Das Gelbe vom Ei
Die vom Architekturbüro FCJZ entworfene Egg Exploration Hall im chinesischen Weifang ist ein außergewöhnliches Ausstellungsgebäude – hinter dem mehr steckt als eine einfache Bildungseinrichtung.
Weifang in der Provinz Shandong liegt etwa 413 Kilometer von der chinesischen Hauptstadt Peking entfernt. Während Besuchende einerseits in der bezirksfreien Stadt den traditionellen Alltag Chinas hautnah erleben können, ist sie trotz ihrer – für chinesische Verhältnisse – kleinen Bevölkerungszahl von knapp zwei Millionen dennoch ein Paradebeispiel an Urbanisierung und des turbulenten Großstadtlebens.
Das hiesige Flugdrachenfestival lockt alljährlich im Frühjahr eine Vielzahl von Menschen an. Dies hat zur Folge, dass Weifang für handgefertigte Drachen und generell für Holzschnitzereien weit über seine Grenzen bekannt ist. Doch auch in der Lebensmittelindustrie spielt die Stadt in der Region eine große Rolle. Hier wird im Bereich Konsumgüter, Textilien und Lebensmittelverarbeitung im großen Stil gearbeitet. Mit der thailändischen Charoen Pokphand (CP) Gruppe hat in Weifang auch einer der größten Eierproduzenten weltweit eine seine Produktionsstätten.
Studio mit Bandbreite
In Peking wiederum liegt der Hauptsitz von Atelier Feichang Jianzhu (FCJZ). Das Studio, 1993 in den USA gegründet, kann auf 30 Jahre Erfahrung mit einer großen Bandbreite zurückblicken – vom Schmuckdesign über Innenarchitektur bis hin zur Planung eines Industriebetriebs. Das Erfolgsrezept besteht aus der richtigen Kombination von drei Zutaten: Raum, Struktur und Nutzung. Aussehen ist nicht alles, so das Credo.
Diese Arbeitsweise lässt FCJZ weltweit Anerkennung finden. Niemand schien also besser geeignet, an der Eierproduktionsstätte der CP Gruppe in Weifang eine Bildungseinrichtung der besonderen Art zu planen – die sich neben ihrer extravaganten Optik wiederum Raum, Struktur und Nutzung optimal zu eigen macht.
Kompakt verpackt
In der Egg Exploration Hall, der Ei-Erkundungshalle, können Besuchende wissenschaftliche Erkenntnisse über Eier gewinnen und erhalten im Anschluss die Möglichkeit, die benachbarte Produktionsstätte zu erkunden; ein Übergang führt aus einem der Ausstellungsgebäude direkt dorthin. (Über die dortigen Produktionsverhältnisse bezüglich Tierschutz und -wohl liegen übrigens keine Information vor …)
Die Egg Exploration wird jedenfalls nicht nur als eine einfache Ausstellung verstanden. „Im Gegensatz zu anderen Fabriken dient das Egg Exploratorium als Schaufenster für die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Eier. Es ist eine ikonische Kultureinrichtung und dient zugleich als Auftakt zu einem Rundgang durch die Produktionslinie“, so FJCZ.
Die Grundstruktur der Anlage bleibt dem Thema der Ausstellung treu. Die zahlreichen Bögen, auf denen das gesamte Design beruht, ähneln von der Struktur und Form her einem Ei, so das Architekturbüro. Neben der Affinität zum Produkt erzeugt FCJZ damit mehr Weite und Tiefe im Inneren der drei Gebäude. Bögen in unterschiedlichen Größen bilden jeweils eine trichterförmige Halle – in denen die Besuchenden alles über das Ei erfahren können. Ausgestattet mit zahlreichen Fenstern schafft natürlicher Lichteinfall zudem eine positive Atmosphäre.
Nachhaltig revolutionär
Die Egg Exploration Hall wurde im Sinne der Nachhaltigkeit aus Brettschichtholz gefertigt; dieses zählt zu den emissionsarmen Baumaterialien. Dabei wird damit nicht nur eine ähnliche Festigkeit wie Stahlbeton erreicht, sondern auch etwaiger Verformung entgegengewirkt. Ein Vergleich machte dem Architekturbüro die Wahl leicht: So wiegt ein Kubikmeter Brettschichtholz nur 400 Kilo, während die gleiche Menge an Beton mit etwa 2,7 Tonnen deutlich schwerer ist – und das trotz gleicher Tragfähigkeit.
Die Egg Exploration Hall ist nicht das erste – und vermutlich auch nicht das letzte – Projekt, mit dem sich Atelier FCJZ bewusst gegen klassische architektonische Entwürfe stellt. „Bei der Architektur geht es nicht darum, um ihrer selbst Willen komplexer zu sein“, so Zhang Yonghe, Hauptarchitekt des Projekts. „Ganz gleich, wie ästhetisch und damit ansprechend sie ist, ohne eine clevere Konstruktion und eine räumliche Organisation ist sie zwecklos.“
Text: Katarina Andraschko, Michi Reichelt
Bilder: Tiang Fanfang
