holzkonstruktionen derart verfeinert, dass manche Verbindungen mit freiem Auge nicht als solche zu erkennen sind.
Komplett rückbaubare Konstruktion
Damit ist die schiffsähnliche Konstruktion zur Gänze rückbaubar. „Ein kleinstmögliches Fundament hält den Betonverbrauch gering, fast alle Materialien sind wiederverwendbar, und die passive Kühlung reduziert den Energieverbrauch – ein Beweis für nachhaltige Innovation“, erklärt Lina Gotmeh.
Die in Beirut geborene Architektin setzt bei ihrer Arbeit vermehrt auf die ausgefeilte Klimaarchitektur, die vor allem der arabische Raum hervorgebracht hat. Derartige Low-Tech-Lösungen, wie eine natürliche Kühlung oder Lüftung, stehen in Zeiten von Klimakrise und Bauwende wieder hoch im Kurs.
Ein kleinstmögliches Fundament hält den Betonverbrauch gering, fast alle Materialien sind wiederverwendbar, und die passive Kühlung reduziert den Energieverbrauch – ein Beweis für nachhaltige Innovation.
Lina Ghotmeh, Architektin
Der imposante Pavillon ist von einem Wasserbecken eingefasst, was den Eindruck einer stilisierten Schiffskonstruktion verstärkt. 13 bis 17 Meter ragt der Bau in die Höhe und verweist mit seinem geschwungenen Korpus auf die charakteristische Form einer Dhau.
Diese zeichnet sich durch einen weit ausfallenden Vorsteven aus, also jenen Teil des vorderen Schiffsgerüsts, an dem die Bugwände zusammenlaufen.
Ökologisch und sozial nachhaltig
Auf knapp 1.000 Quadratmetern ist damit einer der nachhaltigsten Pavillons der diesjährigen Expo entstanden. Mal abgesehen von der gigantischen ringförmigen Holzkonstruktion, die das gesamte Ausstellungsgelände einfasst. Der japanische Architekt Sou Fujimoto hat mit dem Grand Ring die bis dato größte Brettschichtholz-Konstruktion der Welt geschaffen.
Die Ausstellung im Inneren des Pavillons verspricht ein sinnliches Erlebnis, das unterschiedliche Themen von nationaler Bedeutung künstlerisch aufbereitet. Laut Noura Al Sayeh Holtrop, der stellvertretenden Generalkommissarin des Pavillons, wolle man dabei der Resilienz und Anpassungsfähigkeit von Seefahrer-Nationen nachspüren. „Das Meer ist von zentraler Bedeutung für die Inseln von Bahrain, ebenso wie für die japanische Kultur. Dies kommt in Kunst, Fotografie, Musik und Film zum Ausdruck“, erläutert sie das inhaltliche Programm.
Das im Pavillon integrierte Café bietet ein ganz besonderes kulinarisches Erlebnis. Tala Bashmi, die junge bahrainische Starköchin, wagte sich dort an eine Fusion ihrer Heimatküche und der japanischen Cuisine. Dass am Bahrainer Expo-Beitrag auffallend viele Frauen mitmischen, zeugt nicht zuletzt von der Vorreiterrolle, die das Königreich im arabischen Raum bezüglich Gleichberechtigung einnimmt. Doch auch im internationalen Vergleich geht das Land damit mit gutem Beispiel voran.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Iwan Baan, Ishaq Madan