Der britisch-französische Architekt Arthur Mamou-Mani hat eine Cabana fürs Büro entworfen und dabei die Grenzen der Bugholz-Technik mithilfe parametrischer Simulation neu ausgelotet. Das Ergebnis ist Digital Craft von morgen.

Die Form hat etwas sehr Organisches. Sie wirkt wie die getrocknete Hülse einer überdimensionalen Frucht. Tatsächlich ist die feingliedrige Struktur der Natur abgeschaut. „Inspiration für die Module lieferten natürliche Fasern, wie man sie in getrockneten Kakteen findet“, erklärt Architekt Arthur Mamou-Mani die Entstehungsgeschichte der Cabana. Die räumliche Installation aus Eschenholz ist Teil der Büroarchitektur im neuen Pariser Headquarter des Telekommunikationsunternehmens Orange.

Cabana, Arthur Mamou-Mani, Orange HQ, Paris
Die Cabana ist ein Stück parametrischer Büroarchitektur.

Inspiration für die Module lieferten natürliche Fasern, wie man sie in getrockneten Kakteen findet.

Arthur Mamou-Mani, Architekt

In den Cabanas der New-Work-inspirierten Bürolandschaft können Mitarbeiter einzeln arbeiten oder sich zu Meetings verabreden. Insgesamt arbeiten rund 5000 Beschäftigte in der neuen Firmenzentrale aus der Feder des Pariser Architekturbüros Jean-Paul Viguier. Der Flagship-Bau nahe der Pont d’Issy trägt den Namen „Bridge“ und sieht sich als Verbindungsglied zwischen dem Zentrum von Paris und seinen Vororten. Anders gesagt: als Brücke zwischen gewachsener Struktur und neuer Architektur.

Fusion von digitalem Design und Handwerk

Eine ähnliche Brücke schlug der britisch-französische Architekt bei seinem Interior-Projekt. „Wir haben digitale Berechnungsmodelle und traditionelles Handwerk miteinander verbunden und so ein parametrisches System entwickelt, das die digitalen Dateien und den Produktionsprozess miteinander koppelt“, erklärt Mamou-Mani das Konzept von Digital Craft.

Fertigung, Cabana, Arthur Mamou-Mani, Orange HQ, Paris

Ausgangspunkt der Cabana sind gerade Holzlatten. Durch die von Thonet entwickelte Bugholz-Technik werden die Latten unter Wasserdampf gebogen. So weit, so bekannt. Um die Grenzen der Biegefähigkeit des Holzes auszuloten, ohne dabei unendliche Versuchsreihen in der Werkstatt durchzuführen, stellte das Design-Team eine digitale Simulation an.

Das Holz gab den Weg vor

„Durch parametrisches Design entwickelten wir eine Form, die auf Physik basiert, sprich darauf, wie sich die Latten biegen lassen.“ Der gesamte Modellierungsprozess sei dabei sehr komplex gewesen. „Das Holz gab den Weg vor, und wir mussten uns dazu spezielle Verbindungen und Details ausdenken“, so der Parametrik-Experte.

Durch parametrisches Design entwickelten wir eine Form, die auf Physik basiert.

Arthur Mamou-Mani, Architekt

Dabei betont er, wie wichtig die tradierten Handwerke auch für die Zukunft sind. Schließlich können sie auf eine jahrhundertelange Lernkurve verweisen und wissen, wie Materialien am besten zu bearbeiten sind. „Es wäre anmaßend zu denken, dass parametrisches Design das Handwerk ablösen wird. Von Tischlern und Schmieden zu lernen ist extrem wichtig für alle, die sich mit parametrischem Design beschäftigen wollen.“

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Die Biegefähigkeit des Holzes wurde in einer digitalen Simulation ausgelotet.

Abfallfreies Design

Mit der digitalen Technologie ist es nicht nur möglich, die Biegefähigkeit der Holzelemente voll auszuschöpfen, sie bietet auch den Vorteil des verschnittlosen Arbeitens. „Die Cabanas bestehen aus geraden Profilen, die unter Dampf gebogen werden und so den Abfall minimieren“, erklären die Architekten. Der digitale Modellierungsprozess bietet ihnen die Möglichkeit, ressourcenschonend zu arbeiten.

Praktisch umgesetzt wurde die digitale Simulation vom britischen Holzbauspezialisten Xylotek. Um die einzelnen Elemente in die richtige Form zu bringen, baute das Werkstatt-Team maßgefertigte Einspannvorrichtungen. In einer Testphase fanden sie heraus, welcher Grad der Überbiegung notwendig war, um die Rückfederung des Holzes zu kompensieren.

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Die Elemente aus Eschenholz werden zweifach gebogen.

Das Große steckt im Kleinen

In den äußeren, stärkeren Eschenprofilen sind jeweils Strukturen aus dünneren, geformten Profilen enthalten. Dabei wiederholt sich die Grundform im Großen wie im Kleinen. Man nennt so eine Struktur auch Fraktal. Dieses Prinzip der Selbstähnlichkeit kommt in der Natur häufig vor, so auch in getrockneten Kaktusfasern, die für das Design Modell standen. 

Der nachwachsende Rohstoff Holz ist für den Architekten das ideale Baumaterial unserer Zeit, wie er sagt. Ob für sein parametrisch designtes Office-Gebäude St. Denis oder für ein Mobiliar wie die Cabana. 

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Martin Phelps

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