Finnland setzt einmal mehr einen Meilenstein: Man hat Baugenehmigungsverfahren weitgehend digitalisiert – in der Stadt Järvenpää können Bauherr:innen den (an sich) komplizierten Prozess jetzt sogar selbst online durchführen. Das spart Zeit und Geld.

Die Finnen und Finninnen saunen um die Wette, sind echte Champions, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht und nicht zuletzt sind sie großartige Erfinder:innen, so stammen beispielsweise das Handyspiel Angry Bird, aber auch das Linux-Betriebssystem aus dem Land der tausend Seen.

Und gerade, wenn es um die Digitalisierung geht, ist Finnland der Welt immer einen Schritt voraus: Das Land hat nämlich sein Baugenehmigungsverfahren weitgehend digitalisiert. In mehr als 95 Prozent der finnischen Städte und Gemeinden werden Baugenehmigungen mittlerweile über ein papierloses Antrags- und Prüfungsverfahren vergeben. Und eine Stadt in Finnland ist nun noch weiter gegangen, denn dort wurde das Verfahren mittels Algorithmus automatisiert.

Eine Stadt wächst

Järvenpää liegt in den Wäldern Finnlands, in der Region Uusimaa. Umgeben vom See Tuusulanjärvi und üppigen Wäldern, fügt sich die Stadt mit rund 45.000 Einwohner:innen in eine malerische Landschaft ein. Die Geschichte Järvenpääs ist eng mit dem finnischen Komponisten Jean Sibelius verbunden. Er war einer der bedeutendsten Musiker Finnlands und lebte von 1856 bis 1957 hier, im Süden des Landes. Sein Wohnhaus, als Sibelius-Haus oder Ainola bekannt, beherbergt heute ein Museum.

Jean Sibelius mit seiner Familie im Jahr 1915.

Heute ziehen viele Menschen nach Järvenpää, denn die Verkehrsanbindung nach Helsinki ist sehr gut und der Wohnrraum in Helsinki sehr teuer. Deswegen wächst Järvenpää kontinuierlich. Und wo es neue Bewohner:innen gibt, braucht es natürlich auch mehr Wohnraum … sowie eine Baugenehmigung. Ein Glück, dass dieser Vorgang hier nun automatisiert wurde.

Einfach digital

Dass das System in Järvenpää entwickelt werden konnte, ist auch der Bauaufsichtsbehörde der Stadt Vantaa zu verdanken, denn die hat hier wichtige Vorarbeit geleistet. Die Bauverwaltung der Stadt, die an Helsinki grenzt, prüft bereits seit 2018 alle Bauanträge digital. In Zahlen sind das rund 1500 Genehmigungsverfahren pro Jahr.

Um nun die Baugenehmigung in Järvenpää oder Vantaa prüfen zu lassen, muss man ein digitales Modell des geplanten Gebäudes erstellen, wobei dieses alle für die Prüfungen erforderlichen geometrischen Angaben und Information zu Materialien und Konstruktionsweisen enthalten muss. Das Modell reicht man dann online ein. Die Daten müssen in einer IFC-Datei, kurz für Industry Fundation Classes, verpackt sein. IFC ist ein Datenschema, dass von buildingSmart verwaltet wird.

Die eingereichten Angaben des Bauvorhabens überprüft die Firma Solibri mit dem Programm Modell Checker. Solibiri ist ein finnischer Softwareanbieter, der zur deutschen Nemetschek-Gruppe gehört. Seine Aufgabe ist es, zu überprüfen, ob das Bauvorhaben mit den Vorschriften des finnischen Baurechts kollidiert.

Järvenpää und Vantaa nutzen die Online-Plattform Lupapiste, so wie 60 Prozent aller finnischen Gemeinden. Diese Plattform dient der Kommunikation zwischen den Baubehörden, Bauherrn, Architekt:innen und Planner:innen. Dort stehen alle Informationen zu einem Bauvorhaben zur Verfügung, sowie ein Archiv aller jemals erteilten Baugenehmigungen und Datenbanken der Behörde, sowie Stadt- und Katasterpläne.

Alles in 3D

Wer gerne ein dreidimensionales Modell der Stadt oder Gemeinde sehen möchte, wird dort ebenfalls fündig. Diese sind im CityGML Format des Open Geospatial Consortiums zugänglich. CityGML, ein herstellerunabhängiges Datenschema, lässt sich in das IFC-Format integrieren. So können sich, sobald der Bauantrag mit einem digitalen Projekt eingereicht ist, die Nachbar:innen und Bürger:innen im 3D-Modell der Gemeinde ansehen, wie das Neubauprojekt sich auf die Nachbarschaft auswirkt.

Der Leiter der Bauinspektion von Vantaa, Pekke Virkamäki, und die BIM-Koordinatorin der Stadt, Jekaterina Masjagutova, erklären, dass durch die Digitalisierung der Prozesse in der Bauverwaltung in Vantaa die Arbeit um 30 Prozent effizienter wurde. Das alles wurde aber nur möglich, indem das finnische Parlament ein Gesetz, das Building Act, geändert hat. Dieses beinhaltet umfassende Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels, die in die Bauvorschriften integriert werden. Das Gesetz soll auch die Bauprozesse erleichtern, die Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung fördern sowie die Qualität des Bauens verbessern. Das Baugesetz tritt am 1. Januar 2025 in Kraft. Wenn es um den Fortschritt geht, können wir uns wohl alle von den Finn:innen noch eine Scheibe abschneiden.

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