Eigentlich wollte Peter Pichler bloß einen Wettbewerb gewinnen – aber jetzt baut der Mailänder Architekt spektakuläre Baumhaus-Anlagen in den USA und in Kitzbühel. Ein guter Grund, nach den Wurzeln des Hadid-Schülers zu fragen. Also haben wir ihn angerufen.

Peter Pichler ist grundsätzlich ein Mann, der groß denkt. Kleingeist passt dem Südtiroler nicht ins Konzept, ist sozusagen bloß Kleinkram. Deshalb ist der 37-Jährige seit seiner Ausbildung an der Angewandten in Wien und der darauffolgenden Gründung seines Architekturstudios Peter Pichler Architecture – gemeinsam mit seiner Frau Silvana Ordinas in Mailand – mit seinen Projekten auch weltweit unterwegs.

Peter Pichler und die weite Welt

In Abu Dhabi etwa tragen in naher Zukunft gleich zwei Bauwerke seine Handschrift. Eines davon ist besonders überdimensional: Eine private Villa, die eigentlich aus einem Ensemble von drei Villen besteht. „Von der Größenordnung her ist dieses Projekt doppelt so groß, wie das letzte Hotel, das wir geplant haben“, schmunzelt der Star-Architekt. Das hat mit der dortigen Kultur zu tun, wie Pichler betont: „Die Familien sind riesengroß, haben zumindest fünf oder sechs Kinder und an den Wochenenden kommt die ganze Verwandtschaft auch noch auf Besuch.“ Ja, in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebt man in anderen Dimensionen.

In Abu Dhabi entstehen derzeit diese beiden privaten Objekte …

… die Pichlers Handschrift tragen. Das rechte ist bereits fertiggestellt.

Und auf diese anderen Vorzeichen, auf die Kultur, in der man gerade tätig ist, muss man besonders eingehen – wenn man Peter Pichler ist. Schließlich hat er sich eben die Integration regionaler Ansprüche und Gegebenheiten als architektonisches Konzept auf die Fahnen geheftet.

Stellt sich also jedenfalls die Frage: Warum baut Pichler derzeit aber nicht nur Villen in Abu Dhabi sondern vor allem in aller Welt ausgerechnet Baumhäuser? Wir sind der Sache auf den Grund gegangen.

Der Südtiroler Peter Pichler geht einen anderen Weg als seine Lehrerin Zaha Hadid.

Wie kam es dazu, dass Sie derzeit sozusagen in den Bäumen zuhause sind?

Ja, das ist eine ganz eigenartige Geschichte: Vor gut zwei Jahren haben wir in Südtirol an einem Architektur-Wettbewerb für den Zubau eines Hotels teilgenommen. Und dafür hatten wir die Idee, in den angrenzenden Wald Baumhäuser zu pflanzen. Den Wettbewerb haben wir dann zwar nicht gewonnen, haben das Konzept aber eben als Beispiel veröffentlicht.

Von da aus wurde das dann ein Selbstläufer, wurde in den sozialen Netzwerken geteilt und von der Presse aufgegriffen. Bis ein Kunde schließlich darauf aufmerksam wurde und wir nun das Konzept tatsächlich realisieren.

Aber nicht am ursprünglich geplanten Standort, oder?

Nein, nicht in Südtirol, sondern in Amerika, in West Virginia! Unser Auftraggeber hat ein wunderschönes Privatgrundstück mit einem See und realisiert dort ein gigantisches Projekt, das auf Nachhaltigkeit fokussiert ist. Auf 15 Hektar Wald wird das ganze Areal emissionsfrei erschlossen. Es dürfen nur Elektroautos fahren, die Verbindung zwischen Mensch und Natur soll generell neu definiert werden. Und dabei spielen unsere Baumhäuser eine wesentliche Rolle.

Auf einem privaten Areal von 15 Hektar entsteht in den USA eine …

…Oase der Nachhaltigkeit. Dort realisiert Pichler diese Baumhäuser.

Kommt man derzeit in der Architektur am Thema Nachhaltigkeit überhaupt vorbei?

Als Architekt kommt man da definitiv nicht mehr drum herum! Egal bei welchem Projekt, wir konzipieren es immer nachhaltig, bieten aber meistens auch eine klassische Bauweise zusätzlich an. Denn Nachhaltigkeit hat schlussendlich immer auch ihren Preis. Nehmen wir ein Bauwerk her, das man entweder klassisch oder aus Holz errichten kann: Der Holzbau wird einfach um zehn bis 15 Prozent teurer sein …

Aber Holzbauten haben doch echte Vorteile, die man nicht ausklammern darf  …

Sicher! Holz ist eben ein zu 100 Prozent nachhaltiges Material – es wächst definitiv nach. Und im Idealfall nutzt man das Holz der Umgebung. Das führt dann dazu, dass das Baumaterial keine weite Anreise hat, da man freilich das nächstgelegene Sägewerk für die Verarbeitung nutzt.

Vor allem aber geht es um das Wohlbefinden, das in aus Holz errichteten Gebäuden ein anderes, ein besonderes ist. Deshalb kämpfen wir auch immer für eine nachhaltige Realisierung. Jedoch müssen eben die Bauherren die Mehrkosten verantworten und da wird die Luft dann oft rasch dünn.

In Kitzbühel ist es Ihnen offenbar gelungen, ein weiteres Baumhaus-Konzept mit Ihrem Nachhaltigkeits-Anspruch durchzubringen. Wer baut hier jetzt genau was?

Das ist in diesem Fall ein ziemlich luxuriöses Baumhausprojekt, das als Ergänzung zum Six Senses-Hotel gedacht ist. Wir haben also mit dem eigentlichen Hotelbau oder den Chalets rundherum nichts zu tun. Wir haben bloß den Auftrag, Baumhäuser, die dann in Verbindung zum Hotel funktionieren sollen, zu realisieren.

Und, ja, diese werden in kompletter Holzbauweise errichtet. Mit lokalem Holz außen und sogar auch innen. Das ist übrigens ein weiterer, wichtiger Grund, der für die Verwendung von lokalem Material spricht: So holt man die natürliche Architektur der Umgebung in allen möglichen Ebenen hinein in den Wohnraum.

Das wiederum entspricht unserer Unternehmens-Philosophie, die Kultur des jeweiligen Ortes zeitgenössisch zu interpretieren und so zu integrieren.

Peter Pichler
In Kitzbühel wurde Pichlers Baumhaus-Idee ebenfalls aufgegriffen …

Peter Pichler
… er ist auch für dieses nachhaltige Holzbau-Konzept verantwortlich.

Wie folgen Sie diesem Anspruch? Recherchieren Sie vor jeder Konzeption vor Ort oder lesen Sie sich ein?

Das Wichtigste, egal wo das Projekt stattfindet, ist, dass ich die örtlichen Gegebenheiten kenne. Ob das im Nahen Osten, in Abu Dhabi, in Kitzbühel oder in Italien ist – wir müssen den Ort verstehen, die Kultur verstehen. Da tut man sich als Südtiroler natürlich leichter, jene in Kitzbühel oder Österreich zu verstehen.

Aber Abu Dhabi, das ist eine andere Welt. Das ist eine andere Kultur, das ist ein anderer Kontext. Und damit meine ich nicht nur den physischen Kontext, also wie das Gebäude funktioniert oder das Klima dort ist. Ich meine vor allem den kulturellen Kontext. Dieser macht die Sache dann für uns als Architekten eigentlich erst richtig spannend. Um diesen Kontext zu verstehen, muss man natürlich dort sein. Meist sind das leider nur zwei, drei Tage in denen wir versuchen, nicht nur herauszufinden, was dem Kunden wichtig ist, sondern, wie die gesamte Rahmenhandlung aussieht.

… Damit das Objekt am Ende kein Fremdkörper ist?

Ja, absolut! Für uns ist es eben sehr wichtig, dass sich das Objekt integriert, dass das Objekt Elemente aufgreift, die in seinem Umfeld typisch sind und die wir dann neu interpretiert einsetzen können.

Zaha Hadid war zwar eine echte Autorität, hat sich aber immer für die Studenten, oder generell auch für alles was an der Uni passiert ist, interessiert.

Peter Pichler, Architekt und Schüler von Zaha Hadid

ZUR PERSON
Peter Pichler

Der 1982 in Bozen geborene Architekt studierte in Wien Architektur und belegte die Meisterklasse von Zaha Hadid. 2015 gründete er gemeinsam mit seiner Frau Silvana Ordinas das eigene Studio in Mailand.

Das ist jetzt ein bisschen ein anderer Zugang als ihn Ihre Lehrerinnen Zaha Hadid vorgelebt hat. Ihre Werke folgen eher ihren Formen und verändern so eine bestehende Welt. Machen Sie das bewusst anders als sie es getan hat und ihr Büro heute noch macht?

Ich habe bei Zaha auf der Universität für Angewandte Kunst in Wien studiert und das war schon eine spannende Zeit. Sie war zwar eine echte Autorität, hat sich aber immer für die Studenten, oder generell auch für alles was an der Uni passiert ist, interessiert.

Ich hab dann bei ihr mein Diplom gemacht und war anschließend als Projektleiter für Zaha Hadid Architects in London und in Hamburg tätig. Das war schon eine echt spannende Zeit. Vor allem Projekte in einer gewissen Größenordnung zu betreuen, da habe ich viel mitgenommen. Und, ja, wenn ich aus der Zeit einen Aspekt herauspicken möchte, den ich bewusst anders mache, dann ist das wohl die Idee, Kontext aufzugreifen und nicht neuen Kontext zu erschaffen.

Demnach könnte man mutmaßen, dass auch Ihr Baumhaus-Thema aus einem persönlichen Kontext entstanden ist und nicht bloß durch diesen Wettbewerb …

Ob ich einen persönlichen Bezug zu Baumhäusern habe? Also eigentlich schon. Als ich ein Kind war, da waren wir immer in der Nähe von Bozen auf Sommerfrische. Und da waren wir natürlich den ganzen Sommer im Wald und haben immer in irgendwelchen Höhlen gespielt.

Wir haben aber keine Baumhäuser gebaut, sondern eher mit dem Holz aus dem Wald Konstruktionen zusammengebaut, die uns Unterschlupf gewährt haben. Also, naja, vielleicht ist da irgendwo wirklich ein Bezug zu meiner Kindheit, das kann schon sein (lacht).

Interview: Johannes Stühlinger
Fotos: Peter Pichler Architecture

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