Das Büro am Scheideweg (Bild: Laura Stamer)
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Das Büro am Scheideweg

Kopenhagens größte Wohnbaugesellschaft KAB hat einen neuen Hauptsitz. Dass das spannende Gebäude an einer Kreuzung thront, hat Symbolcharakter. Denn Henning Larsens Design „kreuzt“ dort Arbeitsplatz- mit Wohngefühl. Und präsentiert damit quasi ein Büro „am Scheideweg“ zur Zukunft.

Wie schafft man einen lebenswerten Arbeitsplatz für Menschen, deren Job es ist, lebenswerten Wohnraum zu schaffen? Das renommierte Büro Henning Larsen liefert Antwort auf diese Frage. Und zwar mit seinem jüngsten Projekt: Der neue Hauptsitz für die Kopenhagener Wohnungsbaugesellschaft KAB ist ein Gebäude an einer Kreuzung – im wörtlichen sowie übertragenen Sinn. Der 7.400 Quadratmeter große Neubau thront auf der Achse zweier wichtiger Straßen. Zwischen Bahngleisen und einem der ältesten und einem der jüngsten Stadtteile von Kopenhagen. Und obendrein „kreuzt“ dieses Büro am Scheideweg dänische Bürokultur mit ebensolchem Privatleben. 

Das Büro am Scheideweg: Der neue KAB-Hauptsitz in Kopenhagen liegt zwischen Stadtteilen und wichtigen Verkehrswegen. (Bild: Poul Christensen)
Im Zentrum des Geschehens: Der neue KAB-Hauptsitz in Kopenhagen liegt zwischen Stadtteilen und wichtigen Verkehrswegen.

„Bei KAB bestand die Herausforderung darin, aus etwas Komplexem etwas Einfaches zu machen“, erklärt Signe Kongebro, Global Design Director und Partner bei Henning Larsen. Und die Architektin führt aus: „Wir interessierten uns für das Spiel zwischen dem Büro und dem Zuhause – den beiden Orten, an denen wir den größten Teil unseres täglichen Lebens verbringen. Wir wollten wissen, wie wir das Beste aus beiden Welten in den Hauptsitz einbringen können“.

Arbeitsplatz für Problemlöser

Wie viele andere Städte ringt auch Kopenhagen mit einer Wohnungskrise. Allerdings hat das Problem hier eine weniger komplexe Ursache als in vielen anderen Metropolen: Es gibt schlicht nicht genug Wohnraum. Ein Dilemma, mit dem die Stadt schon zur Zeit der Gründung der KAB im Jahr 1920 zu kämpfen hatte. Der Wohnungsbau konnte mit dem starken Trend, ländliche Gebiete zugunsten der Hauptstadt zu verlassen, nicht Schritt halten. 

Das Büro am Scheideweg bietet erholsames Grün (Bild: Laura Stamer)
Das Büro am Scheideweg bietet erholsames Grün …

Das Büro am Scheideweg bietet eine freundlich rote, ansprechende Ziegelfassade (Bild: Laura Stamer)
… und eine freundlich rote, ansprechende Ziegelfassade.

Wohnbaugesellschaften wie KAB wurden gegründet, um Immobilien zu entwickeln, zu bauen, zu vermieten und zu verwalten. Und um sicherzustellen, dass die Preise fair bleiben. Heute verwaltet die KAB fast 64.000 Wohnungen im Großraum Kopenhagen. Wohnungen, in denen etwa 120.000 Menschen leben (also zehn Prozent der Stadtbevölkerung), während eine Viertelmillion weitere auf Wartelisten eines Zuhauses harrt. 

Komplexer Entwurf

Bei der Planung des neuen Hauptsitzes galt es, viele Aspekte im Auge zu behalten. Schließlich erbringen die KAB-Mitarbeiter vielfältige, unterschiedliche Dienstleistungen – von Verwaltung über Entwicklung und Investition bis zur sozialen Betreuung. Die besten Voraussetzungen dafür zu schaffen, war zudem nicht die einzige Herausforderung. Denn das Büro am Scheideweg sollte auch repräsentativ für Dänemarks Einstellung zum Kollektivismus, zur Wohlfahrt und zum Heim selbst geraten. 

„Hygge-Feeling“ am Arbeitsplatz: Der Neubau für KAB kombiniert die Vorzüge traditioneller Häuser mit jenen moderner Büros. (Bild: Laura Stamer)
„Hygge-Feeling“ am Arbeitsplatz: Der Neubau kombiniert die Vorzüge traditioneller Häuser mit jenen moderner Büros.

Ziele, die in einen spannenden architektonischen Ansatz mündeten: Traditionelle Haus-Elemente, wie Wohnzimmer, Treppe, Garten und Küche, wurden auf den Arbeitsplatz übertragen. Alles beginnt im typischen, gewohnten Büro-Stil: Das Erdgeschoss ist offen und luftig. Der große Empfangstresen wird von einer bepflanzten Sitzecke flankiert, hinter der sich die Bürokantine verbirgt. Erklimmt man allerdings die Treppe, ändert sich das Bild – und das Gefühl.

Im Job und doch „Zuhause“

Im Atrium ist nahezu alles mit Holz verkleidet. Dies verleiht dem Raum ein „hyggeliges“ Feeling mit angenehmem Geruch und einer Struktur, die man sonst kaum mit dem Thema „Arbeitsplatz“ verbindet. Die schlanke Treppe kreuzt in der Mitte des Atriums mehrfach und führt zu großen Gemeinschaftsküchen auf jeder Etage. 

Das Büro am Scheideweg (Bild: Laura Stamer)

Das Büro am Scheideweg (Bild: Laura Stamer)

Troels Dam Madsen, Associate Design Director bei Henning Larsen, erläutert: „Die Treppe ist eine Anspielung auf das klassische Treppenhaus in Wohngebäuden, in dem man seine Nachbarn trifft. Im KAB-Haus haben wir dem normalerweise sehr praktischen Raum Schichten von Sichtbarkeit, Textur und Schönheit hinzugefügt“. 

Transparentes Doppelleben

Der westliche Rand des Atriums besteht aus einer Fensterwand. Dahinter befinden sich das Büro und die Hauptbesprechungsräume, die wie die Zimmer eines Hauses eingerichtet sind. Damit wird die Grenze zwischen den privaten Arbeitsplätzen der KAB und dem öffentlich zugänglichen Raum markiert. Blickt man von der Treppe aus in die Fenster der Besprechungsräume, ist es, als würde man einen Haushalt bei der Arbeit beobachten.

Das Büro am Scheideweg (Bild: Laura Stamer)

Trotz des speziellen Innen-Designs wirkt der KAB-Hauptsitz von außen keineswegs wie ein Wohnhaus. Das heuer fertiggestellte Büro am Scheideweg befindet sich in einer „Restfläche“, die nicht ganz in, sondern zwischen mehreren Stadtteilen liegt. Die vielschichtige Kreuzung wird von Autos, Bussen, Fahrrädern und Zügen befahren. Sie ruht genau in der Mitte der zukünftigen Wachstumsgebiete Kopenhagens.

Mit Weitblick geformt

Das Henning Larsen Team nahm die spezielle Lage zum Anlass, das Bürogebäude ohne Vorder- oder Rückseite zu entwerfen. Seine fünfeckige Form öffnet sich nach allen Seiten zur Stadt und bietet Ausblicke auf Vesterbro, Sydhavn, Carlsberg und Valby. Das robuste Äußere aus rotem Ziegel erinnert an historische Backsteinbauten, ohne modernes Flair vermissen zu lassen.

Das Büro am Scheideweg (Bild: Laura Stamer)

Rund um das Bürogebäude lädt eine, von SLA Landschaftsarchitekten designte Parkanlage zum Verweilen ein. Die Grünfläche bietet Nachbarn, Passanten und – natürlich – KAB-Mitarbeiten eine attraktive Erholungszone. Auch auf dem Dach des KAB-Hauptsitzes ist für Grün gesorgt: Im Dachgarten können Besucher und Mitarbeiter entspannen und freien Blick in alle Himmelsrichtungen genießen.

Grüne Oase mit Schutzfunktion

Man habe mit dem KAB-Haus urbane Natur geschaffen, beschreibt SLA-Parterin Mette Skjold: „Die Landschaftsgestaltung nimmt den Charakter der Umgebung auf und setzt die raue Szenerie des bestehenden Bahngeländes fort. Sie tut dies, indem sie robustes und identitätsstiftendes Naturdesign schafft – vom Straßenniveau bis zum Dachgarten“. Dadurch werden sowohl das am komplexen Scheideweg gelegene Büro, als auch sein Umfeld in die Umgebung integriert. Zugleich fungiert das verbindende Grün als „Puffer“ gegen die Lärm- und Partikelbelastung durch das nahe Gleisgelände.

Das Büro am Scheideweg (Bild: Laura Stamer)

Das Büro am Scheideweg (Bild: Laura Stamer)

Im Juni 2021 konnten die 400 Mitarbeiter der KAB den neuen Hauptsitz beziehen. Das Bürohaus dient zudem als Treffpunkt für 44 Wohnungsbaugesellschaften. Und für rund 120.000 Nutzer von Wohnungen in KAB-Projekten. 

Vorrang für Work-Life Balance

Das vielfach prämierte, dänische Architekturstudio Henning Larsen versteht sich darauf, skandinavisches „Hygge-Feeling“ in die Welt zu tragen. Etwa auch mit einem neuen Universitätsgebäude in Cincinnati, das Ruheoasen in den stressigen Hochschulalltag setzt. Oder mit dem Bürokomplex „105 Victoria Street“ in London, der mit attraktivem Mixed-Use famose Work-Life-Balance verspricht. 

Im Dachgarten des neuen KAB-Hauptsitzes lässt es sich fein entspannen. (Bild: Poul Christensen )
Der Dachgarten des neuen KAB-Gebäudes bietet viel Grün und Platz für entspannte Arbeitspausen.

Die kreative „Kreuzung“, die das Henning Larsen Team mit dem KAB Büro an Kopenhagens Scheideweg präsentiert, kann sich sehen lassen. Der Neubau schafft in der Tat einen lebenswerten Arbeitsplatz für Menschen, deren Job die Schaffung lebenswerten Wohnraums ist. Und er zeigt, wie sich auch schwierige Restflächen zum Besten der Mitarbeiter, der Stadt und ihrer Bewohner nützen lassen.

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Laura Stamer, Poul Christensen  / Henning Larsen

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