Casa Gallareta
#architektur

Spiegel der patagonischen Seele

In Patagonien kann man fein urlauben. Und in den Hütten der Casa Gallareta, die nach kontrollierter Zufälligkeit mitten in die Landschaft platziert wurden, mit der wilden Natur in den Dialog treten. OJA war es ein Anliegen, eine gekonnte Balance aus Bau- und Naturverständnis herzustellen.

Was kommt dabei heraus, wenn ein Architekturbüro sich selbst den Namen „OJA – Organic & Joyful Architecture“ verpasst? Und für ein Areal in Patagonien, ein Landstrich, der zu den letzten „wilden Orten“ unserer Erde zählt, ein kleines touristisches Ensemble entwerfen will? Dann entstehen Projekte wie Casa Gallareta. Es sind kleine, wohlproportionierte, nachhaltig errichtete Wohlfühlhütten – direkt in die Landschaft „hineingewürfelt“. Mit genug Platz zwischen den einzelnen Lodges für Privatsphäre und Naturgenuss.

Casa Gallareta
Die Cabins von Casa Gallareta werden von einem privaten Betreiber vermietet. Sie wirken wie in die wilde Natur Patagoniens hineingewürfelt.

Endlose Wälder, türkisblaues Wasser, majestätische Berge. Genau dort, am Ufer des Lago Correntoso bei Villa La Angostura, liegt Casa Gallareta. Es ist ein kleines Grüppchen durchdachter Hütten, entworfen unter der Leitung von María Ayelén Olivieri Martínez und Juan Segundo Díaz Dopazo. Letzterer, in der Region aufgewachsen, träumte seit langem davon, in seine Heimat zurückzukehren. Die Gestaltung eines Rückzugsortes für seine Eltern, aber nicht nur für sie, wurde zur persönlichen und architektonischen Sehnsucht.

Landschaftsnähe durch Lage und Modulbau

Statt traditionelle Lodge-Architektur zu verfolgen, entwickelte OJA ein modulares Ensemble aus sieben für zwei bis drei Personen angelegten Hütten. Diese positionieren sich mit „kontrollierter Zufälligkeit“ in den natürlichen Lichtungen des Waldes. Diese leichte „Setzung“ – ohne Baumrodung – spiegelt die Absicht des Büros wider: Architektur, die mit dem Ökosystem koexistiert, statt es zu dominieren.

Casa Gallareta
Die Hütten positionieren sich mit „kontrollierter Zufälligkeit“ in den natürlichen Lichtungen des Waldes.

Durch diese Platzierung auf freien Flächen bleibt der Bestand an chilenischen Scheinbuchen und Myrtengewächsen unberührt. Die Hütten wirken deshalb nicht wie Fremdkörper, sondern wie natürliche Elemente, die schon immer zu diesem Ort gehörten.

Halbebenen und Durchblicke

Nichtsdestotrotz stellte das Gelände – steil, eng und waldreich – eine logistische Herausforderung dar. OJA wählte eine Trockenbauweise mit Stahlbetonfundamenten, um die Bauqualität präzise und landschaftsschonend zu realisieren. Aufeinander abgestimmte Module entstanden teils vorgefertigt, was die Baustelle selbst nur minimal belastete.

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Durch Trockenbauweise und vorgefertigte Module war die Baustelle vor Ort nur minimal belastet.

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In diesen Cabins kann der Gast drinnen wie draußen mit der Natur in den Dialog treten.

Im Inneren erzeugt die Struktur ein raffiniertes Raumgefühl: Nach dem Split-Level-Modell ist der Raum aufgeteilt in Halbebenen. Das so geschaffene Platzangebot wirkt einladend: mit der Seele baumeln, nach außen zwischen die Baumwipfel blicken, … Der Raum wird hier nicht mit Wänden, sondern mit Öffnungen, Niveausprüngen und Licht gefasst. Dadurch werde das Erlebnis von Naturnähe räumlich zusätzlich erfahrbar werde, heißt es bei OJA.

Verkohlte Fassaden

Große, strategisch platzierte Fenster lassen Licht ins Innere strömen und gewähren Ausblicke. Ein besonderes Highlight ist eine freistehende Badewanne in der größten Hütte: Hier genießt man bei jedem Wetter einen wundervollen Panorama-Blick.

Casa Gallareta
Das Fassadenholz wird oberflächlich verkohlt, wodurch das Holz optisch dramatisch erscheint und langlebig, wetterresistent und feuerfest wird.

Die Materialpalette mit Lapacho-Holz, schwarzem Metall, Glas und Sichtbeton schafft eine nüchtern-naturbelassene Atmosphäre. Die markante Holzhülle verdanken die Cabins der Technik des
„Shou Sugi Ban“. Dies ist eine traditionelle japanische Methode zur Holzkonservierung, bei der die Oberfläche des Holzes mit Feuer verkohlt wird. Diese Technik wird in Japan selbst „Yakisugi“ genannt. Sie erzeugt das einzigartige, strukturierte Aussehen, das in der Architektur und im Design sehr geschätzt wird.

Sinn für Großzügigkeit

Zudem bietet das Verfahren mehrere Vorteile: Durch den Verkohlungsprozess wird das Holz widerstandsfähiger gegen Witterung, Insekten und Fäulnis. Und die Karbonschicht kann interessanterweise dazu beitragen, das Holz feuerbeständiger zu machen. Im Winter ergibt das Schwarz der Fassade, das Grün der Vegetation und das Weiß des Schnees ein kontrastreiches, starkes Farbbild.

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Im Winter ergibt das Schwarz der Fassade, das Grün der Vegetation und das Weiß des Schnees ein kontrastreiches, starkes Farbbild.

Casa Gallareta
Die Materialpalette mit Lapacho-Holz, schwarzem Metall, Glas und Sichtbeton schafft eine nüchtern-naturbelassene Atmosphäre.

Ein Büro, das sich auf die Manufaktur von Shou Sugi Ban-Hölzern spezialisiert hat, ist Zwarthout. Das Unternehmen im niederländischen Leersum beliefert heute die unterschiedlichsten Projekte: von der schwarzen Einbauküche, dem brandfesten Feuerwehrhaus bis zum luxuriösen Wohnsitz am Meer.

Innen dominiert das Guatambú-Holz, das helle, astfreie Edelholz des Gold-Ahorns. Daraus sind die Wände, Decken und Möbel gemacht. Die Wahl dieses Materials vermittelt den Gästen Behaglichkeit und Weite. Durch die Verwendung großflächiger Platten wurde nicht nur ein ästhetisch homogener Innenraum geschaffen, sondern auch der Baufortschritt effizient unterstützt.

Spiegel der patagonischen Seele

Die Möbel – eingebaut und aus dem gleichen Material – verschmelzen mit den Wänden. Dieses Konzept erschafft eine monolithische Ruhearchitektur, in der scheinbar Möbel nicht als eigenständige Objekte existieren, sondern als Teil des Ganzen wahrnehmbar sind.

Casa Gallareta
Die Split-Level-Architektur schafft ein großzügiges Raumgefühl.

Casa Gallareta ist weit mehr als ein Rückzugsort – es ist ein Spiegel der patagonischen Seele. Dopazo bringt dies auf den Punkt: „Ein Ort, der die Rhythmen des Waldes respektiert, nicht stört.“ Die kontrollierte Zufälligkeit, die Materialreduzierung, die räumlichen und visuellen Bezüge – all das ist Teil einer Architektur, die dem Gast nicht nur Unterkunft, sondern Erfahrung schenkt.

Technische Performance und Nachhaltigkeit

Die Kombination aus fundamentaler Robustheit, modularem Trockenbau und minimalem Geländeeinschnitt deutet auf einen ökologisch sensiblen Entwurf hin, der gleichzeitig praktikabel und skalierbar ist. Die vorgefertigten Elemente reduzierten Aufwand und Transport auf der Baustelle und verringerten den ökologischen Fußabdruck.

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Behaglichkeit: Wände, Decken und Möbel sind allesamt aus Goldahorn gefertigt.

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Homogener Innenraum durch großflächige Platten.

Seit seiner Fertigstellung im Vorjahr erlangte Casa Gallareta internationale Aufmerksamkeit: Veröffentlichungen in den Magazinen und Architektur-Plattformen ArchDaily, DesignScene, ArchEyes, designboom und Co. würdigen den sensiblen Einsatz von Material, Kontext und Raumkonzept. Hinzu gesellen sich Nominierungen und Architekturpreise.

Fazit: Wer beim nächsten Aufenthalt im Süden Argentiniens einen architektonisch inspirierten Rückzug sucht, findet in Casa Gallareta mehr als nur eine Hütte – es ist eine Einladung zum Innehalten, ein Erlebnis im Dialog mit dem Wald. OJA hat mit Casa Gallareta ein Modell entwickelt, das weise, sensibel und technisch präzise zugleich ist. Es zeigt, wie man auf beengtem, waldreichem Terrain eine modulare, nachhaltige und emotionale Architektur realisieren kann.

Text: Linda Benkö
Fotos: Juan Segundo Diaz Dopazo

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