Trotz Kritik an seiner Umweltverträglichkeit ist das Einfamilienhaus nach wie vor der beliebteste Gebäudetypus. Frische Inspiration für alle Häuselbauer und Hygge-Junkies liefert jetzt der neue Bildband „Häuser des Jahres 2019“.

Das Haus mit Garten ist ein Auslaufmodell, heißt es oft. Ein Flächenfresser, Landschaftszerstörer und Resscourcenverschwender, der eigentlich verboten gehört. Es treibt die Zersiedelung voran und ist schuld am erhöhten Verkehrsaufkommen. Und zur Frage, wie im großen Stil Wohnraum geschaffen werden kann, hat es offenbar auch nichts beizutragen. Trotz allem ist nichts so ausgesprochen „hygge“ wie das Einfamilienhaus, das nach wie vor zur beliebtesten Bauform zählt. Wie der Wettbewerb „Häuser des Jahres“ nun zum neunten Mal festgestellt hat, entstehen in diesem Segment Bauten von hohem architektonischem Wert. 

Die 50 schönsten Architektenhäuser

Bei der Planung und Umsetzung von Einfamilienhäusern ist Nachhaltigkeit für Architekten längst zum normalen Anspruch geworden. Dies ist im Vorwort des neuen Bildbandes nachzulesen. „Mal wird er technisch umgesetzt, mal durch die Wahl des Materials, mal durch die Flexibilität des Grundrisses, der an zukünftige Nutzer und ihre Bedürfnisse denkt und manchmal einfach schon durch die richtige Setzung auf dem Grundstück“, beschreibt Autorin Katharina Matzig die unterschiedlichen Ansätze. 

Seit 2011 suchen das Deutsche Architekturmuseum und der Callwey Verlag jährlich die 50 besten von Architekten geplanten Häuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die eingereichten Projekte werden von einer Expertenjury prämiert und im Bildband „Häuser des Jahres“ präsentiert. Die ausgewählten Projekte überzeugten die Jury durch ihre städtebauliche Qualität, ihre herausragende Gestaltung, die Energieeffizienz sowie durch ihre Persönlichkeit.

Die 50 besten Einfamilienhäuser geben nicht nur Einblick in 50 individuelle Planungsgeschichten, sondern in 50 Vorstellungen, wie Alt und Jung, Single, Paar oder Familie heutzutage leben und wohnen.

Katharina Matzig, Autorin „Häuser des Jahres 2019“

„Die 50 besten Einfamilienhäuser des Jahres 2019 geben nicht nur Einblick in 50 individuelle Planungsgeschichten, sondern in 50 Vorstellungen, wie Alt und Jung, Single, Paar oder Familie heutzutage leben und wohnen“, heißt es im Vorwort des 172 Seiten umfassenden Buches.

Neues Bauen in der Altstadt

Das Haus am Buddenturm von Innen
Sichtbeton und Holz: das Haus am historischen Münsteraner Buddenturm von Innen.

Das Haus am Buddenturm, Münster

Das Haus ist in der Anmutung an historische Formen angelehnt, in der Gestalt zeitgenössisch und in der Ausführung erkennbar handwerklich hergestellt.

Hehnpohl Architektur BDA

Dieses reduzierte Backsteinhaus von Hehnpohl Architektur BDA holte den ersten Preis im Wettbewerb. Das Haus in der Altstadt von Münster nimmt viel Rücksicht auf den städtebaulichen Kontext, zumindest was seine Höhe und Maße angeht. Im Inneren warte es mit einer spannenden Raumfolge auf, die sich über eine skulpturale Sichtbetonerschließung artikuliert, heißt es in der Jurybegründung. Außerdem beweise es, dass das Einfamilienhaus nicht automatisch mit Flächenfraß und Zersiedelung einhergehen muss. Es geht eben auch anders.

Villa reloaded

Villa am Zürichsee, geschwungene Treppe
Das Haus im Park betritt man durch einen zentralen Raum, der durch einen Patio und eine skulptural geformte Spindeltreppe geprägt ist.

Pool im Haus im Park, Zürich
Radikal minimal: Formen und Strukturen sprechen eine klare Sprache.

Die mäandrierende Grundfigur kaschiert die effektive Größe des Hauses und verzahnt sich durch seine Vor- und Rücksprünge mit der Parklandschaft.

Think Architecture

Die Schweizer Architekten Ralph Brogle und Marco Zbinden haben in eine parkähnliche Parzelle oberhalb des Zürichsees eine Wohnlandschaft aus flachen Kuben gesetzt. Die eingeschoßigen Volumen wurden zu einem harmonischen Ganzen zusammengefügt. Think Architecture habe damit ein Haus konzipiert, das den Begriff „Villa“ auf eine zeitgemäße, architektonisch überraschende und äußerst konsequente Weise ins Heute übersetzt, begründete die Jury. 

Gefaltet wie die Berge

Haus im Tiroler Ort Aldrans
Das Südtiroler Architekturbüro Bergmeisterwolf hat nicht nur dieses Wohnhaus entworfen, sondern auch einen großen Teil der Inneneinrichtung.

Für uns ist Architektur ein Verstehen von Orten, von Landschaft und Räumen und die Akzeptanz des Vorhandenen.

Gerd Bergmeister und Michaela Wolf, Architekten

Minimal, wohnlich und kraftvoll präsentiert sich dieses Haus in der Tiroler Gemeinde Aldrans, südöstlich von Innsbruck. Die gegeneinander verschobenen Satteldächer sind eine Referenz an die umgebende Berglandschaft. Der charaktervollen, kantigen Formgebung entspricht die Wahl der verwendeten Materialien. Sichtbeton und Eiche innen, Waschputz und Lärche außen. Die Südtiroler Architekten des Büros Bergmeisterwolf schafften durch Verschiebungen und Schrägen innen wie außen ungewohnte Zuschnitte und spannungsvolle Perspektiven. Sie sprechen dabei von räumlichen Faltungen.

Haus in Aldrans, Front
Verschobene Satteldächer und ein komplex verschränktes Inneres sorgen für räumliche Spannung.

Die aktuellen Hausbau-Trends

Mehr Inspiration von den aktuellen Hausbau-Trends finden Architektur-Interessierte in der neuen Ausgabe von „Häuser des Jahres“. Zu allen Bauprojekten – vom Stallausbau bis zur Villa am See – gibt es ausführliche Beschreibungen, Grundrisse, Gebäudedaten und hochwertiges Bildmaterial. Neben den Fachtexten von Architektin Katharina Matzig findet sich auch ein satirischer Text über die kleinen und großen Stolpersteine beim Hausbauen von Schriftsteller Jan Weiler. Wer nicht gerade selbst im Häuslbau-Wahnsinn steckt, kann unbeschwert darüber lachen.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Callwey Verlag, Gustav Willeit, Simone Bossi, hehnpohl architektur bda, Valentin Jeck

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