Das „Hans Brinker Hotel“ in Amsterdam sagt von sich selbst, es sei das „hässlichste Hotel der Welt“. Doch in Wahrheit verbirgt sich hinter den längst legendären Mauern ein ziemlich geniales Marketing-Konzept.

Haben Sie Lust, Ihr Immunsystem wieder in Gang zu bringen? Dann sind Sie ob der hohen Bakteriendichte in unserem Hotel genau an der richtigen Adresse.“ Nein, das ist kein druckfrisches Ergebnis eines wütenden Hotel-Testers, sondern ein hochoffizieller Werbeclaim!

Und dieser ist nicht der einzige – es gibt sozusagen einen ganzen Müllsack voll Negativ-Slogans, die dieses besondere Gästehaus im Herzen Amsterdams beschreiben sollen. Inoffizieller Leitsatz: „Wenn der Gast denkt, schlimmer könne es nicht kommen, sind wir stets bemüht, das niedrige Niveau noch zu unterbieten.“

Seit 23 Jahren erfolgreich

Konkret handelt es sich um das „Hans Brinker Hotel Amsterdam.“ Ein Haus, das sich ganz bewusst den Titel „Hässlichstes Hotel der Welt“ auf die gewiss ziemlich zerfledderten Fahnen heftet. Und das ganz offensichtlich mit Erfolg – das Hotel „ziert“ schon 23 Jahre das Stadtbild der niederländischen Metropole. Es kann also so schlecht nicht laufen.

Zwischen 25 und 35 Euro kostet in dieser besonderen Absteige eine Nacht – allerdings in einem der Schlafsäle. Denn auch wenn das Haus sich gern als Hotel bezeichnet, fällt es in Wahrheit unter die Kategorie „Hostel“. Doch da wollen wir nicht so kleinlich sein, bei einem offiziell weltschlechten Hotel passieren naturgemäß auch sprachliche Unsauberkeiten.

In Wirklichkeit will man das beste Billighotel der Stadt sein und über diesen Weg Gäste gewinnen, die sich für Low-Budget Hotels interessieren.

Michael Pech, Kommunikations-Experte

Michael Pech berät Top-Hotels in Kommunikationsfragen

Ebenfalls nicht ganz astrein – die „Kritiken“ auf diversen Booking-Portalen. „Klassenfahrt in die Hölle – Albtraum pur“ schreibt der eine. „Sehr siffige Bude, Schlafsack und Hausschuhe sind zu empfehlen“, die andere. Trotzdem hat das „Hans Brinker“ aber etwa auf booking.com eine mehr als passable Bewertung von 7,4/10 Punkten.

Eines ist somit wohl klar: Selbst die Gäste haben Spaß mit dem wohl eher augenzwinkernd zu verstehenden Anti-Qualitäts-Siegel. Und die Macher dieses angeblich ganz besonders schäbigen Hotels sind wohl eher außergewöhnlich kreativ denn besonders geschmacklos.

Zu diesem Schluss kommt auch Kommunikations-Experte Michael Pech. Der Österreicher berät mit seiner Agentur Dreamshappen Häuser der Top-Hotellerie und Gastronomie in Österreich und Deutschland, 3-Sterne-Koch Juan Amador etwa ist einer seiner Kunden.

Hässlichkeit lässt sich verkaufen

Der Fachmann erläutert: „Gerade in einem Markt mit hoher Dichte an Mitbewerbern – und dazu zählt die Stadthotellerie – ist ein Alleinstellungsmerkmal das Um und Auf.“ Eben deshalb versuchen logischerweise besonders viele Hotels, die besten in irgendeiner besonderen Kategorie zu sein. So gut wie keines versucht das Gegenteil – die Konkurrenz ist also, wenn man so will, viel geringer.

„Der Beste in einer Kategorie zu sein, ist aus Sicht der Kommunikation allerdings gleich viel wert, wie irgendwo der Schlechteste zu sein. Beide Geschichten lassen sich gut verkaufen“, so Pech weiter. Das Hans Brinker Hostel in Amsterdam mache sich eben genau diese Strategie zunutze: Als selbst ernanntes schlechtestes Hotel der Welt hat man die Aufmerksamkeit auf seiner Seite.

Das „Hans Brinker Amsterdam“ von außen …

… und von innen

Der wahre Clou ist jedoch gar nicht das offensichtliche Umdrehen der Wertigkeiten, sondern die damit einhergehende wesentliche Umkehrung der Sichtweise. „In Wirklichkeit will man das beste Billighotel der Stadt sein und über diesen Weg Gäste gewinnen, die sich für Low-Budget-Hotels interessieren. Mit dem Slogan des ,schlechtesten Hotels der Welt’ gelingt eben genau diese Positionierung.“

Angst vor dem PR-Gag

Allerdings ist das Verfolgen eines solchen Konzepts nicht zwingend einfacher, als umgekehrt besonders gut sein zu wollen, ist sich Pech sicher: „Dahinter steckt ein sehr professionell und aufwändig umgesetzter Marketingplan“, den man akribisch bis ins kleinste Detail verfolgen müsse, um nicht als PR-Gag aufzufliegen. Und deshalb womöglich sogar von den Medien ignoriert oder gar kritisiert zu werden. Pech: „Das Hans Brinker Hostel setzt sein Konzept hochprofessionell und bis ins kleinste Detail um. So generiert es Medienberichte in aller Welt.“

Doch nicht nur klassische Journalisten berichten gerne über dieses unorthodoxe Konzept. Diverse Test-Blogger und Influencer sind längst Stammgäste – und erzählen durch die Bank begeistert von den vielen positiven Überraschungen, die auf den Gast warten. Auch hier geht also das Konzept auf: Wer mit einer geringen Erwartungshaltung anreist, ist mit sehr einfachen Mitteln zu überzeugen. Selbst wenn er Tester ist. Und so lautet das wahrlich internette Fazit zu dem Quartier:

  • blitzsauber
  • freundlich
  • hilfsbereit
  • ruhig
  • und wirklich billig

Ob Spaß am Wuzzeltisch oder …

… hoher Flirtfaktor in der Hostelbar – für Unterhaltung ist gesorgt!

Jedenfalls hat es das „Hans Brinker“ in Amsterdam nicht nur geschafft weltweit Gesprächsthema zu werden. Vielmehr ist gerade unter jungen Reisenden ein wahrer Kult um das Hotel mit dem schmutzigen Ruf ausgebrochen.

Logisches Resultat: In den sozialen Netzwerken geht es rund. Dies haben wiederum die Marketing-Profis des „Hässlichsten Hotels der Welt“ erkannt – und rittern nun um den nächsten Titel. Sie wollen das Hotel mit den meisten Facebook-Fans werden. Aktueller Stand: 48.450. Ständig steigend. 48.451 …

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