Casa Pasiddhi
#architektur

Schlangenförmige, vielseitige Familienoase

Die Wünsche des Auftraggebers inspirierten Rojkind Arquitectos dazu, subtil bei der Neuinterpretation eines typischen Wohnhauses in Mexiko zu experimentieren. So entstand ein außergewöhnlicher Grundriss für die Casa Pasiddhi, ein Haus, das auch neue Formen des Zusammenlebens erlaubt.

Das Einfamilienhaus Casa Pasiddhi in Mexiko ist ein Haus scheinbarer Widersprüche. Das außergewöhnliche Wohnhaus entzieht sich mit der dunklen und soliden Erscheinungsform – und dem mäandernden Grundriss – jeder Etikettierung.

Moderne und großzügige Interpretation des Einfamilienhauses: Casa Pasiddhi.

Familienoase aus Beton, Holz und Glas
Die Casa Pasiddhi frönt einem sanften Brutalismus, der sich in den robusten Fassaden und den wuchtigen Volumina zeigt.

Entworfen nach den Plänen von Rojkind Arquitectos, ist Casa Pasiddhi in „Hacienda de Valle Escondido” in Ciudad López Mateos gelegen – ein zum Großraum Mexiko-Stadt gehörendes Wohnviertel. Während die meisten modernen Häuser dieses gehobenen Stadtteils im Landhausstil gehalten sind, stellt sich die Casa Pasiddhi als außergewöhnliche, steinerne Familienoase dar.

Der Bauherr wünschte einen grünen, uneinsehbaren Innenhof. Die Verwendung von raumhohen Glasfenstern öffnet das Haus für die Natur.
Casa Pasiddhi in Mexiko, von Rojkind Arquitectos entworfen
Entwurf und Grundriss passten sich auch dem leichten Gefälle des Grundstücks an.

Die vielen Zu- und Eingänge zu den einzelnen Teilen, Durchgängen und Brücken erlauben spätere anderweitige Nutzungen des Einfamilienhauses.
Der Bauherr wollte viel Grün im uneinsehbaren Innenhof
Der geriffelte dunkle Beton außen kontrastiert mit den hellen, freundlichen Innenräumen der Casa Pasiddhi.

Die Gedanken, Ideen und Realisierungen von Architekten und Designern kreisen im Wohnsegment beständig um Aspekte wie dem Einbezug von natürlichem Licht, der Herstellung durchgehender Sichtachsen, der Verwendung natürlicher Materialien, der Schaffung effizienter Wege und ausgeklügelter Belüftungs- und Heizsysteme, dem Respekt für die Umgebung sowie der Nutzung lebendiger Flora als biophilem Element, um nur einige zu nennen.

Casa Pasiddhi: phantasievoll und doch konventionell

Nicht zuletzt stehen Architekten und Designer auch vor der Frage, wie man mit dem Raum, der Formensprache und der architektonischen Ästhetik eines Hauses experimentieren kann, sodass das entstehende Bauwerk phantasievoll und innovativ ist, gleichzeitig aber der konventionellen Typologie eines Wohnhauses treu bleibt.

Es gibt viele „chillige” Orte in der Casa Pasiddhi.

Die hohen Glasschiebetüren ermöglichen viel Lichteinfall.

Das Team von Rojkind Arquitectos setzt dabei auch KI und maschinelles Lernen ein, jedoch „immer mit Blick darauf, wie diese Fortschritte das Leben der Menschen, der Nutzer unserer Räume, verbessern und bereichern können.” Man sei sich bewusst, dass der Beruf des Architekten einem ständigen Wandel unterliege – ökonomisch, politisch und gesellschaftlich – und sei bereit, ungewöhnliche Wege zu gehen, neue urbane Strategien und Möglichkeiten zu entwickeln und damit aber auch so manches Risiko einzugehen.

Das Risiko kann beispielsweise darin bestehen, dass die in Zusammenarbeit mit Agustin Pereyra und Inocente Colectivo entworfene Casa Pasiddhi mit ihren Merkmalen eines fast schon brutalistischen Baukörpers nicht jedem gefällt. Allerdings: Das ist eher unwahrscheinlich, dazu sind Konzept und Aussehen des Hauses insgesamt doch zu stimmig und interessant.

Wir wollen Architektur schaffen, die nicht nur die Grenzen des Möglichen verschiebt, sondern auch einen positiven Einfluss auf die Welt hat, in der wir leben.

Michel Rojkind, leitender Architekt, Rojkind Arquitectos

Die präzise Programmatik sowie die Raumaufteilung, die Planung und die meisten Elemente der Inneneinrichtung waren vom Bedürfnis des Bauherrn nach Privatsphäre und dem Wunsch, der Vegetation einen hohen Stellenwert zu geben, beeinflusst. Die ungewöhnliche, schlangenförmige, mäandernde Familienoase lässt einen leicht vergessen, dass man Nachbarn hat. Und um den ruhigen Innenhof mit üppiger Bepflanzung konzentriert sich das soziale Leben.

Noch mehr Privatsphäre bietet allerdings ein weiteres Haus in Mexiko, das „moderne Hobbit-Haus” von HW Studio.

Casa Pasiddhi ist ein großzügiges, modernes Einfamilienhaus mit dienem außergewöhnlichen, schlangenförmigen Grundriss
Die Räume des außerordentlich großzügigen Hauses Casa Pasiddhi sind in einer geschickten, ansprechenden Komposition angeordnet. Sie schließen sich gegenseitig ab und öffnen sich nach außen hin zur Landschaft.

Versteckter Innenhof

Der schlangenförmige Grundriss, der vor neugierigen Blicken schützt, wird durch eine Reihe von Durchgängen und Brücken gebildet, die sich in der Mitte um einen kontemplativen, üppigen, grünen Innenhofgarten gruppieren. Der gewundene Grundriss und der erhöhte Durchgang wurden teils auch als Reaktion auf das leichte Gefälle des Grundstücks konzipiert.

Das helle, warme Innere kontrastiert mit dem dunklen Beton außen.

Im Inneren des Hauses eröffnet sich ein visuelles Erlebnis von halbdunklen bis hin zu lichtdurchfluteten und weitläufigen Räumen.

Das gesamte „Zirkulationssystem” ist in dem massiven Betonvolumen mit mehreren Ausgängen untergebracht. Rund um den Innenhof und gleichsam über der Erde schwebend sind die Zimmer und Gemeinschaftsräume gruppiert. Der Weg führt durch einen halbdunklen Gang, der tagsüber hauptsächlich durch Oberlichter und nachts durch die subtil eingefassten Deckenleuchten erhellt wird.

Umarmende Geste des Objekts

Casa Pasiddhi erstreckt sich über zwei Ebenen. Die einzelnen Teile, Brücken und Durchgänge definieren die Räume und bieten an jeder Ecke Überraschungen und chillige Elemente. Das „sanftmütige” Innere kontrastiert dabei mit dem dominierenden schwarzen Beton außen. Die verschlungenen Räume laden zum Erleben und zur Begegnung ein.

Der zeitgenössische Aspekt wird durch die Verwendung von nur drei Materialien – Beton, Holz und Glas – zum Ausdruck gebracht. Der Beton zeigt sich in zwei Farben und Texturen: Grauer Beton mit glatter Oberfläche für die Wände der Serviceeinrichtungen, graue Betonplatten und dunkler Beton mit geriffelter Oberfläche, der das Umhüllende des Baukörpers verstärkt. Holz, die Verglasung und die Glasfassaden verleihen den Innenräumen Wärme und Helligkeit.

Dunkle Passagen und helle Räume

Beim Durchschreiten des Hauses und Betreten der einzelnen Räume wechselt die Erfahrung vom Halbdunkel der Gänge zu den weiten Ausblicken – dank der vom Boden bis zur Decke reichenden Glasflächen, die die Verbindung zur Natur noch verstärken. Im Außenbereich ist das Gegenteil der Fall: Das ansteigende und sich windende Volumen begrenzt und umrahmt und intensiviert so das Gartenerlebnis.

Das Erdgeschoss beherbergt Eingänge und Garagenzugänge. Auch die Besucherlobby befindet sich unten. Die Haupthalle mit einer Freitreppe ist begleitet von Grünflächen. Von hier aus gelangt man in den offenen Wohn- und Essbereich, an den sich eine geräumige Küche anschließt. Im hinteren Bereich befinden sich die Speisekammer, die Waschküche und der Wirtschaftsraum.

Im Stockwerk darüber schließlich sind das große Wohnzimmer, das Hauptschlafzimmer, eine Terrasse, ein weiteres Schlafzimmer sowie ein Studio mit Blick auf den zentralen Innenhof untergebracht. Die Dachterrasse ist auch vom ersten Stock aus zugänglich. Hier gibt es ein Yogadeck, auf dem auch Yogakurse gehalten werden.

ein Yogadeck auf dem Dachgeschoß der Casa Pasiddhi
Das Yogadeck auf dem Dachgeschoß der Casa Pasiddhi.

Experimentelles Zusammenleben

Einige der Bereiche können abgetrennt werden, so dass Teile des Hauses in Zukunft vermietet werden könnten. Die Vielfalt der Räume, ihre gleichzeitige Abgeschiedenheit untereinander sowie die vielen autonomen Zugänge zu den verschiedenen Bereichen des Hauses plus das Zusammenfließen an den Orten des gemeinschaftlichen Lebens … all dies erlaubt auch mit unterschiedlichen Arten des Zusammenlebens zu experimentieren.

Text: Linda Benkö
Fotos: Jaime Navarro

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