Garteln ums Eck
Wir kennen Pop-up-Werbung, Pop-up-Stores, seit einiger Zeit sogar Pop-Up-Radwege. In der Innenstadt von Shanghai wurde von AIM Architecture mit Urban Bloom nun etwas Neues geschaffen: Ein Pop-up-Garten.
Im dichtverbauten, innerstädtischen Gebiet sind begrünte Rückzugsorte rar gesät. Öffentliche Ruheoasen findet man zumeist nur in deklarierten Parks. Doch in Zeiten wie diesen wird der Ruf nach ebendiesen Orten im urbanen Raum immer lauter. In Shanghai wurde der Ruf gehört und mit einem temporären Garten beantwortet.
Experiment Pop-up-Garten
Urban Bloom ist der Name des Gartens, den das Architekturbüro AIM Architecture im Innenstadtbezirk Xuhui errichtet hat. „Die Anfu Road ist für dieses Projekt perfekt geeignet“, erklären dazu die Designer. „Sie ist eine beliebte Straße, ein Mix aus Wohngebiet, Büros, Lokalen, Geschäften und Schulen. Mehr als 30 Plattenbauten stehen hier direkt neben dreistöckigen Häusern. Das ist einzigartig in Shanghai.“
In der Anfu Road werde deutlich, dass man alte Gebäude in einer Stadt nicht abtragen müsse, um ihr neues Leben einzuhauchen. Hier sehe man, wie Stadtentwicklung funktioniere, so AIM Architecture. Was allerdings fehle, sei ein Park.
Deshalb wollte man genau hier Urban Bloom umsetzen. Das Experiment eines Pop-up-Gartens unterlag keinerlei Auflagen, die einzigen Anforderungen waren „Freiheit“ und „Freude“. „Das Projekt erfindet das Urbane neu und haucht ihm Leben ein – zuvor war an dieser Location lediglich ein Parkplatz.“ Urban Bloom zeige, was eine Stadt bieten kann, die den Fokus auf den Menschen legt.
Urban Bloom: Aus alt mach neu
Hergestellt wurde der Garten ausschließlich aus wiederverwertbaren oder recycelten Materialien. Holzpaletten dienen als – auf verschiedenen Ebenen bewusst unruhig gehaltenes – Fundament für die unterschiedlichsten, typisch urbanen Nutzungsmöglichkeiten: Private Treffen, kleine Vorträge, Freiluft-Theater, …
„Wer in einer Stadt wohnt, wünscht sich mehr Natur. Gleichzeitig produzieren Städte Unmengen an Müll. Wir haben beidem Rechnung getragen“, erzählt man seitens AIM Architecture. „Dieser Ort sollte beweisen, dass es möglich ist, etwas Neues aus etwas überhaupt nicht Neuem zu schaffen. So viel dazu, dass Urbanität nicht nachhaltig sein kann.“
Ballon-Bäume
Auch ein Pop-up-Garten wäre aber kein Garten, hätte er keine Begrünung. Eine Vielzahl von Topfblumen und -pflanzen wurden auf den Holzpaletten-Modulen gruppiert; sie sorgen einerseits für eine natürliche Balustrade, andererseits für das Gefühl, sich tatsächlich in einem gemütlichen Garten mitten im öffentlichen Raum zu befinden.
Statt Bäumen, die in einem temporären Garten nicht gepflanzt werden können, sorgen durchsichtige, mit Laub ausgelegte Kugelgebilde für Schatten – und für Schattenspiele. Grüne Kunstrasen-Matten dienen als Sitzpolster.
Expliziter Wunsch der Designer ist es jedoch, keinerlei Vorgaben für die Nutzung zu geben. Man soll den Garten nach eigenen Bedürfnissen und Wünschen besuchen und benutzen. „So wie Menschenströme durch gewisse Straßen fließen, so wie Blumen in Richtung des Sonnenlichts wachsen, so wird das Verhalten jedes Besuchers im Zusammenspiel mit der Energie seiner Umgebung diesen Raum und seinen Charakter prägen“, so das Architekturbüro.
Urbane Vision von AIM
„Unser städtisches Leben ist immer mehr von der Diskrepanz geprägt, wo wir sein müssen und wo wir eigentlich sein möchten. Was wir haben und wie viel davon wir nicht brauchen. Je mehr sich das Leben in Städten abspielt, desto mehr müssen wir danach trachten, Räume zu kreieren, die man genießen kann. Räume, die selbst diesen Genuss schaffen.“
Urban Bloom sei zwar kein permanenter Bestandteil dieser Stadt, erinnere aber daran, wie wichtig hohe Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums einer Stadt ist, so AIM. „Urban Bloom ist unsere real gewordene Vision einer neuen Urbanität: Von Menschen gemacht, aber natürlich. Permanent, aber flexibel. Rational, aber intuitiv.“
Text: Michi Reichelt
Bilder: CreatAR Images
