Empire State Building, New York, klimaneutral, Sanierung
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Eine Ikone wird klimaneutral

Die CO₂-Emissionen zu senken ist für große Metropolen und ihre Skylines eine besondere Herausforderung. Dass auch historische Hochhäuser dekarbonisiert werden können, zeigt die beispiellose Sanierung des Empire State Building. Seine Aufzüge erzeugen neuerdings Strom.

Die Vereinten Nationen haben es vorgerechnet: Mehr als ein Drittel der weltweiten CO₂-Emissionen entstehen beim Bau und durch den Betrieb von Gebäuden. Noch viel dramatischer sieht es in einer Stadt wie New York aus, wo diese Emissionen sogar 70 Prozent ausmachen. Die hohe Bebauungsdichte und die zahlreichen Hochhäuser schrauben den Energiebedarf, der für Beleuchtung, Kühlung, Heizung und Belüftung der Gebäude anfällt, kräftig nach oben. 

Im Hinblick auf die bis 2050 zu erreichende Klimaneutralität hat die Weltmetropole am Hudson River deshalb 2019 ein Gesetz erlassen, das vorschreibt, dass ein Großteil der rund 50.000 Gebäude ihre Treibhausgasemissionen bis zum Ende dieses Jahrzehnts um 40 Prozent senken müssen. Ein ambitioniertes Ziel angesichts der vielen in die Jahre gekommenen Wolkenkratzer, die die Skyline des Big Apple seit vielen Jahrzehnten prägen.

Empire State Building, Sanierung, klimaneutral, New York
In einer zehnjährigen Sanierung konnten die CO₂-Emissionen des Empire State Building um über 50 Prozent gesenkt werden.

Pilotprojekt zur Sanierung 

Dass dieses Ziel durchaus realistisch ist, zeigt die innovative Sanierung des Empire State Building, dessen Eigentümerfirma mit gutem Beispiel vorangeht. In einer zehnjährigen Renovierungsphase gelang es, das 1930 erbaute Hochhaus, das in den Anfängen des Actionfilms von King Kong erklommen wurde, in eines der energieeffizientesten der Welt zu verwandeln. Genauso wie der Riesenaffe vor 90 Jahren das Kino mit seinen Special Effects revolutionierte, so kann die ökologische Transformation des ikonischen Wolkenkratzers die Dekarbonisierung im Gebäudesektor weltweit vorantreiben.

Wir haben jedes einzelne Bauteil dieses Gebäudes in seiner Effizienz verbessert.

Dana Schneider, Energie- und Nachhaltigkeitsbeauftragte des Empire State Realty Trust

Auch wenn die Art-Deko-Ikone von außen immer noch so aussieht wie vor über 90 Jahren, wurde es im Zuge der Renovierung quasi in seine Einzelteile zerlegt. „Wir haben jedes einzelne Bauteil dieses Gebäudes in seiner Effizienz verbessert“, erklärt Dana Schneider, die Energie- und Nachhaltigkeitsbeauftragte des Empire State Realty Trust, in einer Presseaussendung.

Fenster, Empire State Building, New York
Jedes einzelne der 6.514 Fenster des berühmten Hochhauses wurde mit einer Dreifachverglasung und einer isolierenden Gasschicht nachgerüstet.

Eine In-House-Fabrik für neue Fenster

In einem beispiellosen Prozess wurden alle 6.514 Fenster des Gebäudes getauscht, die in der Vergangenheit für enorme Wärmeverluste im Winter und Überhitzung im Sommer sorgten und das Heiz- und Kühlsystem an seine Grenzen brachten. Die neuen Fenster sind nicht nur dreifach verglast, die Zwischenräume sind zudem mit den Edelgasen Krypton und Argon gefüllt, um den Isolationswert zusätzlich zu erhöhen. 

Für die Fenstersanierung errichtete man eigens eine Fensterfabrik im fünften Stock des Gebäudes. Somit erfolgte die gesamte Anpassung direkt vor Ort, und 96 Prozent der ursprünglichen Gläser und Rahmen konnten wiederverwendet werden. Dieser Teil der Sanierung wurde bereits 2010 abgeschlossen.

Aufzüge als kleine Kraftwerke

Im Jahr 2019 konnte die Modernisierung der Fahrstühle abgeschlossen werden, die man als weltweit größtes Projekt dieser Art betitelte.

Empire State Building, New York
Die 68 Fahrstühle des Gebäudes wurden mit regenerativen Bremssystemen ausgestattet, die während der Fahrt Strom generieren.

Dabei bekamen alle 68 Aufzüge regenerative Bremssysteme, die während der Fahrt Bewegungsenergie in elektrische Energie umwandeln. Die Sanierung machte die Liftanlagen nicht nur effizienter im Betrieb, sie fungieren seither auch als kleine Kraftwerke und versorgen andere Systeme im Gebäude mit Strom.

Wer also im Rahmen einer Reise nach New York das Empire State Building besucht und zur Aussichtsplattform im 102. Stock fährt, leistet damit einen Beitrag zum Klimaschutz.

Eine weitere wichtige Sanierungsmaßnahme erfolgte im Keller des Hochhauses, wo sich die zentrale Kühlanlage befindet. Auch wenn sie oberflächlich betrachtet noch gleich aussieht wie in den 1950er-Jahren, wurde sie in ihrem Inneren komplett erneuert. Mithilfe smarter Technologie werden nun Daten generiert, die dafür sorgen, dass die 300.000 Quadratmeter des Gebäudes mit optimaler Effizienz gekühlt werden.

Im Vergleich dazu zählte das Tauschen der 1.200 Leuchten durch energieeffizientere LED-Varianten eher zu den leichteren Übungen.

Wolken, Skyline New York, Manhattan
Die rund 50.000 Gebäude in New York müssen ihre Treibhausgasemissionen bis zum Ende dieses Jahrzehnts um 40 Prozent senken.

Sanierung spart jedes Jahr 4,2 Mio. Euro

Das Ergebnis der Sanierung kann sich sehen lassen. Die Summe der gesetzten Maßnahmen haben dazu geführt, dass die CO₂-Emissionen des über 90 Jahre alten Wahrzeichens um mehr als 50 Prozent gesunken sind. Bis 2030 will man es laut Eigentümerfirma schaffen, dass der Betrieb des Büroturms komplett klimaneutral läuft. „Wir wollen zeigen, dass das schon jetzt technisch möglich ist – und sogar eine lohnende Investition“, sagt Schneider.

Alles, was wir hier gelernt haben, wird geteilt, denn es reicht nicht, wenn wir nur beim Empire State Building erfolgreich sind.

Dana Schneider, Energie- und Nachhaltigkeitsbeauftragte des Empire State Realty Trust

Neben den ökologischen Vorteilen bringt die Sanierung nämlich auch eine enorme Rendite der Investitionen, wie die Nachhaltigkeitsbeauftragte vorrechnet: Die Umrüstungen haben bisher etwa 12,5 Millionen Euro gekostet, durch den niedrigeren Energieverbrauch können aber jedes Jahr rund 4,2 Millionen Euro eingespart werden. „Einen so schnellen Rückgewinn gibt es bei keiner anderen Investition.“

Empire State Building, New York, Sanierung
Bis 2030 soll das Empire State Building vollständig klimaneutral laufen.

Aus den Erfahrungen, die man bei der Renovierung des Empire State Building gewonnen hat, entwickelte die Eigentümerfirma gemeinsam mit der New York State Research and Development Authority (NYSERDA) ein Strategiepapier, das auch anderen dabei helfen soll, die Treibhausgasemissionen ihrer Immobilien zu reduzieren. „Alles, was wir hier gelernt haben, wird geteilt, denn es reicht nicht, wenn wir nur beim Empire State Building erfolgreich sind“, sagt Schneider.

Das Pilotprojekt lässt auf jeden Fall die Hoffnungen auf eine grüne Zukunft wachsen, denn: Wenn es gelingt, eine denkmalgeschützte Ikone aus der Vorkriegszeit wie das Empire State Building klimaneutral zu machen, dann sollte es bei jedem anderen Gebäude ein Kinderspiel sein.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Getty Images

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