Sabine Marcelis, Candy Cubicle, Design Museum
#interior

Jetzt wird reiner Tisch gemacht!

Das viele Arbeiten im Homeoffice hat Designer zu neuen Ideen angespornt. Für Londons Design Museum entstand Candy Cubicle, ein mobiles Büroelement, das wie ein Office nach Feierabend schließt.

Not macht bekanntlich erfinderisch. Und diese Not ist eine, die wir nach Monaten im Homeoffice nur allzu gut kennen. Computer am Esstisch, Arbeitsunterlagen am Couchtisch und ein Feierabendmodus, der sich bei diesem Anblick nur schwer einstellen will. Das Londoner Design Museum machte daraus eine Challenge und rief das Projekt Connected ins Leben. Neun internationale Designer wurden aufgerufen, einen Tisch samt Stuhl zu entwickeln, der ihren neuen Anforderungen des Arbeitens und Lebens zuhause entspricht. Die Designerin Sabine Marcelis kreierte das clevere Transformer-Möbel Candy Cubicle, das nach getaner Arbeit Tabula rasa macht.

Closed Candy Cubicle, Sabine Marcelis
Im Feierabendmodus ist Candy Cubicle ein Holzquader auf Rollen.

Möbel, öffne dich!

Entworfen hat Marcelis das Möbelstück, nicht ganz uneigennützig, für ihren Partner, der Architekt ist. Zusammen mit ihm und ihrem gemeinsamen Kind bewohnen sie ein Loft, das in Zeiten von Homeoffice an seine Grenzen geriet. „Er hat einen großen Bildschirm, der in den letzten Monaten unseren Esstisch in Beschlag genommen hat“, klagte die Designerin. „Das Ding ist total nervig, immer da und sieht hässlich aus. Ich möchte einfach die Möglichkeit haben, es zu verstecken.“

Gesagt, getan. Die aus Ahorn gefertigte Box auf versteckten Rädern kann an der zentralen Achse geöffnet werden. Beim Öffnen verwandelt sich der Quader in einen L-förmigen Schreibtisch. An einer Seite befinden sich Regale für Bücher und Unterlagen, auf der anderen Seite gibt es Platz für einen Computer. 

Hocker, Candy Cubicle, Sabine Marcelis
Ein Hocker auf Rädern bietet Sitzgelegenheit und Stauraum zugleich.

Rollwagen, Candy Cubicle, Sabine Marcelis
Der Rollwagen mit Schubladen kann nach dem Arbeiten im Innenraum des Würfels verstaut werden.

Arbeits- versus Ruhemodus

„Der Schreibtisch kann in den Arbeitsmodus gebracht werden und anschließend zurück in den Ruhemodus. Das bedeutet, dass wir nicht ständig mit Arbeitsausrüstung konfrontiert sind“, so Marcelis. Der ganze Tisch sowie der Schubladen-Container und der zylindrische Hocker sind mit Rollen ausgestattet. Dadurch lässt sich das Möbel bequem schließen und verstauen

Eine minimalistische Form mit schöner Holzoberfläche, in deren Innerem etwas darauf wartet, entdeckt zu werden.

Sabine Marcelis, Designerin

Den unterschiedlichen Modi liegt ein einleuchtendes Farbkonzept zugrunde. Wenn das Möbel geschlossen ist, vermitteln die weiß geölten Außenwände mit ihrer matten, dezenten Oberfläche Zurückhaltung. Im geöffneten, aktiven Modus dagegen erweckt der Candy Cubicle mit der Signalfarbe Gelb die volle Aufmerksamkeit. Die gesamte Innenfläche ist mit gelbem Hochglanzlack versiegelt.

Der Pulp-Fiction-Effekt

Die gelbe Farbe, so Marcelis, sei eine Referenz an den Film „Pulp Fiction“. Genauer gesagt an jene Szene, in der John Travolta einen Aktenkoffer öffnet, von dessen verborgenem Inhalt ein vielversprechender goldener Schein ausgeht. „Man fragt sich: Was in aller Welt ist da drin? Dieses Gefühl wollte ich in diesem Projekt erwecken – eine minimalistische Form mit schöner Holzoberfläche, in deren Innerem etwas darauf wartet, entdeckt zu werden“, erklärt die Designerin.

Materialboard, Candy Cubicle, Sabine Marcelis
Das Material- und Farbboard für den Schreibtisch in der Box.

Oberflächen, Candy Cubicle, Sabine Marcelis
Eine matte, dezente Holzoberfläche außen und gelber Hochglanzlack im Inneren.

Amerikanisches Ahornholz

Alle Designs des Connected-Projekts wurden vom britischen Möbelbauer Benchmark umgesetzt. Eine besondere Herausforderung zu Lockdown-Zeiten war, dass die gesamte Kommunikation zwischen Designern und Produktionsteam über das Internet lief. Für Marcelis, die sonst bevorzugt mit transparenten Materialien wie Glas und Gießharz arbeitet, war auch der Werkstoff Holz eine Neuheit. 

Wegen seiner feinen Maserung entschied sich die Designerin für Ahorn, das aus US-amerikanischen Wäldern stammt. Trotz des langen Transportweges bescheinigt der American Hardwood Export Council (AHEC) dem Holz eine negative CO₂-Bilanz. „Das CO₂, das beim Wachstum im Holz gespeichert wird, übersteigt bei weitem alle Emissionen, die bei Ernte, Verarbeitung und Transport anfallen“, sagt David Venables von AHEC und verweist auf eine entsprechend große, nachhaltige Forstwirtschaft.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: David Cleveland, Connected

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